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Erntedank Teilen dürfte kein Problem sein

Das Besinnen und das Dankeschön für die Erntegaben werden immer wichtiger, sagt Calbes Pfarrer Jürgen Kohtz.

Von Susann Salzmann 04.10.2017, 05:00

Calbe l Schluss mit Überfluss - und dann? In Deutschland ein kaum vorstellbares Szenario; im Gegensatz zu zig weitaus ärmeren Ländern auf der Welt. Nichtsdestotrotz und gerade in einer Überfluss- und Wegwerfgesellschaft sei es umso wichtiger, den Menschen ins Bewusstsein zu rufen, dass die vollbepackten Warenregale in den Einkaufsmärkten alles andere als selbstverständlich sind. So sieht es der evangelische Pfarrer Jürgen Kohtz.

Mit Bedacht einkaufen und konsumieren. Zurückbesinnen, wie viel anstrengende Arbeit und wie viel Schweiß das Säen, Hoffen auf günstige Wetterbedingungen und Ernten manchmal kostet, sei in der heutigen Zeit besonders bedeutsam, findet der Pfarrer. In seiner Predigt ruft er zu einem gemeinsamen „Dankesgruß“ auf - für die Gaben, die wachsen, gedeihen und in mühevoller Arbeit zu Nahrungsmittelprodukten verarbeitet werden.

Die Argumentationskette Kohtz‘ ist simpel: Deutschland sei solch ein reiches Land. Im Umkehrschluss bedeute das, dass das „Teilen für uns kein Problem sein dürfte“, betont der Pfarrer der evangelischen Kirchgemeinde.

Das ist einer der Kernpunkte seiner Predigt im Rahmen des Erntedankgottesdienstes. Dieser solle letztlich einerseits für das Thema sensibilisieren, andererseits die innere Bereitschaft zum Spenden für Hilfsbedürftige stärken. Die Christen, merkt Kohtz an, zögen diese (Hilfs-)Bereitschaft aus dem Evangelium als auch ihrem Glauben. „Jesus schenkt - und in diesem Gottesdienst halten wir den Gedanken ans Teilen offen“, fährt der Pfarrer fort.

Vor etwa einhundert Jahren war das Modell des Selbstversorgers noch präsenter als heutzutage. Gegenwärtig werden die benötigten Produkte vielfach im Ladengeschäft gekauft. Die Mühen der eigenen Ernte erleben immer weniger.

In der Konsequenz verblasse der Bezug zu den Nahrungsmitteln. Pfarrer Jürgen Kohtz: „Der Bezug zu dem, was uns am Leben lässt, schwindet in unserer heutigen Gesellschaft“. Um Auswüchse à la „Kartoffeln wachsen im Supermarkt“ zu vermeiden, hielt der Pfarrer jüngst mit den Kleinsten aus den Kindertagesstätten einen spielerischen Vormittag ab, der von der Obst- und Gemüsevielfalt aber auch deren Herkunft handelte.

Mit seinem Standpunkt aber steht das Kirchenmitglied längst nicht allein da. Familie Rode stimmt mit der Meinung überein. „Man sollte auch für die Nutzung, die Möglichkeit des Anbauens, dankbar sein“, erklärt die zwölfjährige Letizia Rode. Im elterlichen Garten wird zum Teil für das Obst und Gemüse, das auf dem heimischen Tisch landet, selbst gesorgt. Gurken, Petersilie, Tomaten, Kopfsalat und Beeren - allerlei werde im Rode‘schen Garten angebaut, aus dem Tizia insbesondere die Erdbeeren mit vollster Begeisterung erntet. „Selbstgeerntetes schmeckt auch viel besser“, wirft der gleichaltrige Carsten Ecke aus Calbe ein. Ziemlich reichlich sei in diesem Jahr die Gurken- und Tomatenernte ausgefallen, meint der Junge und verweist grinsend auf einen prall gefüllten Kühlschrank. Darüber hinaus gelte: Was selbst geerntet wird, erfährt mehr Achtung und wird in geringerem Maß achtlos weggeworfen, meint Letizias Mutter Petra Rode. Die gesamte Wegwerfkultur sei dann nämlich eine ganz andere.

Aus einem anderen Blickwinkel hat Pfarrer Jürgen Kohtz darüber hinaus symbolisch das Bild der „schlechten Früchte“ interpretiert. „Die Menschen produzieren selbst eine Fülle von negativen Früchten“, wird es im Erntedankgottesdienst metaphorisch.

Negative Früchte - zu denen zählt Jürgen Kohtz unter anderem Klischees, Vorbehalte, Bedrohungsgefühle und Ängste. Entstünde der Eindruck, dass das Herz eng werde, dann helfe bei ihm der Gedanke an Gottes Zuwendung. „Diese Zuwendung wirkt wie notwendiges Wasser und heilsame Erde“, fügt er eine Begründung an. Und unter diesen Voraussetzungen könnten schließlich die positiven Früchte wie Vertrauen und Hilfsbereitschaft wachsen.