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Naturschutz Barby: Fluss ein Millionengrab?

Die „Große Dorfsee“ ist ein Altarm der Saale, der Groß Rosenburg hinter dem Deich direkt berührt. Im Zuge der Hochwasserschadensbeseitigung wurde er saniert. Doch es gibt Kritik an der Ausführung.

Von Thomas Linßner 19.05.2022, 20:09
Die „Große Dorfsee" von Groß Rosenburg. Im Rahmen der Hochwasserschadensanierung sei laut Auftraggeber  Stadt Barby der Flussaltarm nach ökologischen Maßgaben saniert worden.
Die „Große Dorfsee" von Groß Rosenburg. Im Rahmen der Hochwasserschadensanierung sei laut Auftraggeber Stadt Barby der Flussaltarm nach ökologischen Maßgaben saniert worden. Foto: Thomas Linßner

Groß Rosenburg - Gerald Hoppe aus Groß Rosenburg macht am Lesertelefon seinen Unmut zu einem Hochwasserschadensobjekt öffentlich. Die „Große Dorfsee“ sei ein „Millionengrab“. Dort sollte Hochwassersanierung betrieben werden, aber es sehe katastrophal aus. Damit ist er nicht der Einzige, der Kritik übt.

Auch laut Ortsbürgermeister Michael Pietschker bleibe die Sanierung hinter den Erwartungen zurück. Vor allem die geringe Vertiefung des teilweise verlandeten Flusslaufes sei unverständlich. Laut Pietschker sollten es 60 Zentimeter sein, 30 seien es aber nur. Wie effektiv sind die flachen Senken bei den immer größeren Trockenzeiten, die der Klimawandel bedingt?

Ortschaftsrat Ulf Rödiger schließt sich dem an. „Als es hieß, die ’Große See’ soll im Zuge der Hochwasserschadensbeseitigung ausgebaggert, und die ’Krumme Renne’ im gleichen Zusammenhang saniert werden, herrschten Freude und ein wenig Angst bei den Rosenburgern“, schrieb Rödiger für ein regionales Gemeindeblatt. Freude über ein funktionierendes Grabensystem zur Ableitung des Drängewassers, Angst vor den im Schlamm vermuteten 1945 versenkten Kriegswaffen. „Nachdem die Arbeiten vom Bauamt der Stadt Barby abgenommen wurden, sind beide Gefühle verflogen und haben Unverständnis und Ärger Platz gemacht. Jetzt können wir sagen: Im Schlamm der großen See sind keine Waffen, sondern mutmaßlich mehr als eine Million Euro versenkt worden“, meint Ulf Rödiger sarkastisch. Angesichts dieser hohen Summe habe man ein wesentlich besseres Ergebnis erwarten können.

Keine kontaminierten Stoffe

Auch er wiederholt, was der Ortsbürgermeister schon andeutete: Die „Große See“ wurde nicht 60 , sondern nur 30 Zentimeter tief ausgebaggert. Entgegen der Planungen seien keine kontaminierten Stoffe oder Waffen gefunden worden. Und es sei nur der vordere Teil ausgebaggert worden. „Am hinteren Teil Richtung Sportplatz ist gar nichts geschehen. Entgegen der Planungen verblieb auch die Baustraße an Ort und Stelle, also mitten im See“, so Rödiger. Sein Fazit: Nicht mal die Hälfte der ursprünglich geplanten Arbeiten an der „Großen See“ wurden ausgeführt. Dass die Arbeiten trotzdem vom Bauamt abgenommen wurden, obwohl noch nicht einmal der alte Zustand wiederhergestellt worden sei, sei nicht vermittelbar. „Und wieder ist eine Chance verpasst worden, vorhandene Mittel zur Hochwassersanierung bestmöglich und zur Zufriedenheit der Bürger einzusetzen“, so Rödiger.

Und was sagt die Stadt Barby dazu? Bauamtsleiter Holger Goldschmidt fasst zusammen: „Die Maßnahme wurde innerhalb aller naturschutzrechtlichen Eingriffsregelungen und wasserbaulichen Genehmigungen umgesetzt, fertiggestellt und Ende 2021 im Beisein der Naturschutzbehörde zur vollsten Zufriedenheit abgenommen.“ Der Amtsleiter bemüht in diesem Zusammenhang ein ähnliches Beispiel aus der Nähe. „Ich erinnere an den Teich in Schwarz. Unter den Augen der Öffentlichkeit wurde hier einst eine Renaturierung gefördert, die am Ende der Natur keinen Einhalt gebieten konnte.“ In dem Calbenser Ortsteil wurde ein Teich entschlammt, das Schilf abgeschnitten, Bäume gefällt. Das Ergebnis heute: Alles sieht dort wieder so aus wie vor der aufwendigen Sanierung. Doch zurück zur „Dorfsee“. Bürgermeister Torsten Reinharz’ konkretisiert: Nur an den Stellen der neu einzubringenden Schilffelder (Laichablagezonen) sei es naturschutzfachlich erlaubt gewesen, die See um 60 Zentimeter zu vertiefen.

Das Budget habe eine „vollumfängliche Renaturierung“ nicht weiter zu gelassen. Es sei nicht nur die „Große See“, sondern auch der ganze Verlauf der Krummen Renne Fördergegenstand gewesen. Hierzu gehörten die Wiederherstellung des Grabenprofils von der Kreisstraße bis zur „Großen See“, die den Zweck einer Regenwasserhaltung habe. Die ehemalige Baustraße sei für die künftige Pflege unerlässlich, um in trockenen Zeiten die maschinelle Pflege der Uferzonen „von innen“ vornehmen zu können. Möglichkeiten der Pflege seien von außen am Ufer entlang kaum gegeben, weil diese sehr steil sind und Privatgrundstücke angrenzen. Die Gesamtkosten der „See“ und „Krummen Renne“ belaufen sich auf 1,94 Millionen Euro.