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Arbeitslosigkeit Motivierter Blick in die Zukunft

Mauricio Adam ist arbeitslos. Eine Bernburger Jobcenter-Mitarbeiterin hat aus seiner Geschichte einen Text verfasst, der Mut machen soll.

Von Rebekka Hartmann 23.08.2017, 01:00

Bernburg l „Ich sehe mich als Motivation für andere, denn egal wie schlecht es gerade läuft, es geht auch irgendwann wieder bergauf“, sagt Mauricio Adam und lächelt zuversichtlich. Nach seinem Realschulabschluss absolvierte der in der Nähe von Staßfurt aufgewachsene Mauricio Adam bei einem Berufsbildungswerk in Chemnitz die Ausbildung zum Kaufmann für Bürokommunikation. Der seinerzeit 16-Jährige war stolz, so früh aus dem Elternhaus auszuziehen und einen eigenen Haushalt zu führen. Noch heute sagt er selbstbewusst: „Ich bin froh, diesen Schritt gewagt zu haben“.

„Direkt nach der Ausbildung war ich zu blauäugig. Ich wollte meine Zeit genießen und machte mir wenig Gedanken um die berufliche Zukunft“, berichtet er. Nach den ersten Monaten ohne Job, die der junge Mann seinerzeit wie Urlaub empfand, wollte er wieder „beruflich vorankommen, aber mehrere Monate Arbeitslosigkeit nach der Ausbildung sind kein guter Ausgangspunkt“, sagt er heute.

Um der Familie näher zu sein, zog Mauricio Adam in eine kleine eigene Wohnung zurück in den Salzlandkreis. Daraufhin begannen seine Probleme. „Vorher war nie Zeit, die Vergangenheit aufzuarbeiten“, berichtet der heute 23-Jährige. Nach knapp einem Jahr der Arbeitslosigkeit kam er ins Grübeln. Es gab keine Ablenkung.

Er hatte den ganzen Tag Zeit. „Wenn man dann 24 Stunden zu Hause ist, macht man sich über andere Sachen Gedanken, als wenn man den ganzen Tag auf Arbeit verbringt und abgelenkt ist. Die eigene persönliche Reife spielt da eine große Rolle, wie man mit diesen Gedanken dann auch umgehen kann. Es war echt heftig“, erinnert er sich zurück. Zu dieser Zeit fühlte er sich antriebs- und motivationslos. Wie er selbst sagt, erfüllte er ein „typisches Klischee“: „Es gab Tage, da habe ich mich gefragt, für was stehst du auf oder wozu gehst du raus“.

Mauricio Adam hatte die ursprüngliche Erwartung und Hoffnung, dass er vom Jobcenter zeitnah in Arbeit vermittelt werden kann. Er erinnert sich zurück an seine ersten Beratungsgespräche: „Und wenn man dann zum Fallmanager des Jobcenters geht und der sagt, ich habe nichts und kann dir so schnell auch nicht helfen, dann gehst du raus und merkst: Du bist auf dich allein gestellt.“

Zu seinen Erfahrungen mit dem Jobcenter berichtet der junge Mann: „Es kommt auf den Menschen an, dem man gegenübersitzt. Krass gesagt, sind wir (Leistungsempfänger) nur Akten, und das ist es, was jeder im Hinterkopf hat: Die im Jobcenter packen nur die Akten hin und her und sitzen den ganzen Tag auf ihrem Stuhl rum.

Aber es kommt halt darauf an, wie man sich selber einbringt. Klar ist doch, wenn man eine Null-Bock-Einstellung hat, wird man auch keinen Fallmanager haben, der einen ständig anlächelt und wohlwollend gesonnen ist. Aber wenn man ein bisschen mitmacht und seine Rechte und Pflichten kennt, dann nutzen die Fallmanager auch alle Möglichkeiten, um jemanden etwas Positives zu bieten.“

Mauricio Adam hat bereits mehrere Maßnahmen für Leistungsbezieher nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II absolviert: „Da ich unter 25 Jahre bin, hieß das für mich, eine Maßnahme nach der anderen. Man lernt dabei verschiedenste Leute und Charaktere kennen: das typische Klischee eines Arbeitslosengeld-II-Beziehers: Jogginghose und dieses ‚Komm ich heut nicht, komm ich morgen‘. Aber auch Leute, die sagen: „Ich habe ein Schicksal und ich möchte da wieder raus.“

