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Beratungsstelle Nicht nur Alkohol löst Sucht aus

Es war still geworden um die Suchtberatung der Arbeiterwohlfahrt in Barby. Doch es gibt sie noch.

Von Thomas Linßner 03.03.2017, 02:08

Barby l „Ich wusste gar nicht, dass es die Beratungsstelle im Bürgermeisterhaus noch gibt“, gesteht ein älterer Barbyer, der seinen Namen aus nachvollziehbaren Gründen nicht in der Zeitung lesen möchte. Nach längerem Zureden seiner neuen Partnerin sei er jetzt soweit, professionelle Hilfe anzunehmen. Der über 60-Jährige ist Alkoholiker, war über eine längere Zeit „trocken“, bis er wieder zur Flasche griff. „Ich habe das falsch eingeschätzt, ich dachte, dass ich mich nach so langer Zeit im Griff habe“, gesteht der untersetzte Mann. Dann seien verschiedene Dinge zusammen gekommen: Schulden, Probleme mit der Ehefrau, Scheidung, schildert Herr H.

Für Nicole Sommer ein „klassischer Fall“, wie er im Land tausendfach auftritt. Die 34-Jährige ist neben den Beratungsstellen in Schönebeck und Calbe immer montags zwischen 10 und 16 Uhr für „Klienten“ wie Herrn H. in Barby da. Hier betreut sie auch wöchentlich eine „Motivationsgruppe“, die aus fünf bis sieben Personen besteht. Dann reden die Betroffenen über eigene Probleme und Erfahrungen mit der Sucht oder bekommen von Nicole Sommer individuelle Hinweise.

Die gebürtige Sächsin lächelt: Das können auf den ersten Blick ganz banale Dinge sein. „Ich habe einem Klienten empfohlen, sich einen Hund anzuschaffen.“ Der Mann hatte darüber geklagt, dass er einsam sei, nachdem ihn seine Ehefrau verlassen hatte. Um eine Aufgabe zu haben, Verantwortung zu übernehmen und auch gezwungen zu sein, täglich „an die Luft“ zu gehen, sei der Hund eine gute Alternative.

Nicole Sommer und deren Kollegen beraten Angehörige oder nahestehende Personen und suchen mit ihnen zusammen nach Lösungen. „Die Leute brauchen nur Kontakt zu uns aufnehmen. Wir beantworten Fragen zu Suchtmitteln und Abhängigkeiten und geben Anregungen, wie sie sich verhalten können“, sagt sie. Gemeinsam erarbeite man individuelle Strategien.

Sucht wird aber nicht nur an einem Tag ohne Wein oder Bier bemerkbar; SMS, E-Mail und Chatroom anstelle von Gesprächen; Crystal zur Leistungssteigerung; Essen ohne Hunger zählen genauso dazu.

Vielleicht klingt diese Aufzählung für einige Menschen zunächst abenteuerlich. In der Awo-Suchtberatungsstelle erfahren die Mitarbeiter regelmäßig von der Normalität dieser Art der Alltagsbewältigung, der Entspannung, des mühsamen Verdrängens unangenehmer Dinge. Nahezu täglich berichten Presse, Funk und Fernsehen über größere Drogenfunde, das Kampftrinken der Jugend oder Alkohol im Straßenverkehr. Fast hat man sich an solche Meldungen gewöhnt, betrifft es doch meist die anderen.

„In der Regel vergeht viel Zeit, bis sich Betroffene und Angehörige eingestehen, dass der Alkoholkonsum oder Konsum von illegalen Drogen oder das ruinöse Glücksspiel zu einem Problem geworden sind“, weiß Nicole Sommer. Zu ihren Klienten zählen Online-Spielsüchtige ebenso wie Menschen, die im Casino zocken. Auch ein „Kaufsüchtiger“ sei dabei. „Er hat sich aber so im Griff, dass er wenigstens keine Schulden macht“, sagt sie.

Die Suchtberatungsstelle des Awo-Kreisverbandes Salzland e.V. bietet jeden Montag von 10 bis 16 Uhr Sprechstunden an. Zudem findet dort montags von 16 bis 17.30 Uhr eine therapeutengeleitete Motivationsgruppe für Personen mit einer Abhängigkeitserkrankung statt, die für alle Interessierte offen steht.

Kontakt: Barby (03 92 98) 3801, Schönebeck (0 39 28) 70 20 10, Calbe (03 92 91) 49 89 24 (donnerstags von 10 bis 14 Uhr)