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Portrait Der löschende Verwaltungsmeteorologe

Was haben Bauernregeln mit Bürostühlen und das Klima mit dem Kaffee zu tun? Für Mario Brych aus Welsleben sind diese Dinge Alltag.

Von Sebastian Rose 02.08.2019, 11:00

Welsleben/Biere l Welsleben, zur Mittagszeit. Es ist warm draußen. Brütend heiß sogar. Die 30-Grad-Marke ist längst geknackt. Für die Kostenaufstellung der Bördeländer Feuerwehr braucht die Volksstimme noch ein Foto. Mario Brych springt sofort ein. Unter der Spezialuniform eines Atemschutzgeräteträgers muss es mindestens doppelt so warm sein wie außerhalb. Der Ortswehrleiter grinst dennoch unter dem Helm hervor. Mit der Hitze kennt er sich aus. Nicht nur aus dem Urlaub, bei Feuerwehreinsätzen oder in der nicht wirklich klimatisierten Verwaltung der Gemeinde. Nein, sondern auch beruflich. Denn eigentlich arbeitet er noch für den Deutschen Wetterdienst, mit Sitz in Offenbach am Main. Eigentlich.

„Mit 16 Jahren fing alles an“, berichtet Mario Brych. „Da habe ich die Ausbildung beim Meteorologischen Dienst der damaligen DDR begonnen.“ Potsdam war zu der Zeit die einzige zentrale Ausbildungsstätte. Dort war das Hauptamt für Klimatologie ansässig.

In Potsdam habe er laut eigenen Aussagen nur unter der Woche gewohnt. „Am Wochenende ging es für mich natürlich wieder in die Heimat“, erklärt der Welslebener Ortswehrleiter weiter.

Zwei Jahre ging das so. Am Sonntagabend nach Potsdam ins Wohnheim und am Freitag nach getaner Arbeit wieder zurück nach Welsleben. „Zu Freunden und der Familie.“

Weiter berichtet Mario Brych, dass es in der gesamten DDR nur 26 Plätze für 78 Bewerber in seinem Jahrgang beim Meteorologischen Dienst gab. Er war einer der Auserwählten. Nach der Ausbildung hatte Brych großes Glück. „Ich durfte nach Magdeburg und dort meinen Beruf ausüben. Damit konnte ich in Welsleben wohnen bleiben und musste nicht umziehen“, so Brych.

Anfangs teilten ein Kollege und Mario Brych sich die Tage in Zwölf-Stunden-Schichten ein. Nach der Wende wurde er vom Deutschen Wetterdienst (DWD) mit Sitz in Offenbach am Main angestellt. „Damals wurden fast alle Mitarbeiter und die gesamte Infrastruktur vom DWD übernommen“, weiß Brych weiter.

Fast 30 Jahre hat er nun als Meteorologe gearbeitet. 2017 musste er umdisponieren. „Im Zuge der Digitalisierung und Kosteneinsparungen werden viele Standorte vom Deutschen Wetterdienst geschlossen“, erklärt Brych weiter. „Ich habe mich dann schnell umgeschaut, wo meine anderen Stärken liegen und wo in der Region Stellen frei sind.“

Ohne dieses Engagement wäre ihm entweder eines Tages die betriebsbedingte Kündigung auf den Bürotisch geflattert, oder aber er hätte ins weit von der Heimat entfernte Offenbach ziehen müssen. „Das wollte ich zu keiner Zeit“, weiß er zu berichten.

Also hörte er sich um. In Absprache mit Bürgermeister Bernd Nimmich (SPD) wurde ihm dann ein Platz in der Verwaltung der Gemeinde Bördeland angeboten. „Der Deutsche Wetterdienst war da sehr kulant und willigte einer Umschulung in Form eines sogenannten Qualifizierungsvertrages ein“, so Brych weiter. „Da ich schon länger im Welslebener Ortschaftsrat und später dann im Gemeinderat aktiv war und Erfahrungen mit der Verwaltungsarbeit gesammelt habe, nahm ich die Stelle sofort an.“

Von nun an folgte von Montag bis Freitag die Arbeit in der Verwaltung in Biere und sonnabends und mittwochs dann die Weiterbildungskurse in Halle an der Saale. „Das geht jetzt schon seit mehr als zwei Jahren so“, erläutert er. Nach eigenen Aussagen wurde damals in Magdeburg kein passender Weiterbildungskurs angeboten. „Deswegen pendele ich jetzt am Sonnabend und am Mittwoch immer nach Halle.“

Trotzdem ist er dankbar für die erhaltene Chance. Der Qualifizierungsvertrag zwischen der Bördeländer Verwaltung und dem Deutschen Wetterdienst sei genau zur richtigen Zeit gekommen, so Brych.

Nun sitzt der heimat- und fest in das Vereinswesen verbundene Welslebener Urgestein in der Verwaltung der Gemeinde in der Magdeburger Straße in Biere. Dort ist er unter anderem für den vorübergehenden Umzug der Juri- Gagarin-Grundschule seines Heimatortes in die Bördeortschaft Eickendorf zuständig.