Für ihn persönlich war es sehr spannend, jede einzelne Geschichte hinter dem jeweiligen Gesicht zu erfahren. Im Laufe der Zeit entwickelte sich der junge Mann weiter, übernahm bei den sogenannten U25 Maßnahmen (Projekte für Jugendliche unter 25 Jahren) kleine Sonderaufgaben wie zum Beispiel die Moderation von Gruppengesprächen. „Es ist wichtig, dass man aus jeder Maßnahme etwas mitnimmt, ob nun positiv oder negativ. Man reift an jeder Erfahrung“, resümiert er heute.

Auf die Frage, ob er irgendwann auch keine Lust mehr auf eine weitere Maßnahme hatte, entgegnet er entschieden: „Da gibt es komischerweise nur eine berechtigte Antwort: Suche dir einen Job! Und egal, wie oft man diesen Satz auch hört, ob in dieser oder abgewandelter Form, es ist der einzige Ausweg und irgendwann hört man als Betroffener dann auch mal auf zu meckern.“

Mittlerweile kennt Mauricio Adam die Arbeitsweise des Jobcenters über mehrere Jahre und denkt anders als anfangs darüber: „Für mehr als einhundert Kunden pro Fallmanager müssen passende Stellenangebote und Maßnahmen gefunden werden. Vorab gilt es Projektinhalte, Abläufe und Konzepte zu erstellen.“ Da treffen nach Ansicht des jungen Mannes zwei völlig verschiedene Welten aufeinander: „Die Leute selbst denken, ich muss da acht Stunden hin. Die Fallmanager und Bildungsträger stecken viel Arbeit und Energie in die Umsetzung. Gerade darum sollte man eine Maßnahme auch als Wertschätzung sehen und froh sein, dass man die Möglichkeit bekommt, daran teilzunehmen.“

Der junge Mann sagt: „Nichts läuft perfekt, man kann sich zwar den Weg selber pflastern, aber man ist eben nicht bei ‚Wünsch dir was‘. Erfolg ist kein Glück. Man muss sich alles selbst erarbeiten. Die Frage ist, wann versteht man das.“ Mauricio Adam hat es vor knapp einem Jahr verstanden, als er Menschen um sich hatte, die ihn dazu angehalten haben, sein eigenes Leben zu reflektieren und selbst in die Hand zu nehmen. „Manche machen das eher, andere später“, sagt er. Für ihn persönlich war es ein längerer Prozess und kein konkretes Ereignis, welches ein Umdenken bewirkt hat.

Im vergangenen Jahr gewann der junge Mauricio Adam im Rahmen einer Jobcoaching-Maßnahme neue Kraft und Hoffnung. Durch Leistung und Engagement konnte er beim Bildungsträger eine einmonatige Anstellung als Dozent ergattern. „Das hat mir viel gebracht. Sonst saß ich vorm Computer oder der Flimmerkiste. Und dann arbeitest du plötzlich acht Stunden. Das Schönste war, zu Hause zu sitzen und den Unterricht vorzubereiten. Da fragt man sich, was macht man, wie kann man die Teilnehmer zum Mitmachen motivieren, was sind die richtigen Themen. Das ist ein anderer Blickwinkel“, berichtet er begeistert.

Das Angebot des Jobcenters Salzlandkreis zur Teilnahme am Programm „Fit für Europa - Erfolg durch Mobilität“ weckte dann Mitte vergangenen Jahres das Interesse des jungen Arbeitslosen. Er kannte das Programm schon vorher, zog eine Teilnahme bisher aber nicht in Betracht. Jetzt war der passende Zeitpunkt. Der junge Mauricio Adam brauchte eine neue Herausforderung und wollte sein Leben voranbringen. Familie und Freunde haben seine Pläne, Erfahrungen im Ausland zu sammeln, bestärkt.

