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Wirtschaft Corona: Lieferengpässe bremsen Betriebe in Schönebeck und Staßfurt aus

Wenn ein Containerschiff den Suezkanal blockiert und Frachter in einem chinesischen Hafen nicht anlegen dürfen, dann hat das Konsequenzen. Nicht nur für den globalen Handel, sondern auch für Betriebe im Salzlandkreis. Lieferengpässe und Kostenexplosionen für Materialien sind die Folge.

Von Sabine Lindenau 06.08.2021, 16:57
Ein Blick auf den Technisat Produktionsstandort Staßfurt. Auch hier machen sich die Lieferengpässe bemerkbar.
Ein Blick auf den Technisat Produktionsstandort Staßfurt. Auch hier machen sich die Lieferengpässe bemerkbar. Foto: Technisat

Schönebeck/Staßfurt - Zwar führt die Agentur für Arbeit in Bernburg keine Statistiken, doch bei Gesprächen mit Unternehmern sei die Problematik verstärkt ein Thema gewesen. Jüngst erst bei der Berufsfindungsmesse. Während Firmen, die Baumaterialien wie Holz oder Kunststoff benötigen, mit teils enormen Preissteigerungen zu kämpfen haben, warten Betriebe im technischen Bereich ewig auf Halbleiter & Co. aus China.

Ambulanz Mobile plant um

Die Materialknappheit zu umschiffen, war in den zurückliegenden Monaten eine große Herausforderung für Ambulanz Mobile in Schönebeck. „Wir sind aber bis jetzt gut durch die Krise gekommen. Das haben wir durch den Weitblick und immense interne Aufwendungen geschafft.“ Karsten Albrecht atmet tief durch. Der technische Geschäftsführer bei Ambulanz Mobile geht den Produktionsplan täglich gemeinsam mit Einkaufsleiterin Janine Rudolph durch. Da muss immer wieder umstrukturiert werden. Weil nicht ständig alle Bauteile am Lager sind. Oder mal kurzerhand geliefert werden könne. Eine Situation, die sich in den kommenden Monaten weiter zuspitzen dürfte. „Seit März zeigt sich, dass die Läger unserer Lieferanten runtergefahren sind, dass der Nachschub aus dem asiatischen Raum ins Stocken kommt.“

Schon als die Corona-Pandemie Deutschland erreichte, begannen die Schönebecker, ihre Lagerbestände zu erhöhen. Deutlich. Weil sie schon im Frühjahr 2020 ahnten, dass sich die Krise hinziehen würde und dadurch Lieferengpässe drohen könnten. Vor allem bei Artikeln, die aus China geliefert werden. Bei Elektronikbauteilen, Kabelbäumen und Hauptteilen, wo Einkaufsleiterin Janine Rudolph genau wusste, dass es eng werden könnte, wurde das eigene Lager mehr als ausgelastet. Was natürlich auch mit höheren Kosten einherging. Über ein Jahr konnte das Unternehmen, das 318 Mitarbeiter beschäftigt, so die größten Probleme überbrücken.

Im März havarierte ein Containerschiff im Suezkanal, legte den kürzesten Seeweg von Asien nach Europa tagelang lahm. Im Juni stauten sich Frachter vor der Küste Südchinas. Corona-bedingt war der viertgrößte Hafen der Welt tagelang geschlossen. Die Preise für Container sind seitdem in die Höhe geschnellt. Und die Auswirkungen auf den globalen Handel auch im Salzland zu spüren. Ambulanz Mobile kauft direkt in China Blitzer- und Lichttechnik ein. Aber mehrere Lieferanten des Schönebecker Betriebes beziehen ihre Materialien aus Fernost. Verschärft wird die Situation, weil die Autohersteller auch extrem betroffen sind. Chips kommen aus China. Aber seit Wochen eben nicht. „Letztendlich kaufen wir Material, um die Autos zu bauen. Voraussetzung ist aber, dass das Grundauto da ist. Da machen die Konzerne VW, Mercedes und Ford auch Einschränkungen“, sagt Albrecht. Ford hatte die Produktion der Transporter in der Türkei drei Monate lang ausgesetzt. „Zum Glück hatten wir im Vorfeld mehrere hundert Autos bestellt, die sind jetzt abgearbeitet, nur noch neun sind da.“ Nachschub ist für diesen Monat avisiert.

