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Flüchtlinge Suche nach Wohnraum hat Priorität

195 Flüchtlinge soll der Salzlandkreis in dieser Woche unterbringen. Bei der Akquise von Wohnraum gerät die Verwaltung aber an ihre Grenzen.

Von Kathleen Radunsky-Neumann 23.11.2015, 18:23

Schönebeck/Staßfurt l Nach wie vor befindet sich der Salzlandkreis in einer misslichen Lage beim Thema Flüchtlinge. Derzeit sind 2041 Asylbewerber im Salzlandkreis untergebracht (Stand: 13. November). In dieser Woche muss der Landkreis laut Plan weitere 195 Flüchtlinge unterbringen. Das bringt die Verantwortlichen an die Grenzen des Machbaren.

„Meine Mitarbeiter leisten Unglaubliches“, sagt Landrat Markus Bauer (SPD) im Volksstimme-Gespräch. Bereits Ende 2013 wurde innerhalb der Kreisverwaltung eine Arbeitsgruppe gebildet. Das reicht längst nicht mehr aus. Der Aufwand mit Wohnraum-Akquise, Einrichtung der Wohnungen, Hausmeistertätigkeiten und Ausländerrecht übersteigt das Mögliche.

Deshalb soll der Fachdienst Ausländer- und Asylrecht umstrukturiert und personell aufgestockt werden. Ein entsprechendes Organigramm soll der Kreistag am 10. Dezember beschließen. Zuvor werden am heutigen Dienstag die Mitglieder des Gesundheits- und Sozialausschusses darüber beraten.

Demnach sind mehr als 50 Mitarbeiter vorgesehen. 12 Stellen sind noch offen. Gespräche laufen, informiert der Landrat.

Die Pflichtaufgabe des Landkreises besteht in der Unterbringung der Flüchtlinge. Das spiegelt sich in dem Organigramm wider, denn 29 Stellen, also mehr als die Hälfte des Fachdienstes, sind für die Aufgabe „Unterbringung“ vorgesehen. Vor allem die Akquise von passendem Wohnraum spielt eine Rolle.

Zu den Zahlen: Für die derzeit 2041 Asylbewerber hält der Landkreis fünf Gemeinschaftsunterkünfte in Bernburg (2), Aschersleben (2) und Schönebeck vor. Hier sind derzeit 713 Flüchtlinge untergebracht. In den 329 Wohnungen leben 1328 Asylbewerber. Der Großteil ist bei den Wohnungsgesellschaften angemietet. 41 der 329 Wohneinheiten gehören privaten Vermietern. Beiden Parteien zeigt er sich dankbar gegenüber.

Nach wie vor hält Landrat Markus Bauer an der Devise fest, dass Flüchtlinge im Salzlandkreis nicht in Turnhallen oder gar Zeltlagern untergebracht werden sollen. Wie lange das bei den steigenden Flüchtlingszahlen noch durchzuhalten ist, das steht in den Sternen. „Turnhallen wären sicher der schnellere Weg“, sagt Markus Bauer, trotzdem präferiert er den menschenwürdigeren Weg und zieht Gemeinschaftsunterkünfte sowie Wohnungen vor. Nichtsdestotrotz ist die Situation prekär. Genügend geeigneten Wohnraum zu finden und rechtzeitig einzurichten, ist ein Zeitplan, der mit der heißen Nadel gestrickt ist. Dem Umstand ist sich der Kreischef bewusst. Deshalb sagt er auch: „Zum jetzigen Zeitpunkt sehen wir von Turnhallen ab.“

Und was ist mit leerstehenden Schulgebäuden, dem ehemaligen Staatshochbauamt an Schönebecks Stadtrand oder verwaisten Supermarktgebäuden? Dazu will sich der Landrat nicht im Einzelnen äußern. Nur so viel: „Wir sind an vielen Objekten dran.“

Es sei in jedem Fall effektiver, wenn bereits bestehende Gebäude genutzt würden, so der SPD-Mann, als wenn der Kreis komplett neu baue. Erst im November hatte der Kreistag im nichtöffentlichen Teil über die Anmietung eines Hotels in Bernburg diskutiert. Geklärt ist dieser Verwaltungsvorschlag nicht schlussendlich. Nachverhandlungen - in finanzieller Hinsicht - müssen noch geführt werden.

Grundsätzlich, so der Kreischef, habe sich ein gewisser Rhythmus entwickelt bei der Akquise. Doch genau dieser Rhythmus sei noch nicht ausreichend. Bisher habe der Salzlandkreis es immer geschafft, die monatlich steigenden Flüchtlingszahlen, die ihm zugewiesen werden, zu bewältigen - also ausreichend Wohnraum zu gewinnen. „Dafür ist bisher immer ein riesiger logistischer Aufwand nötig“, sagt er, dass diese Leistung nicht zu unterschätzen sei.

Für Markus Bauer geht das Thema Asylbewerber über die Pflichtaufgabe der Unterbringung hinaus. Deshalb hatte der Kreistag im März dieses Jahres auf Verwaltungsinitiative das Betreuungskonzept beschlossen. Darin sind diverse Projekte festgeschrieben, die der Integration und Betreuung der Flüchtlinge dienen. Im heutigen Gesundheits- und Sozialausschuss des Kreises ist dieses Konzept erneut Thema, unter anderem um über den Stand der einzelnen Projekte zu informieren.

Ein wesentlicher Bestandteil des Konzeptes ist die Einführung der sogenannten Soziallotsen. „Durch die Soziallotsen sollten, in Anlehnung an Patenschaften, die Flüchtlinge im Alltagsleben begleitet werden“, heißt es in der Aufwandsentschädigungssatzung des Salzlandkreises für die ehrenamtlich tätigen Soziallotsen. Darin wird ebenso festgelegt: „Insbesondere handelt es sich dabei um die Kenntnisvermittlung der örtlichen Gegebenheiten, bezogen auf Behörden, Einkaufsmöglichkeiten, Schul- und Kindertagesstätten, Busverbindungen etc.“,

Angefangen hat der Landkreis im März mit 16 Soziallotsen. Inzwischen wurde diese Anzahl erhöht auf 37. Sie sind tätig in Aschersleben (4), Bernburg (6), Schönebeck (5), Staßfurt (5), Seeland (2), Calbe (3), Saale-Wipper (4), Barby (2), Egelner Mulde (1), Hecklingen (2), Nienburg (2) und Bördeland (1). „Auch perspektivisch ist davon auszugehen, dass korrespondierend mit der Erweiterung der Wohnungsunterbringung auch die Anzahl der Soziallotsen steigen muss“, steht in der heute im Gesundheitsausschuss zu besprechenden Beschlussvorlage.

Markus Bauer ist von dem kreiseigenen Betreuungskonzept nach wie vor überzeugt. „Es geht nicht nur um Flüchtlinge, sondern um unsere Gesellschaft insgesamt“, sagt er dazu, dass die Unterbringung für die Kreisverwaltung Pflicht ist, während alles, was darüber hinaus geht, sozusagen als freiwillige Aufgabe gilt. Und er lobt die Soziallotsen: „Man muss den Hut davor ziehen, was sie alle leisten.“

Die Mitglieder des Gesundheits- und Sozialausschusses befassen sich heute um 17 Uhr im Verwaltungsgebäude in Bernburg mit dem Betreuungskonzept und den ersten Ergebnissen der Projekte.