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Ärgernis Ab 5.30 Uhr klopft „Herr Specht“

Ein Volksstimme-Leser wird morgens des Öfteren von einem Specht geweckt, der Löcher in die Hauswand klopft. Die Volksstimme erklärt warum.

Von Emily Engels 21.08.2018, 01:01

Schönebeck l Bei Erwin Garrandt kam in letzter Zeit keine Langeweile auf. Denn schon ab 5.30 Uhr begann ein Buntspecht bei ihm in der Johannes-R-Becher-Straße damit, an die Hauswand zu trommeln. Erwin Garrandt ist der Sache nachgegangen und beschreibt: „Der Specht hackt kreisrunde Nisthöhlen in die Wände.“ In den Höhlen brüte dann nicht etwa Spechte selbst, sondern Stare.

Ein Phänomen, das Michael Wunschik, Leiter der Ortsgruppe des Naturschutzbundes (Nabu) Schönebeck, nicht unbekannt ist. „In den letzten Jahren mehren sich Meldungen über Probleme mit Spechten an Gebäuden, zumeist handelt es sich um den Buntspecht“, so Michael Wunschik. Doch warum ist das so? Auch darauf weiß Michael Wunschik eine Antwort: „Bei den Spechten spielt vor allem das Trommeln bei der Partnersuche und zur Revierabgrenzung eine wichtige Rolle. Dafür suchen sie sich trockene, alte, abgestorbene Äste oder Baumstämme als weit tragende Resonanzkörper.“ Wenn hohe Bäume in der Nachbarschaft stehen, wechseln die Spechte gelegentlich auf Fassaden, so Wunschik weiter. Doch für die Trommelwirbel wählt er auch nicht selten Leitungs- und Funkmasten, Metallsirenen, metallene Regenrinnen und Verkleidungen, Styroporisolierung und Dämmputze.

Doch auch bei der Nahrungssuche nutze er seinen kräftigen Schnabel. Durch regelmäßiges Probeklopfen prüfe der Specht, ob Nahrungstiere verborgen sind. Und so entdecken sie auch die Wärmedämmung mit Hohlräumen. Solche Stellen klingen beim Probeklopfen besonders attraktiv und werden dann wie ein guter „Trommelbaum“ immer wieder aufgesucht. Und zusätzlich verrät ihnen der Klang ein unter der harten Außenhaut (zumeist Isolierputz mit rauer Oberfläche) anscheinend leicht für den Höhlenbau zu bearbeitendes Material. Der Bau wird jedoch oft im Anfangsstadium abgebrochen und die Höhlen dienen ihnen dann höchstens zum Übernachten. Über Spechtbruten in Gebäudefassaden sei jedenfalls bisher nichts bekannt.

Hingegen nutzen dann tatsächlich – wie von Erwin Garrandt beobachtet – andere Höhlenbrüter wie Star und Haussperling gern das neue Nistplatzangebot. Sie bauen in ihnen ihr Nest und sorgen für Nachwuchs.

Leser Erwin Garrandt macht sich in diesem Zusammenhang Sorgen, dass es einfach nicht mehr genügend Bäume in Schönebeck gibt, auf die der Specht – und auch andere Höhlenbrüter – ausweichen können. Er vermutet, dass die Spechte deshalb an seiner Hauswand hämmern.

Die Volksstimme fragt daraufhin bei der Stadt nach: Werden tatsächlich immer mehr Bäume gefällt ohne dass welche nachkommen? Matthias Zander vom Presseamt der Stadt weist darauf hin, dass vor Baumfällungen von geschützten Arten eine Genehmigung beantragt werden muss. Das legt die Baumschutzssatzung der Stadt fest.

Vor der Erteilung eines Bescheides erfolgt eine Ortsbesichtigung. Zander weist darauf hin: „Jeder Bescheid ist eine Einzelfallentscheidung auf der Grundlage der Baumschutzsatzung.“

In einer Liste, die unter www.schoenebeck.de – Bauen und Wohnen – Aktuelle Informationen, frei zugänglich ist, werden Baumfällungen und Ersatzpflanzungen, aber auch der Grund für eine Fällung aufgelistet. Festgelegt wird hier auch, welche Sorte und wie viele Bäume als Ersatz nachgepflanzt werden müssen.

Eine Mitarbeiterin des Sachgebietes Grünflächen weist jedoch darauf hin, dass diese nicht immer tagesaktuell ist. Außerdem können zwischen Bescheid und Fällung, aber auch zwischen Fällung und Neupflanzung Monate verstreichen. Wird ein Baum beispielsweise im Februar gefällt, kann es sein, dass eine Nachpflanzung erst im Herbst erfolgt, da dies eine sinnvollere Jahreszeit für Baumpflanzungen ist.

Hinzu kommt noch ein weiterer Aspekt: Gerade Wohnungsbau-Unternehmen pflanzen nicht selten an einem anderen Standort nach. So könne bei einigen Bewohnern der Eindruck entstehen, dass Bäume gefällt werden, ohne dass welche nachgepflanzt werden.

Doch was passiert, wenn die Grundstücksbesitzer ihrer Pflicht einer Neupflanzung nicht nachgehen? Zander antwortet darauf: „Ist eine Ersatzpflanzung ganz oder teilweise nicht möglich, ist eine Ausgleichszahlung in Höhe von 150 Euro zu leisten.“ Bei der Nichteinhaltung der Auflagen ist entsprechend der Satzung ein Bußgeld vorgesehen.

Bürger, die wie Volksstimme-Leser Erwin Garrandt besorgt um den Baumbestand sind, können jederzeit im Grünflächenamt nach dem Stand für spezifische Bäume nachfragen, so eine Mitarbeiterin.

Apropos Erwin Garrandt. Bei diesem ist mittlerweile wieder etwas Ruhe eingekehrt. „Der Specht hat mit dem Hämmern aufgehört“, teilt er der Redaktion mit. Ihn freut es für die Stare, die jetzt die Höhlen als Brutstätte nutzen. Erwin Garrandt sagt: „Der Specht hat sein Wohnungsbauprogramm erfüllt.“