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Landrat „Näher aneinander rutschen“

Neujahrs-Gespräch zwischen Landrat Markus Bauer und Volksstimme-Redakteur Ulrich Meinhard.

12.01.2016, 17:24

Volksstimme: Wie beurteilen Sie allgemein die Finanzausstattung der Kommunen? Was müsste sich ändern?

Markus Bauer: Es gibt einige wenige Kommunen, die haben exorbitante Steuereinnahmen durch Gewerbegebiete und entsprechende Gewerbesteuereinnahmen. Diese Situation ist aber nicht nur durch eigenes Zutun entstanden, sondern, etwa an einer Autobahn, aus einer bestimmten Situation heraus und dann natürlich auch durch Fördermittel des Landes. Warum also sollen die Steuereinnahmen dann nur diesen Kommunen zufließen? Warum sollen andere Kommunen, die ja auch in die Landeskasse einzahlen, nicht ebenso partizipieren können? Es ist so, wie es ist zweifellos gesetzeskonform, keine Frage, aber ich halte es nicht für gerecht. Es ist für mich auch eine moralische Frage.

Der Salzlandkreis schiebt einen enormen Schuldenberg vor sich her, der die Handlungsfähigkeit deutlich einschränkt.

Die Frage ist ja, warum ist es überhaupt soweit gekommen? 92 Millionen sind ja kein Pappenstiel.

Andererseits hat allein die Stadt Aschersleben etwa 70 Millionen Euro Schulden...

Das können Sie ja als Argument bringen.

Aber es gibt durchaus Stimmen, die sagen: Eine Gebietskörperschaft, beziehungsweise der Staat können doch gar nicht pleite gehen. Also macht getrost Schulden.

Wenn ich das so sagen würde, muss ich mich nicht wundern, wenn ich keinen genehmigten Haushalt bekomme. Und ohne genehmigten Haushalt kann ich strukturell nichts mehr investieren. Also ist die Frage auch die nach der Verlässlichkeit. Und das ist auch meine Aufgabe gegenüber dem Landesverwaltungsamt. Das habe ich dem Chef des Amtes, Herrn Pleye, in einem Anfangsgespräch zugesichert, dass ich dazu stehe, die Kommunalfinanzen, nach den Möglichkeiten, die ich habe, in den Griff zu bekommen.

Wie zum Beispiel?

Unter anderem haben wir Ausschreibungen gemacht für Strom und Gas, wir haben dadurch die Kosten reduziert. Wir arbeiten an einer kompakteren Verwaltung. Das hat der Kreistag ja auch beschlossen, nämlich möglichst Synergieeffekte zu realisieren, Arbeitsabläufe im Hause besser zu strukturieren. Und damit Personalkosten zu reduzieren. Das sind Punkte, die kann ich selber aktiv betreiben. Das will ich auch darlegen und das haben wir auch gemacht im Haushalt.

Der Stadtrat der hochverschuldeten Stadt Hecklingen tut sich sehr schwer mit der vom Landesverwaltungsamt geforderten Anhebung der Steuern, weil die Räte die Bürger nicht noch mehr belasten wollen.

Einen Fehlbetrag muss ich verantworten. Darauf reagieren kann ich nur, wenn ich auch etwas aktiv mache. Was Hecklingen betrifft, kann ich sagen: Ich verstehe die Gemeinde. Aber man muss auch so ehrlich sein, als Gemeinderat oder Stadtrat dort zu akzeptieren, dass alle Kommunen rings um die Steuern anpassen. Nur Hecklingen will das nicht. Aber die Stadt will vom Land Geld. Wenn ich vom Land Geld bekomme, ist das Geld, das woanders in den Kommunen wieder nicht ausgegeben werden kann. Ich kann also nicht nur sagen: Ich will nicht, ich will nicht, wenn ich etwas möchte. Jeder muss einen Schritt gehen und die Steuern anpassen. Rein privat stellen wir uns ja auch darauf ein, dass Strom und Gas teurer werden.

Zurück zur Frage, wie es zur Verschuldung des Salzlandkreises kommen konnte. Wo sehen Sie eine Ursache?

Da müssen wir nur die Steigerung der Personalkosten in den vergangenen Jahren und die Absenkung der Landeszuweisungen gegenüber stellen, dann zeigt sich bereits ein Delta.

Hat denn der Protest des Kreistages gegen die ungenügende Finanzausstattung durch das Land, verbunden mit der Ablehnung des Haushaltes 2015, irgendetwas gebracht?

In der Hinsicht, dass über die Finanzausstattung der Kommunen geredet werden muss, auf alle Fälle. Etwa auch auf der Städte-und-Gemeindebund-Ebene. Das ist schon mal ein Erfolg. Und meine Hoffnung ist, dass - gerade vor der Landtagswahl - in den Sitzungsräumen auf Landesebene etwas passiert. Das ist meine Hoffnung, dass wir mit der neuen Landesregierung für die nächsten fünf Jahre Arbeitsfähigkeit auf allen Ebenen herstellen. Nachhaltig.

Wie geht es finanztechnisch und strukturell weiter mit dem Salzlandkreis?

Wir müssen uns, so wie es ja auch in einer Verbands- oder Einheitsgemeinde der Fall sein sollte, aufteilen: Schulstandorte hier, kulturelle Angebote dort, hier der Verwaltungsstandort, dort das Industriegebiet. Es kann nicht überall die gleichen Strukturen geben. Jeder partizipiert von einander, jeder hat andere Entwicklungsmöglichkeiten, Freizeit, Tourismus. So ist es auch im Landkreis. Das rechne ich dem Kreistag auch hoch an, dass wir uns verstärkt als Region sehen.

Steht denn der Landkreis zu den freiwilligen Aufgaben, wie Kammerphilharmonie und Kreismuseum?

Ein Jurist würde sagen: Grundsätzlich ja. Das gilt auch für mich. Ich stehe zur Kultur, Schrägstrich Bildung. Ich möchte auch die Jugendarbeit hinzuziehen. Die lässt sich nicht nur in den Jugendclubs definieren, sondern auch in der musikalischen Früherziehung, in Sportvereinen. Wir dürfen nicht zulassen, dass sich die Jugend alleingelassen fühlt. Wir brauchen frühzeitige Teilhabe an Bildung und Kultur. Das ist auch eine Aufgabe für das näher Aneinanderrutschen.