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Straßenausbau Ende der „Gefühlsduselei“

Wenn der Schönebecker Stadtrat zusammenkommt, wird eine Beschlussvorlage diskutiert, deren Inhalt im Bereich Ostelbien umstritten ist.

Von Olaf Koch 10.02.2016, 01:59

Schönebeck l So richtig wahrgenommen wird die Kritik nicht. Im Finanzausschuss müht sich Stadtrat Friedrich Harwig (parteilos/Fraktion Die Linke) um Aufmerksamkeit. Doch seine Ansätze einer ausführlichen Begründung bleiben unbeachtet. Harwig kann nur mit dem Kopf schütteln. Ziemlich schnell werden die Aufhebungssatzungen für wiederkehrende Beiträge in den drei Dörfern östlich der Elbe durchgewunken und die ausführliche Satzung für einmalige Beträge angenommen.

Der Titel der Beschlussvorlagen ist etwas sperrig zu lesen. Im Grunde geht es um die Aktualisierung der Straßenausbau-Beitragssatzung. Davon gab es in den vergangenen Jahren zwei im Stadtgebiet. Dies war rechtlich möglich, weil für die drei ostelbischen Kommunen, die sich mit der Fusion der Großstadt anschlossen, die Satzungen weiterhin gültig waren. Zudem galten die Bereiche der Dörfer als eigenständige Satzungsgebiete. In Pretzien, Plötzky und Ranies gelten bisher noch Straßenausbau-Beitragssatzungen mit wiederkehrenden Beiträge. „Wir haben uns damals bewusst für diese Form entschieden“, berichtete Friedrich Harwig, der lange Zeit Ortsbürgermeister von Pretzien war.

Dabei stand vor allem der Solidargedanke im Vordergrund der Entscheidung. Auf alle Haushalte im Satzungsgebiet wurden nach einer Straßensanierung die umlegbaren Kosten verteilt, so dass die Belastung für den einzelnen Anwohner relativ überschaubar war. „Zudem war am Beispiel unseres Dorfes das Gebiet Pretzien eine wunderbare abrechenbare Einheit. Die wiederkehrenden Beiträge haben zum dörflichen Charakter beigetragen“, berichtet Friedrich Harwig im Gespräch.

Diese anscheinend „linke Gefühlsduselei“ einer gemeinsamen Identität in einer Kommune, wenn alle ein bisschen für etwas beitragen, scheint nicht mehr gewollt zu sein. Weil die Satzungen aus anderen Gründen – unter anderem aus rechtlichen – sowieso überarbeitet werden müssen, will das Rathaus die Abrechnung für den Straßenausbau vereinheitlichen. „Dafür besteht aber keine Notwendigkeit, und ich sehe das einfach nicht ein“, moniert ein bisher ungehörter Friedrich Harwig.

Er sieht – wie andere Einwohner in den Dörfern auch – eine gewisse Benachteiligung der Bewohner Ostelbiens. Wie Harwig der Volksstimme im Gespräch berichtete, wurden im Dorf in den zurückliegenden mehr als zwei Dekaden bereits 20 der 22 Straßen ausgebaut. Teilweise auch vor dem Beschluss einer Straßenausbau-Beitragssatzung. „Wir waren eben nach der Wende schnell und clever“, sagt der ehemalige Bürgermeister.

Aber zwei Straßen sind demnach noch offen. Harwig malt das Bild, wie es dort nun, sollte die neue Satzung so am Donnerstag beschlossen werden, weitergehen soll: Dann würden jene Anwohner an diesen zwei besagten Straßen, obwohl sie in der Vergangenheit Beiträge für den wiederkehrenden Straßenausbau entrichtet haben, dann mit dem vollen Preis herangezogen? „Das ist eine Doppelbelastung, die in meinen Augen ungerecht ist“, macht Friedrich Harwig deutlich.

Er weiß auch, dass die Stadt das keineswegs vor hat und unterstellt auch keine böse Absicht. Harwig verweist gegenüber der Volksstimme auf den Paragrafen 6 des Kommunalabgabengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (KAG LSA). Dieser Passus steht nicht (!) in der Beschlussvorlage. Das ärgert Friedrich Harwig und andere. Der Paragraf 6 des KAG regelt deutlich, wie bei solchen im Fallbeispiel Pretzien aufgetretenen Problemen verfahren werden muss: „Um auch Doppelbelastungen zu vermeiden, sind gemäß Paragraf 6 (8) KAG-LSA vor der Umstellung geleistete wiederkehrende Straßenausbaubeiträge auf den nächsten Straßenausbaubeitrag anzurechnen“, schreibt die Stadtverwaltung auf eine entsprechende Anfrage der Volksstimme.

Entsteht nach dem Zeitpunkt der Umstellung kein neuer Straßenausbaubeitrag bis zum Ablauf des 20. Jahres nach der ersten Entstehung des wiederkehrenden Beitrags, kann die Gemeinde durch Festlegung in der Satzung bestimmen, dass die wiederkehrenden Straßenausbaubeiträge bis zum Ablauf dieses Zeitraums in der zuletzt festgesetzten Höhe weiter zu entrichten sind. „Da die Ausbaumaßnahmen in den Ortschaften Plötzky, Pretzien und Ranies bereits abgeschlossen sind, soll von der Festsetzung einer solchen Überleitungsregelung abgesehen werden“, teilte Rathaus-Pressesprecher Peter Wannewitz mit.

Während Friedrich Harwig sagt, dass die Straßen eben noch nicht alle saniert sind, hat die Stadt eine völlig entgegengesetzte Meinung. Dieses Problem ist sicherlich leicht bis zum Stadtrat am Donnerstag zu prüfen.

Wenn man davon ausgeht, dass der ehemalige Bürgermeister sein Dorf mit 900 bis 1000 Einwohnern recht gut kennt und wenn man weiter davon ausgeht, dass die wenigen Bewohner an den zwei nicht sanierten Straßen zukünftig wegen der Doppelbelastung nicht den vollen Preis bezahlen müssen, stellt sich abschließend die Frage: Wer übernimmt diese Differenz am Ende, die Stadt?