1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Schönebeck
  6. >
  7. Hilfe für Schwangere in der Krise

Beratung Hilfe für Schwangere in der Krise

Für Frauen die Hilfe benötigen, gibt es sogenannte Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen.

Von Kathleen Radunsky-Neumann 30.09.2015, 01:01

Schönebeck l „Ich bin schwanger.“ Und nun? Diese Frage ist für Katja Lammel und Ivonne Gräffner nicht neu. Vielmehr ist sie ihr täglich Brot. Denn die Diplom-Sozialpädagoginnen gehören mit Holger Kuhne zu dem Dreier-Team der Schwangerschafts- und Schwangerschaftskonfliktberatung der Pin GmbH in Schönebeck.

Im Jahr 2014 wurden 917 Klienten in der Schönebecker Schwangerschafts- und Schwangerschaftskonfliktberatung betreut. Davon sind 121 Frauen zur Schwangerschaftskonfliktberatung gegangen. Wer braucht diese Beratung? „An sich sind es Frauen, die mit sich selbst im Konflikt stehen“, erklärt Katja Lammel. Zu den Gründen gegen eine Schwangerschaft gehören die abgeschlossene Familienplanung, soziale Unsicherheit und Altersgründe sowie körperliche/psychische Überforderung.

„Grundsätzlich werden die Frauen vom Frauenarzt zu uns verwiesen“, sagt Kollegin Ivonne Gräffner. Ein Abbruch ist bis zur zwölften Schwangerschaftswoche möglich. Um den Betroffenen also schnellstmöglich mit einer Beratung zur Seite stehen zu können, „haben wir unsere Öffnungszeiten an die der Frauenärzte angepasst, da die meisten Frauen auf direktem Wege zu uns kommen“, sagt die Sozialpädagogin. Wartelisten oder ähnliches gibt es bei der Pin GmbH nicht - wäre bei dem kurzen Zeitfenster für die Schwangerschaftskonfliktberatung auch eher ungünstig.

Für die Sozialpädagoginnen ist wichtig, dass ihre Beratung ergebnisoffen stattfinde. „Wir informieren zu verschiedenen Hilfsangeboten und raten den Frauen, eine Pro- und Contra-Liste anzufertigen“, fasst Katja Lammel zusammen und stellt gleichzeitig dar, dass solche Gespräche nicht in wenigen Minuten abgehandelt sind. Sondern vor allem Einfühlungsvermögen und Verständnis sind gefragt. Dabei dürfe es keine Rolle spielen, ob eine Frau schon oft in der Vergangenheit die Beratungsstelle aufgesucht hat oder ob es ein minderjähriges Mädchen ist.

Fakt ist: Die Frauen, die ihre Schwangerschaft abbrechen wollen, müssen zuvor in der Beratungsstelle gewesen sein. Nur mit der sogenannten Beratungsbescheinigung bekommen sie einen Termin im Klinikum. „Niedergelassene Frauenärzte nehmen den Abbruch in Schönebeck nicht vor“, informiert Katja Lammel. Zwischen der Beratung und dem Abbruch müssen gesetzlich vorgeschrieben drei Tage liegen, „damit die Frauen noch einmal in sich gehen können“.

Am 1. Mai 2014 ist zudem das Gesetz zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt in Kraft getreten. Hintergrund ist, dass Frauen, die ihre Schwangerschaft geheim halten, oft große Angst haben, sich jemandem zu offenbaren. Diese Frauen konnten bisher nur schwer erreicht werden. Nun haben sie nicht nur die Möglichkeit, sich anonym beraten zu lassen, sondern können, wenn im Gespräch keine andere Lösung gefunden wird, ihr Kind medizinisch begleitet zur Welt bringen, ohne ihre Identität zu offenbaren. „Riskante heimliche Geburten und Fälle, in denen Neugeborene ausgesetzt oder getötet werden, sollen dadurch verhindert werden“, erklärt Katja Lammel. Gleichzeitig habe das Kind später die Chance, seine Herkunft zu erfahren – ein Grundbedürfnis jedes Menschen. Solch einen Fall haben die Beraterinnen in Schönebeck noch nicht erlebt.

Welche Klientin sich am Ende der Beratung für oder gegen das Kind entscheidet, das wissen die Beraterinnen eher selten. „Manchmal kommen aber ehemalige Klientinnen mit ihren Kindern bei uns vorbei“, berichtet Ivonne Gräffner. Und auch bei jenen Frauen, für die die Beraterinnen einen Förderantrag bei der Bundesstiftung „Familie in Not - Sachsen-Anhalt“ stellen. Hier können Sozialschwache einen Zuschuss für die Baby-Erst-Ausstattung beantragen. Die Schwangerschaftsberatung in Schönebeck gilt als eine Art Filter. „Im vergangenen Jahr haben wir 126 Anträge gestellt“, sagt Ivonne Gräffner mit Blick in die Statistik. „Dieses Antragsverfahren ist für uns eine Art Türöffner“, schätzt sie ein. Denn so kommen Klienten zu den Beraterinnen, die sonst wohl nicht den Weg in die Beratungsstelle an der Welsleber Straße gefunden hätten.

Denn zu dem Aufgabengebiet der Beratungsstelle gehören nicht nur jene Klienten, die mit ihrer Schwangerschaft an sich hadern. So haben 2014 529 schwangere und nichtschwangere Frauen das Angebot der sozialen Beratung in Anspruch genommen. Dabei geht es um die Klärung von Hilfsmöglichkeiten, finanziellen Fragen, Fragen zu Mutterschutz, Elterngeld und Elternzeit sowie zur Familienplanung.

Die Gesamtzahl der Beratungsgespräche betrug 2014 1608. „Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich die Dauer der Beratungen bis 120 Minuten auch im Jahr 2014 wieder erhöht hat“, sagt Holger Kuhne von dem Dreier-Beratungsteam. Ursachen hierfür liegen seiner Meinung nach in den erhöhten und vielschichtigeren Problemlagen der Familien und den damit verbundenen ausführlichen Beratungen.

Auffallend ist, dass im Vergleich zum Jahr 2013 mehr schwangere junge Mädchen im Alter von 15 bis 20 Jahren die Beratung in Anspruch genommen haben. 2013 waren es 38, 2014 waren es 50 junge Mädchen.

„Die Begleitung der jungen Mädchen und deren Familien erstreckt sich oftmals über mehrere Monate bis nach der Geburt der Babys“, berichtet Katja Lammel aus dem Alltag. Dabei vermitteln die Beraterinnen Kontakte zum Jugendamt oder Familienhebammen und haben ein offenes Ohr für die Probleme im Alltag der Schwangeren.

„In vielen Fällen besuchen die jungen Muttis auch unsere Krabbelgruppe“, führt Ivonne Gräffner bei diesem Thema weiter aus. Hierbei findet ein angeleiteter Austausch unter den Eltern zu verschiedenen Themen statt. Ein neuer Elternkurs beginnt am 6. Oktober bei der Pin GmbH.

Für die Beraterinnen geht das Aufgabengebiet noch weiter. Denn auch die Prävention spielt eine große Rolle. Dazu können sie von Schulen sozusagen gebucht werden. Dabei geht es dann um Gefühle und Freundschaft (ab 1. Klasse), um Babys (ab 3. Klasse), um die Pubertät (ab 4. Klasse) und um Verhütung (höhere Klassen). Vor allem die Präventionsarbeit sei jene Seite ihrer Arbeit, die immer wieder große Freude bereite, sagen die zwei Beraterinnen.