„Da soll es natürlich Mitte August alles soweit geregelt sein, dass die Schüler in die frisch renovierten und sanierten Räumlichkeiten in der Karl-Marx-Straße einziehen können“, erklärt er. Zudem habe er außerdem noch eine Alarmanlage anschließen lassen. „Die vielen Schul- und Kitaeinbrüche in den letzten Tagen und Wochen sind uns da eine Lehre gewesen.“

Doch so ganz lassen ihn auch in der Verwaltung seine alten Leidenschaften nicht zu Ruhe kommen. „Als Ortswehrleiter hat man gerade in den heißen Monaten des Jahres die Wettervorhersagen immer im Blick“, berichtet Mario Brych. „Ich lasse das Wetterradar nie aus den Augen und erstelle immer meine eigenen Wettervorhersagen.“

Nach eigenen Aussagen wird Brych oft von seinen Kollegen und Freunden gefragt, wie denn nun das Wetter wird. „Da antworte ich immer. Aber man muss aufpassen, dass man da nichts erzählt, was sich am Ende nicht bewahrheitet. Dann bekommt man sofort Feedback“, scherzt er.

Derweil freut sich auch Bürgermeister Bernd Nimmich über den Zuwachs vor zwei Jahren in „seine“ Verwaltungsfamilie. „Wir sind hier sehr zufrieden mit Mario. Er macht eine gute Arbeit, und ich denke, die Chancen stehen gut, dass wir ihn hier übernehmen werden“, hieß es noch vor ein paar Wochen.

Unter der Hand war von einigen Seiten der Verwaltung zu hören, dass die Leiterin des Bauhofs in einiger Zeit aufhören wird und Mario Brych wohl für die Stelle vorgesehen ist. Davon will der bescheidene Verwaltungsmeteorologe aber nichts wissen. Noch nicht. „Erstmal muss ich ja alle Prüfungen bestehen und die Weiterbildung erfolgreich hinter mir lassen“, lacht er weiter.

„Danach lässt sich dann genaueres sagen.“ So ganz in die Karten schauen lässt sich der Welslebener Ortswehrleiter also nicht. Trotzdem sind die Chancen groß, dass er auch weiterhin aktiv in Vereinen und der Regionalpolitik mitmischen wird. „Im Gemeinderat macht er auf jeden Fall eine gute Arbeit“, hieß es vor ein paar Wochen von Seiten Bernd Nimmichs. „Und auch die Arbeit im Ortschaftsrat gefällt mir sehr gut, und ich freue mich, dass ich in diesem Jahr wieder gewählt wurde“, ergänzt Brych. Trotz dessen der Regionalpolitiker von der Bürgerinitiative Welsleben sich seinem Mitkonkurrenten Hans-Jürgen Korn in der Ortsbürgermeisterwahl knapp geschlagen geben musste, will er weiter aktiv am Geschehen in „seiner“ Ortschaft teilhaben.

Auch privat läuft es bei dem gelernten Meteorologen gut. Im Oktober wird Mario Brych 48 Jahre alt. Sein Sohn Nikolas und seine Frau Bianca stehen zudem immer ihrem Mann und Vater bei. Und auch Labradorrüde „Thai“ weicht seinem Besitzer selten von der Seite.

In seiner Freizeit steht er oft im gemeinsamen Garten und am Haus ist sowieso immer etwas zu machen. Und überhaupt. Fast überall fährt er mit dem Fahrrad hin. Das Auto lässt er lieber stehen. Dem Klima zu liebe. „Klar lässt es sich nicht vermeiden, aber wenn jeder nur ein wenig seine Art und Weise zu leben überdenkt, wären auch diese kleinen Schritte wertvoll für das Klima“, meint er. „Die Emissionen habe ich schon im Auge.“

Deswegen sei für ihn auch in Ordnung, ab und an in den Urlaub zu fliegen. Südostasien hat es ihm und seiner Familie besonders angetan. „Wir waren schon auf Bali im letzten Jahr und in Bangkok und Kuala Lumpur ebenso“, berichtet er weiter. „Mir gefällt dort einfach die Natur und die dort lebenden Menschen. Sie sind alle so freundlich und unglaublich nett.“

Der Name vom Labradorrüden „Thai“ sei eine Hommage an die Urlaube in der Region, erklärt Brych weiter. Das letzte Mal in Thailand war die junge Familie an Ostern. Und der nächste längere Urlaub soll wieder in die südostasiatische Region führen.

Für die Zukunft wünsche er sich neben Gesundheit für seine Familie und ihm selbst auch eine Anstellung in der Region. Wegziehen aus Welsleben kommt nicht in Frage.

Und auch weiterhin möchte er in der Landeshauptstadt Magdeburg die Touristen und Besucher der Elbstadt durch die historischen Straßenzüge führen. Seit 1999 ist er nämlich Stadtführer in Magdeburg. „Das macht mir immer noch einen riesen Spaß“, meint er.