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Fische Angeln in Barby für die Wissenschaft

Mitarbeiter der Umweltprobenbank Trier machten in Barby Station, um Brassen zu fangen, die für Forschungszwecke seziert werden.

Von Thomas Linßner 15.08.2018, 03:30

Barby l Es ist ein friedliches Bild, das an Urlaub oder Ruhestand erinnert: Joachim Grotten sitzt auf der Fährbuhne und angelt. Er kann das an dieser Stelle unbeschwert tun, weil die Gierfähre außer Betrieb ist. Neben ihm fasst Bernhard Fontaine in eine Reuse, die halb in der Elbe liegt. Der Wissenschaftler holt einen kapitalen Brassen heraus. Der Fisch ist rund 50 Zentimeter lang, etwa drei Kilogramm schwer. „Genau unsere Zielgruppe“, lächelt Fontaine.

Die beiden Männer gehören zum siebenköpfigen Team der Umweltprobenbank, die drei Tage lang an der Elbe bei Barby unterwegs war. Ihre „Zielgruppen-Fischart“ sind Brassen. Der Fisch lebt überwiegend in Schwärmen in langsam fließenden oder stehenden Gewässern. Er ernährt sich vorzugsweise an der Gewässersohle von Würmern, Larven, Schnecken, kleinen Muscheln, aber auch Plankton und Pflanzen. „Da der Brassen relativ weit verbreitet ist, stabile Populationen bildet und nur begrenzt Wanderungen durchführt, ist er als Probenart gut geeignet“, sagt Diana Teubner vom Umweltprobenamt.

Regional wird diese Karpfenart als Speisefisch genutzt, wodurch ein direkter Bezug zur menschlichen Nahrungskette bestehe. Untersucht würden später im Labor Muskulatur und Leber von acht- bis zwölfjährigen Tieren. An den Kieferdeckeln lässt sich das Alter der Fische erkennen.

Um an ihre „Probanden“ zu kommen, haben die Wissenschaftler Schleppnetze aufgestellt oder halten Angelruten ins Wasser. „Wir brauchen am Barbyer Standort 20 Stück. Es hilft nichts: So lange müssen wir bleiben“, lächelt Diana Teubner. Überstunden werden sie nicht machen müssen, das Anglerglück ist ihnen in der 26 Grad warmen Elbe hold.

Die Proben werden zwischen der Grenze zu Tschechien und Hamburg an fünf Stellen des Elbelaufes gewonnen. Das geschieht seit 34 Jahren, im Osten seit 1991. So lange machen die Forscher am Bootshaus der Barbyer Kanuten Station.

Die gewonnenen Informationen werden in einem Archiv gespeichert. Gelangen schädliche Substanzen in die Natur, werden diese von Organismen aufgenommen. So lässt sich die Belastung der Umwelt mit einer bestimmten Substanz noch Jahrzehnte später ablesen. „Das ist die Grundidee der Umweltprobenbank: Sie ist ein Archiv für den Umweltzustand“, sagt die junge Frau.

Dadurch werden Probleme nach den „Jahrhundertfluten“ wie 2002 und 2013 deutlich. Neben den offensichtlichen Schäden führen in solchen Fällen der Eintrag von belastetem Boden aus den überschwemmten Ufergebieten und die Aufwirbelung von Flusssedimenten zur Mobilisierung von Schadstoffen, die in das Flussökosystem eingetragen werden. Dank der vorhandenen Vergleichsdaten der Umweltprobenbank können so Veränderungen von Schadstoffwerten nachgewiesen werden. Es wurde beispielsweise in Auswertung der Zeitreihen für die Kontamination von Brassen deutlich, dass Erfolge bei der Sanierung von Flüssen zum Beispiel durch die Flut 2002 zunichte gemacht wurden. Die teilweise erst mit einer Verzögerung von ein bis zwei Jahren auftretenden Hochwasserfolgen werden durch Vergleiche vorheriger Jahrgänge sichtbar gemacht.

„So war in Fischen aus der Elbe im Jahr 2003 ein deutlicher Anstieg der Dioxinwerte zu verzeichnen“, sagte ein Forscher bei einer Untersuchung vor neun Jahren. Nach Feststellung der Wissenschaftler wurden damals an der Dessauer Mulde die zulässigen Grenzwerte um das 18-fache überschritten. Bei fettreichen Speisefischen wie Aal ging man von noch höheren Werten aus. Der Anglerverband warnte danach vor dem Verzehr. Nach Angaben von Dr. Jost Melchior, 2009 Präsident des Landesamtes für Verbraucherschutz Dessau, waren die Schadstoffbelastungen wieder auf das Niveau vor der Jahrhundertflut gesunken.

Aus Untersuchungen des Amtes ging hervor, dass der DDT-Gehalt 2003 sprunghaft auf 0,413 Mikrogramm (µg) pro Fisch anstieg, bei der Folgeuntersuchung 2007 mit 0,109 µg fast wieder auf dem Niveau von 2001 war. Das Insektizid DDT wird heute nicht mehr verwendet.

Brassen sind bei Anglern nicht sonderlich beliebt, weil sie viele Gräten haben. In Norddeutschland gelten sie jedoch als beliebter Speisefisch. Allerdings können sie auch zu Fischfrikadellen verarbeitet werden, wenn sie nicht gerade der Wissenschaft dienen.