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Auslandssemester Studieren ohne Hausmannskost

Über das Leben in Rumänien und sein Studium in Cluj berichtet der 22-jährige Felix Mihalek aus Schönebeck.

23.10.2017, 20:30

Volksstimme: Warum ausgerechnet Cluj in Rumänien?

Felix Mihalek: Meine Universität in Magdeburg hat mit der hiesigen Babes-Bolyai-Uni eine lange und gut gepflegte Partnerschaft. Weil ich seit Beginn meines Studiums die rumänische Sprache lerne, schnell rumänische Gaststudenten kennengelernt habe und nach Ende des ersten Studienjahres mehrere Wochen hier zur Sprachschule ging, war mein Aufenthalt quasi vorprogrammiert. Nach nunmehr fast einem Monat kann ich sagen, dass ich die Entscheidung in keinster Weise bereue.

Wie unterscheidet sich der rumänische Unialltag zu einem deutschen?

Ganz große Unterschiede gibt es nicht. Die ersten Wochen waren in organisatorischer Hinsicht vielleicht etwas chaotischer, was an der Größe der Uni liegen mag. Ansonsten geht es den rumänischen wie den deutschen Studenten: Wir haben unsere Kurse, zu denen wir – mal mehr, mal weniger motiviert – gehen. Ansonsten ist das System mit Vorlesungen, Seminaren, Prüfungen und „Credit points“ – das sind die Punkte, die ich sammeln muss, um meinen Abschluss zu bekommen – das gleiche. Wobei, die Fakultät für Europastudien hier in Cluj ist schon um einiges schöner als die Fakultät für Humanwissenschaften in Magdeburg.

Was hat Sie in den vergangenen Tagen der Eingewöhnung am meisten überrascht?

Da ich Cluj schon wegen eines Aufenthalts im vergangenen Jahr kenne, konnte ich mich relativ „unüberrascht“ eingewöhnen. Neu war jedoch, dass ich jetzt einen mir bis dato komplett unbekannten, französischen Zimmermitbewohner habe. Das bedeutet zwar weniger Privatsphäre und Ruhe, ist aber ein mindestens genauso interessante wie herausfordernde Erfahrung. Es fühlt sich sogar ein wenig an wie ein Charaktertest. Aber wir kommen ziemlich gut miteinander aus.

Wie sind die technischen Bedingungen an der Uni?

Auch hier nehmen sich meine beiden Universitäten nicht viel. Wie in Magdeburg benutzen wir auch hier unsere Laptops, Beamer und „Whiteboards“, also weiße Tafeln, die mit abwaschbaren Filzstiften beschrieben werden. Manche Säle in manchen Fakultäten sind da noch ein wenig traditioneller, nur mit Tafel und Kreide ausgestattet. Das ist natürlich gar nicht mal so schlimm, immerhin ist die moderne Technik manchmal mehr Fluch als Segen, zum Beispiel wenn der Laptop mal wieder nicht den passenden Anschluss für den Beamer hat, oder der Beamer einfach erst gar nicht funktioniert.

Was vermissen Sie in Cluj?

Das klingt jetzt fürchterlich klischeehaft, aber am meisten fehlt mir das deutsche Essen. Die Schnitzel hier reichen leider nicht an das heimische Original an. Es gibt auch keine Stände, an denen ich mir einfach mal eine schöne Bratwurst im Brötchen mit Senf holen kann. Trotz der vielen internationalen Einflüsse in Cluj mangelt es da leider an deutscher Hausmannskost. Zwar gibt es hier ein Restaurant namens „Deutsches Haus“, aber das hat seinen Namen nicht wirklich verdient. Ansonsten ist Cluj als Stadt, wie bereits erwähnt, so international aufgestellt, dass es einem an gewohnten Bequemlichkeiten kaum mangelt.

Bleibt Zeit für Freizeit? Wenn ja, wie sieht die aus?

Dank eines frei zu gestaltenden Stundenplanes bleibt mir schon die eine oder andere Mußestunde übrig. Und die nutzen meine Kommilitonen und ich auch gut aus. Denn wenn die Rumänen, genauer gesagt die Bewohner Clujs, eines perfekt beherrschen, dann ist es Zerstreuung. Das Angebot an Pubs, Restaurants, Clubs, Parks, „Fressbuden“, Märkten und anderen Annehmlichkeiten ist überbordend. Ich könnte jeden Tag woanders hingehen und hätte am Schluss meines Aufenthaltes immer noch nicht alles gesehen. Am Sonnabend haben wir ein Auto gemietet und einen Ausflug in die „Cheile Turzii“, die Thorenburger Klamm, und in die historisch bedeutsame Stadt Alba Iulia gemacht. Als Studenten bekommen wir viele Vergünstigungen und können uns daher viele Ausflüge leisten. Und Ausflugsziele gibt es hier in Siebenbürgen en masse.

Wie hoch sind die monatlichen Lebenshaltungskosten?

Wesentlich erschwinglicher als in Deutschland, selbst als das doch sehr geldbeutelfreundliche Magdeburg. Zugegeben, da das Studentenwohnheim umgerechnet nur 40 Euro kostet, bleibt schon etwas mehr Geld für andere Ausgaben übrig. Auch die Taxifahrten sind schon fast unverschämt günstig hier in Cluj. In welcher deutschen Stadt kann man schon für weniger als fünf Euro vom Flughafen am Stadtrand ins Stadtzentrum fahren? So toll das alles klingt, möchte ich auch die Kehrseite erwähnen. Rumäniens Währung, der Leu, ist nicht sehr stark, der Wechselkurs von Leu zu Euro entsprechend günstig für Touristen und Studenten aus dem Euro-Ausland. Bei all dem Vergnügen, das man hier mit seinem Geld also haben kann, sollte man nicht vergessen, dass Rumänien eines der EU-Länder mit der höchsten Armutsgefährdungsquote ist.

Können Sie Rumänien anderen Studenten empfehlen?

Ein ganz klares Ja! Die Universität Babes-Bolyai strotzt nur so vor internationaler Versiertheit. In den ersten Wochen hier habe ich Studenten aus Frankreich, Tschechien, Spanien, Italien, selbstverständlich Rumänien, Griechenland und vielen weiteren Ländern kennengelernt. Meine Dozenten sind bis dato allesamt kompetent und bringen auch die Leidenschaft mit, die es meiner Meinung nach braucht, um ein guter Lehrer und Förderer zu sein. Als Student lässt es sich hier gut leben. Jedoch nicht nur als Student, sondern auch als Tourist. Viele haben ein verzerrtes Bild von Rumänien: Das Land ist der mediterrane Leuchtturm im Ostblock – vom Baustil, vom Lebensgefühl, von der Sprache her. Nicht umsonst gilt Rumänisch als „vergessene romanische Sprache“, nicht umsonst hat es mehr mit dem Französischen oder Italienischen gemein als mit irgendeiner slawischen Sprache. Wer also wirklich einmal (m)eine neue, kleine Welt kennenlernen will, der macht seinen Urlaub im schönen Cluj. Und wer will, kann es auch einfach Klausenburg nennen. Das ist nämlich der deutsche Name der Stadt.