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24-Stunden-Serie 20 bis 21 Uhr: Der die erste Geige spielt

24 Stunden unterwegs im Salzlandkreis - 24 Geschichten, die erzählt werden wollen. Von 20 bis 21 Uhr: Entspannung nach der Arbeit mit dem Konzertmeister der Mitteldeutschen Kammerphilharmonie.

Von Felix Mihalek 26.08.2015, 17:23

Schönebeck l Gemächlich packt Farhad Billimoria seine Geige ein. Als einer der letzten verlässt er den überdachten Orchestergraben an der Freilichtbühne auf dem Bierer Berg. Erfolgreich hat er das Orchester durch eine der letzten Aufführungen beim diesjährigen Schönebecker Operettensommer geführt – denn als Konzertmeister der Mitteldeutschen Kammerphilharmonie obliegt ihm die musikalische Verantwortung für das Orchester. Unter anderem gibt er vor, welche Bogenstriche gespielt werden, spielt die Violinsoli und stellt das Bindeglied zwischen Dirigent und Orchester her. Farhad Billimoria spielt also im wahrsten Sinne des Wortes die erste Geige. „Der Dirigent kann nämlich nicht alles machen“, erklärt er. „Vor jedem Konzert ist Anspannung da und danach auch enstprechend die Erleichterung.“

Verständlich also, wenn er sich am Ende eines gelungenen Auftritts nach Entspannung sehnt. Doch wenn ein Auftritt geschafft ist, was meist abends der Fall ist, ist zuerst ein Garderobenwechsel angesagt, bevor der Feierabend richtig losgehen kann.

Zusammen mit seinen Kollegen zieht er sich für gewöhnlich im Dr.-Tolberg-Saal im Kurpark in Schönebeck um. „Wenn wir nur im Anzug spielen, wie jetzt bei der Operette, fahre ich so nach Hause. Aber wenn wir etwas Spezielles tragen, wie etwa einen Frack, ziehe ich mich nach dem Auftritt immer um.“

Zuhause in Magdeburg angekommen muss der gebürtige Inder unbedingt entspannen: „Egal wie spät es ist, ich muss mich vor dem Zubettgehen ausruhen. Nach einem Auftritt bin ich körperlich und geistig ganz aufgeputscht.“ Seine abendlichen Beschäftigungen sind ziemlich gewöhnlich: „Ich unterhalte mich mit jemandem, oder nehme mir ein Buch. Zurzeit lese ich eines über meinen Lieblingssport: Crickett. Ansonsten aber auch normale Romane.“ Die meiste Zeit liest der Geiger dabei auf Englisch. „Es ist meine Muttersprache und ich will sie mir mit den Büchern erhalten.“

Wenn er sich in seiner Freizeit von der Arbeit erholen will, beschäftigt Billimoria, der in Österreich und Amerika studiert hat, sich wahrlich mit anderen Dingen als der Musik: „Wenn ich nicht arbeite, mache ich etwas ganz anderes. Dann treffe ich Freunde, die nicht im Orchester spielen, gehe essen, oder ins Kino.“

Denn bei aller Liebe zur Musik, in der Freizeit des 43-Jährigen findet sie nicht statt: „Ich höre keine Musik zur Entspannung, denn sie ist meine Arbeit. Wenn ich sie doch mal höre, zum Beispiel bei einer Feier, dann mag ich gerne Klassik und Jazz. Aber auch Latino-Musik gefällt mir ganz gut“, berichtet der Mumbaier, während er sich im Tolberg-Saal ein frisches Hemd anzieht. Er macht sich fertig für die Abschlussfeier des diesjährigen Operettensommers, bei der alle, die bei dem Kulturereignis mitgeholfen und mitgewirkt haben, die gemeinsame Zeit ausklingen lassen.

„Die Erfahrung bleibt für immer. Auch manche Sprüche und Melodien bleiben noch lange im Gedächtnis - manche jahrelang. Aber ich schließe eigentlich recht schnell ab mit den Auftritten.“

Während er seine weinrote Geigentasche zusammenpackt - worin neben der Geige unter anderem auch das so wichtige Notenbuch und eine Auswahl an Kugelschreibern verstaut ist - beschreibt er seinen Weg in die Musik: „Ich hab mit elf Jahren das Geigespielen angefangen. Meine Eltern erzählen immer, ich hätte mit vier Jahren ein Klassikkonzert gesehen und sei ganz begeistert gewesen“, erinnert er sich mit einem Schmunzeln.

Frisch gekleidet in einem dunkelroten Karohemd, stellt Farhad Billimoria dann seine Geigentasche weg, um sich der Feiergesellschaft im Restaurant „Park-Idyll“ anzuschließen. „Jetzt werde ich wahrscheinlich in Ruhe ein Bier trinken und dann nach Hause fahren“, lächelt er und eilt gemächlich über den knarrenden Holzfußboden davon.