Nach einer mehrmonatigen theoretischen Vorbereitungsphase mit Einzelcoaching, Sprachvermittlung und Gruppenaktivitäten machte sich Mauricio Adam, gemeinsam mit 15 anderen jungen Leuten, Anfang Mai auf den Weg nach England. „Etwas Mut gehört auch dazu. Es hätte auch scheitern können“, sagt er heute und fügt stolz hinzu: „Aber wer kann schon von sich behaupten, zwei Monate im Ausland gearbeitet zu haben?“

Im fremden Land saßen alle Teilnehmer „im selben Boot“. Es war alles neu: Sprache war ein großes Thema, das Zusammenleben mit den Gastfamilien und natürlich die tägliche Arbeit im Unternehmen. Der junge Mann wirkt nahezu befreit, als er berichtet, dass die Arbeitslosigkeit und damit verbundenen Vorurteile im Ausland eben auch mal keine Rolle spielte. Mauricio Adam hatte die Chance, sich bei zwei Arbeitgebern auszuprobieren. Zunächst war er im Rechnungswesen eines Steuerbüros tätig, dann wechselte er in eine Einrichtung für Menschen mit körperlicher und geistiger Behinderung beziehungsweise seelischen Problemen. Hier fühlte sich der junge Mann gut aufgehoben und endlich wieder gebraucht.

Nach seiner Rückkehr aus dem Ausland bestätigten Eltern und Freunden: „Du wirkst selbstbewusster.“ Er selbst stellt fest: „Es ist ein gutes Gefühl, wenn das Umfeld merkt, dass es was gebracht hat und man auch anders wahrgenommen wird. Ich hätte nie gedacht, dass ich so zurückkomme, wie ich es jetzt bin.“

Doch wie geht es nun weiter? Mauricio Adam berichtet „Ich hatte die ganze Zeit einen kleinen Plan im Kopf: Ich wollte schon immer eine Weiterbildung im Bereich Personalmanagement machen. Durch die Dozententätigkeit ist das ein Weg, den ich mir gut vorstellen kann.“ Auf die Nachfrage, wie er die Chancen einschätzt, seinen Plan umzusetzen, kommt der junge Mann ins Nachdenken: „Schwierige Frage, das liegt nicht unbedingt nur bei mir, auch die Arbeitgeber müssen meine Intention sehen und merken.“

Zum Thema Bewerbungen hat Mauricio Adam seine ganz eigene Meinung: „Man schickt eine Bewerbung. Aber was schickt man denn wirklich? Ein Blatt Papier mit ein paar Zeilen, auf dem man sich bestmöglich verkauft. Ich würde mir wünschen, dass sich die Betriebe die Zeit nehmen und die Leute einladen, um die Menschen dahinter kennenzulernen.“ Jeder Bewerber hat seiner Ansicht nach ein individuelles Schicksal und die daraus erwachsende Motivation für die Bewerbung. Etwas, was man noch so guten Bewerbungsunterlagen eben nicht auf den ersten Blick entnehmen kann.

Zu seinen Vorstellungen und Wünschen zu seinem künftigen Arbeitgeber sagt der 23-Jährige: „Wenn die Chemie zwischen den Menschen passt, dann macht das Arbeiten auch Spaß. Dabei ist es zweitrangig, als was man arbeitet. Die Kollegen müssen stimmen“.

Mauricio Adam beschreibt sich heute selbst als motivierten, kompetenten, jungen Mann. Bis vor ein paar Monaten hätte er sich als stark introvertiert bezeichnet. Er sagt: „Mein Jahr ist gut verlaufen. Ich bin selber verantwortlich, dass es so bleibt und dafür muss ich dann eben auch die nächste Hürde nehmen.“

Die zuständige Fallmanagerin Tina Jacob ist zuversichtlich: „Er hat seine Hausaufgaben erledigt und die persönlichen und gesundheitlichen Voraussetzungen für einen erfolgreichen beruflichen Einstieg geschaffen.“

Das gemeinsam erklärte Ziel der Jobcentermitarbeiterin und ihres Schützlings ist das zeitnahe Anknüpfen an die bisherigen Erfolge: Mauricio Adam wird in den kommenden Wochen eine Weiterbildung im Bereich Personalmanagement absolvieren, um seinen gewünschten Berufsweg endlich zu verwirklichen.