Die Gefahr, dass trotz voller Auftragsbücher Kurzarbeit beantragt werden muss, besteht nicht. Auch, weil Ambulanz Mobile im Vergleich zu vielen Wettbewerbern auf fünf Säulen baut: Fahrzeuge für den mobilitätseingeschränkten Bereich, Notarzteinsatzfahrzeuge, Krankenwagen, Rettungswagen, Sonderausbauten. Während der Markt im Bereich Krankenwagen etwas eingebrochen ist, sei die Nachfrage für Rettungsfahrzeuge gestiegen. So wurden Mitarbeiter umgeschult. „Da steckt auch ein Aufwand dahinter. Aber das oberste Ziel der Firma heißt: Wir wollen keine Kurzarbeit, wir wollen keine Mitarbeiter entlassen, sondern die Vollbeschäftigung und unsere Kunden halten.“ In Pandemiezeiten sind dazu auch neue Ideen gefragt. Ambulanz Mobile setzt verstärkt auf Wartungsangebote, aber auch auf den Vertrieb von Baugruppen für den Innenausbau. Bis nach Taiwan und Neuseeland gehen die Kits. Aber auch hier macht sich die Materialknappheit bemerkbar.

Albrecht rechnet damit, dass die Situation noch ein paar Monate anhält. Und ist froh, rechtzeitig immensen Aufwand betrieben zu haben, um trotz voller Auftragsbücher keinen Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken zu müssen.

Technisat fährt runter

Wenige Kilometer entfernt, bei Technisat in Staßfurt, sieht es bei der Beschaffung der Materialien ähnlich aus. In den ehemaligen RFT-Werken, die seit 1998 als Produktionsstandort von Technisat dienen, musste ebenfalls umgedacht werden. Und nicht nur dort. „Alle unsere Werke sind aktuell von den globalen Lieferengpässen betroffen“, so Geschäftsführer Stefan Kön. „Allerdings nicht nur im Elektronikbereich, sondern mittlerweile sind auch Teile von Versorgungsengpässen betroffen, an die man nicht so direkt denkt. So zum Beispiel Kunststoffgranulat, Pappe für Kartonagen oder aber ganz normale Plastikfolien für die Verpackung“, macht Kön die brenzlige Situation deutlich.

In Staßfurt werden nicht mehr nur Smart-TVs „Made in Germany“ produziert. In den zurückliegenden Jahren investierte Technisat systematisch in die Erneuerung und Modernisierung der Werksanlage sowie in den Ausbau der Produktionsstätten. Anfang 2021 wurde sogar die Produktion von FFP2-Masken in Staßfurt aufgenommen. Das Werk dient aber nicht nur als Produktionsstandort, sondern auch als Servicezentrum. Hierzu investierte Technisat 2010 in den Ausbau des Kundendienstzentrums. Dabei entstand auf einer Fläche von 4000 Quadratmetern ein neuer Reparatur-, Lager- und Logistikbereich.

Aktuell sind in Staßfurt rund 160 Mitarbeiter beschäftigt. Und sie alle warten darauf, dass die Zeiten der Lieferengpässe alsbald der Vergangenheit angehören. Denn die momentane Situation „führt leider dazu, dass wir trotz voller Auftragsbücher nicht die maximale Produktionskapazität auslasten können“, bedauert der Geschäftsführer.

Morgendliche Routine bei Ambulanz Mobile in Schönebeck: Einkaufsleiterin  Janine Rudolph  und Karsten Albrecht, technischer Geschäftsführer, kontrollieren den Lagerbestand. Kabelbäume sind noch ausreichend vorhanden.
Morgendliche Routine bei Ambulanz Mobile in Schönebeck: Einkaufsleiterin Janine Rudolph und Karsten Albrecht, technischer Geschäftsführer, kontrollieren den Lagerbestand. Kabelbäume sind noch ausreichend vorhanden.
Foto: Sabine Lindenau