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AMIGA Finissage: Rockgrößen im kleinen Kreis

Die Ausstellung "70 Jahre AMIGA - Mythos und Kult des ersten deutschen Schallplatten-Labels" im Schloss Bernburg endete nun.

Von Thomas Linßner 12.02.2018, 05:00

Bernburg l Für die sogenannte Finissage, also den Abschluss der Ausstellung, hat Kurator Torsten Sielmon alle Register gezogen. Dem popmusikaffinen Museumsmitarbeiter ist es gelungen, drei ostdeutsche Rockgrößen einzuladen: Angelika „Lütte“ Mann, Uwe „Hasbe“ Hassbecker (Silly) und Dieter „Maschine“ Birr von den Puhdys. Und, weil es schließlich um die Schallplattengesellschaft Amiga geht, ist auch deren Geschäftsführer Jörg Stempel nach Bernburg gekommen. Er schlüpft in die Rolle des Interviewers. Doch zuvor stellt Stempel erstmal klar, dass es das Plattenlabel Amiga heute immer noch gibt. Alles andere, was da im Internet zuweilen herum geistert, sei Quatsch.
Zuerst ist Silly-Gitarrist Uwe Hassbecker (57) an der Reihe. Er wuchs in Halle auf, seine Mutter war Opernsängerin, der Vater Leiter der Dresdner Philharmonie. „Diese Grundlagen waren nicht schlecht“, lächelt er. Als Siebenjähriger habe er bereits Geige gespielt, später zur Gitarre gewechselt. Die „Hassliebe Geige“, wie er es nennt, kommt Hasbe derzeit zugute. Bei den „Rocklegenden“, die Ende Januar für eine volle Getec-Arena sorgten, lieferte er sich mit Georgi Gogow (City) beim Kultsong „Am Fenster“ ein Violinengefecht. Uwe Hassbecker ist tief mit Silly verwurzelt, spielt aber heute auch in der Band von Dieter Birr, der nach Auflösung der Puhdys auf rockigen Solopfaden wandelt.
Weil er vier Kinder hat, will Jörg Stempel von Hasbe wissen, ob er „im Alter“ auch mal Kinderlieder schreiben will. „Nee, das ist nichts für mich.“ Außer der „Traumzauberbaum“ von Reinhard Lakomy - an dem auch die Lütte beteiligt war - könne er mit diesem Genre nichts abgewinnen. Angelika Mann, die bis dahin auf dem Stuhl sitzt und mit den Beinen baumelt, wird nun auf die Bühne gebeten. Die 68-Jährige ist von kleinem Wuchs aber von großer Stimme. Zusammen mit Hassbecker singt sie Sillys Erfolgstitel „Alles rot“. Dann fragt Jörg Stempel danach, wie sich Hasbe dereinst die „Rockerrente“ vorstellt. Der 57-Jährige lächelt milde: „Wenn ich auf meinen Rentenbescheid gucke, wird mich die Musik wohl bis ans Ende begleiten.“
Angelika Mann gewährt ähnliche Einblicke. Warum sie so selten mit einer Band auf Tour sei? „Dit ist eine finanzielle Sache“, berlinert sie. Eine Band „zu versorgen“ sei schwerer, als wenn man nur mit einem Pianisten auf Tour ist.
Mit Dieter „Maschine“ Birr (73) plaudert Jörg Stempel aus seiner eigenen Vergangenheit. 1976 sei er als Kulturfunktionär an der Druschba-Trasse unterwegs gewesen, um die DDR-Bauleute „zu bespaßen“. Dorthin hätte er auch die Puhdys geholt, die zu diesem Zeitpunkt schon Stars waren. Stempel will von Sportmuffel Maschine wissen, wie es zusammen passe, dass er eine so erfolgreiche Sporthymne wie die „Eisbären“ schrieb, die heute oft gecovert und in mehrere Sprachen übersetzt werde. „Wenn ein Schauspieler einen Mörder spielt ...“, kontert Birr. Der Rest geht im Lachen des Publikums unter.
Zur Rolle der Puhdys in der DDR nimmt er kein Blatt vor den Mund. „Klar, wir waren privilegiert und konnten jedes Jahr bei Amiga ‘ne Platte machen.“ Auf Renft angesprochen, die 1975 Auftrittsverbot erhielten und ein Teil der Band in den Westen ging, sagt Maschine: „Ich habe Renft verehrt. Ich wäre aber nie das Risiko eingegangen, soweit zu gehen, verboten zu werden.“
Zum Abschluss erzählt Jörg Stempel noch eine Story, die Maschine etwas peinlich ist. Zum 3.000. Konzert spielten die Puhdys auf der Berliner Waldbühne, zeitgleich rockten auch die Rolling Stones in Deutschland. Weil Dieter Birr ein „absoluter Stonesfan“ ist, organisierte Stempel ein Mick-Jagger-Double, das während des Konzertes unter dem Jubel der 22.000 Fans die Bühne betrat. „In den ersten paar Sekunden habe ick den für echt gehalten. Als er aber zu singen anfing, nicht mehr“, grinst Birr. Doch der Humor hatte seine Grenzen: Für die Live-DVD wurde diese „Verasche“ rausgeschnitten.
Am Ende des Abends singt Angelika Mann „Mercedes Benz“, den A-cappella-Song von Janis Joplin, stimmgewaltig wie vor 40 Jahren.
Die Besucher sind begeistert. Einer sagt: „Das hat mich mehr angerührt, als das große Konzert der Rocklegenden in der Getec-Arena!“