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Grünen-Politiker untermauert Kritik an Asylbewerberheim Bernburg / Salzlandkreis und Awo positionieren sich "Familien kämpfen verzweifelt gegen den Dreck"

Von Ulrich Meinhard 20.09.2012, 05:20

Die sogenannte Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in Bernburg ist in die Kritik geraten. Der grüne Landtagsabgeordnete Sören Herbst hatte die Einrichtung unangemeldet besucht und Missstände angeprangert. Das Landratsamt und die Awo als Betreiber reagierten umgehend.

Bernburg l Der Salzlandkreis und der Ortsverein der Arbeiterwohlfahrt (Awo) Bernburg haben in einer gemeinsamen Erklärung auf die öffentlich gewordene Kritik an den Zuständen in der Gemeinschaftsunterkunft (GU) für Asylbewerber im Teichweg Bernburg reagiert. In der Erklärung heißt es: "Die in den Medien dargestellten Missstände können nicht unwidersprochen bleiben." Unterzeichnet ist das Papier nicht, es trägt den Kopf der Pressestelle des Landratsamtes.

In dem Schreiben heißt es weiter: "Fakt ist der Kakerlakenbefall, der auch nach gezielter Ursachenforschung bezüglich der Bausubstanz (Hohlräume und ähnliches) und regelmäßiger Vernichtungsaktionen bislang noch nicht zum Erfolg führte."

Augenscheinliche Ursache sei das "Vermüllen" einiger weniger Heimbewohner in ihren Zimmern. Das bedeute, dass immer ein latenter Herd in der GU vorhanden ist.

Bislang sei aus Respekt vor der Privatsphäre der Bewohner von Zwangsmaßnahmen in den Zimmern Abstand genommen worden. Die hätten zum Beispiel in der Entfernung von Sperrmüllmöbeln bestehen können.

Um die Situation zu verbessern, sollen jetzt gezielt Gespräche mit "uneinsichtigen Ausländern" geführt werden. Sie sollen auf ihre Reinigungspflichten hingewiesen werden. Zu diesen Gesprächen sind auch die "Kritiker" eingeladen.

Gemeint ist damit der Landtagsabgeordnete Sören Herbst (Bündnis90/Die Grünen). Er hatte sich unangemeldet die Unterkunft angesehen und Kritik an den hygienischen und sanitären Zuständen geübt. So seien zum Beispiel mehrere Duschen und Kochplatten defekt, hatte er vor Ort festgestellt.

Dem wird in der Stellungnahme widersprochen. Von sämtlichen über fünf Etagen verteilten Küchenherden sei lediglich eine Kochplatte defekt gewesen. Von sämtlichen, nach Geschlecht getrennten und abschließbaren Duschen seien drei defekt. Festzustellen sei gewesen, dass nachts fremde, in Wohnungen in Bernburg untergebrachte Ausländerfamilien in der GU duschen.

Schlussendlich bleibe festzustellen, "dass sowohl der Salzlandkreis seiner Aufsichtspflicht, als auch die Awo als Betreiber seiner Unterbringungspflicht voll umfänglich nachkommt".

Es bleibe aber auch festzustellen, "dass der Versuch, eine landesweite grundsätzliche Unterbringungspolitik zu erreichen, nicht mit unfairen und unwahren Argumenten am Beispiel einer einzigen Gemeinschaftsunterkunft forciert werden kann".

"Es riecht nach Putzmittel und Urin."

Sören Herbst

Auf diesen Vorwurf geht der Landtagsabgeordnete Sören Herbst gestern gegenüber der Volksstimme nicht weiter ein. Er könne nur darstellen, was er gesehen habe. Das Argument, dass die Bewohner selbst an den Umständen schuld sind, sei nicht neu, verweist Herbst auf einen seiner Meinung nach "abgedroschenen Vorwurf". "Die Umstände, die baulichen Bedingungen, die in solchen Heimen herrschen, führen zwangsläufig zu bestimmten Verhaltensweisen der Bewohner. In Bernburg leben 177 Menschen auf engem Raum. Die Duschen sind ohne Vorhänge. Es riecht nach Putzmitteln und Urin. Es ist doch klar, dass sich Menschen in einer solchen Umgebung anders verhalten, als in ihrer eigenen Wohnung." Ihnen vorzuwerfen, dass sie den Dreck selbst züchten, könne er nicht akzeptieren. "Ich habe Familien gesehen, die verzweifelt gegen den Dreck ankämpfen."

Eine Lösung des Problems könne nur darin bestehen, solche Gemeinschaftsunterkünfte landesweit aufzulösen. Die Stadt Dessau-Roßlau habe diesen Schritt getan. Asylbewerber würden dort nur noch in Wohnungen untergebracht. "Die gemachten Erfahrungen sind ausgesprochen positiv", so der Magdeburger Landtagsabgeordnete.

Die Integrationsprognose der Bewohner von Heimen sei nachweislich schlecht. "Wenn Menschen bis zu zehn Jahren in GU´s wohnen müssen, nehmen sie Gewohnheiten an, die eine gesunde Integration enorm erschweren. Wir tun ihnen und uns damit nichts Gutes", betont Sören Herbst.

Er besucht derzeit sämtliche Gemeinschaftsunterkünfte in Sachsen-Anhalt. Auch die Awo nimmt er in die Pflicht. Mit dem auf der Internetseite des Verbandes dargestellten Menschenbild seien die Zustände in Bernburg nicht vereinbar.

Landratsamt und Awo haben indes festgelegt, dass der Hausmeister in Bernburg wöchentlich die Zimmer kon-trollieren und mit Desinfektionsmiteln noch vorhandene Schädlinge beseitigen soll. Weitere Bekämpfungsaktionen zur Kakerlakenvernichtung soll es in vier Wochen geben.