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  7. Drama bei Wespen: Kuh wird vom Zug überfahren, vier Rinder vom Jäger erlegt

Junge Rinder brechen aus, weil sie erschreckt wurden / Aufwändige Suche mit dem Hubschrauber Drama bei Wespen: Kuh wird vom Zug überfahren, vier Rinder vom Jäger erlegt

Von Thomas Linßner 01.08.2013, 03:13

Eine Mutterkuhherde der Agrar GmbH prägt seit Jahren das sommerliche Landschaftsbild der Barbyer Elbauen. Doch die Romantik hat eine Kehrseite. Am Dienstag mussten vier Kühe in einer spektakulären Aktion erschossen werden, die zur Gefahr geworden waren.

Barby l Für die Piloten der Bundespolizei war dieser Einsatz eine Premiere: Sie mussten Kühe jagen. Der Hubschrauber kreiste Dienstagabend im Dreieck Calbe-Barby-Wespen, um 14 ausgebüxte Rinder der Agrar GmbH zu orten und auf einen abgeernteten Weizenschlag zu treiben. Dort warteten bereits zwei Jäger, die in sicherer Schussposition den Finger krumm machten. Drei etwas über ein Jahr alte Färsen fielen auf einem Stoppelacker bei Wespen. Einer der Jäger hatte bereits zuvor an der alten Remise am "Seepark Barby" ein Rind erlegt. "Eine schwierige Aufgabe, weil man sicher sein muss, dass sich kein Mensch in der Nähe aufhält", betont er. Seinen Namen möchte er der Häme wegen nicht in der Zeitung lesen. "Sonst werden wir noch Kuh-Jäger genannt."

"Wir hatten keine andere Möglichkeit mehr", stöhnt Yves Blume (41), Geschäftsführer der Barbyer Agrar GmbH. "Die Rinder stellen jetzt eine Gefahr für die Allgemeinheit dar." Was sich einige Stunden zuvor besonders offenbarte. Gegen 14 Uhr wurde eine der flüchtigen Kühe zwischen Calbe und Gnadau in Höhe Seehof von einer Regionalbahn erfasst. Das Tier war sofort tot, am Zug entstand leichter Sachschaden. Amtlich spricht man in solchem Fall vom "gefährlichen Eingriff in den Bahnbetrieb".

Nach diesem Unfall kam die Bundespolizei mit ihrem Hubschrauber zum Einsatz, zu deren Aufgaben ja auch die Bahnsicherung zählt.

Wie Yves Blume berichtet, türmten die 14 Rinder bereits am Montagvormittag. Ein Pferd auf der Nachbarkoppel hatte sie vermutlich erschreckt. "Weder der Elektro- noch ein Drahtzaun konnte sie aufhalten", erzählt Blume. Die Färsen seien noch "jung und empfindlich". Ältere Tiere hätte bei einer Störung nur mal kurz den Kopf gehoben und dann weiter Gras gezupft.

"Wir hatten keine andere Möglichkeit mehr. Die Rinder stellen jetzt eine Gefahr für die Allgemeinheit dar"

Die Barbyer Agrar GmbH wird das Jahr 2013 so schnell nicht vergessen. Das Hochwasser vernichtete 1700 Hektar Ackerkulturen, die Mutterkuhherde musste mühsam evakuiert werden. Teile weiden derzeit in Eickendorf, Calbe und auf dem Gelände der Firma. Weil die Tiere vom Frühjahr bis Herbst in den Auen stehen, bekommen sie Geschmack auf die Freiheit und beginnen zu verwildern.

Die Ungebundenheit von Mutterkühen führte nicht zum ersten Mal zu derartiger Hudelei. Vor Jahren türmten sieben Rinder. Ein Teil von ihnen konnte durch Futterköder eingefangen, der Rest mit Betäubungspfeilen zurückgewonnen werden. Doch mit Futter kann man die Flüchtlinge derzeit nicht locken - die Natur bietet genug. Recht publikumswirksam war, als im Herbst 2010 vier Wiederkäuer beim Herbstabtrieb ausbüxten. Sie hielten sich mehrere Wochen in den Saaleauen auf, wo kaum eine Gefahr von ihnen ausging. Fast die ganze Belegschaft war auf den Beinen, um sie in ein spezielles Gatter zu treiben. Wobei aber fünf Mutterkühe und ein Bullenkalb das Weite suchten, von denen eine Mutter mit Kind eingefangen werden konnten. Gut zwei Monate tummelte sich der eigensinnige Rest in Gottes freier Natur, wo er scheu wie Rehwild wurde.

Die Zukunft der 150-köpfigen Herde (ohne Kälber und Fersen) steht nach so viel Ungemach in den Sternen. Es gibt Gedankenspiele, sie abzuschaffen. Gab es vor Jahren noch Fördermittel für die extensive Grünlandpflege, ist das jetzt nicht mehr so. "Wir können die Elbauen auch mähen und das Grüngut in unserer Biogasanlage verwerten", sagt Yves Blume.

Die restlichen zehn Färsen sind noch auf der Flucht. Gestern steckten ihre Köpfe aus einem Maisfeld zwischen Barby und Gnadau. Die Geschichte ist also noch nicht zu Ende.