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Flugsport Im Einklang mit Mutter Natur

Segelflugpiloten haben sich bei der Landesmeisterschaft auf dem Flugplatz in Zackmünde gemessen.

Von Dan Tebel 19.05.2018, 01:01

Zackmünde l Es weht ein mehr als laues Lüftchen über den Flugplatz in Zackmünde bei Schönebeck. Wettkampfleiter Henning Schulte vom Fliegerclub Schönebeck schaut in den größtenteils wolkenbedeckten Himmel. „Ich bin pessimistisch“, sagt er.

Aber die Wolken sind gar nicht das Problem, sondern zu starker Wind macht den Segelfliegern bei den seit vorherigen Freitag ausgetragenen Segelflug-Landesmeisterschaften Sachsen-Anhalt (gleichzeitig auch der Elbe-Saale-Pokal) auf dem Flugplatz in Zackmünde zu schaffen. Bei den Segelfliegern ist es ähnlich wie bei Fahrradfahrern. Es braucht vor allem die Thermik, erklärt Vereinsvorsitzender Henning Schulte. Das heißt warme Luft, die nach oben steigt und so den Segler steigen lässt. Wind ist dabei eher nebensächlich und nur im geringen Maß am Boden brauchbar, um die warme Luft von dort zu „lösen“ und die Flieger gleiten zu lassen.

Beim morgendlichen Meeting der rund 20 Wettkampfteilnehmer in der Fliegerhalle wird deutlich, dass der Wettkampftag daher auf der Kippe steht. Sportleiter Dennis Krull hat schon seit den frühen Morgenstunden Wetter und Tagesaufgabe im Blick. „Das Entscheidenste ist tatsächlich das Wetter“, sagt er. Bereits seit 6.30 Uhr ist er auf den Beinen, studiert die Karten und plant die Aufgaben, also die anzufliegenden Koordinaten (GPS) für die Teilnehmer. Die Planungen sind wichtig, Wetter und Route müssen zusammenpassen. Denn so gut die Bedingungen in manchen Gebieten auch sein mögen, dürfen die Flieger nicht überall hin- oder hineinsegeln. „Flugplätze oder militärische Zonen beispielsweise müssen umflogen oder dürfen nur in geringer Höhe überflogen werden“, erklärt er. Eine Route mit zwei bis drei Eckpunkten beträgt bei diesem Wettbewerb um die 150 bis 200 Kilometer, die in gut zwei Stunden von den Fliegern absolviert werden – mit durchschnittlich 90 Kilometern pro Stunde.

Krull bleibt trotz der Wetterlage optimistisch. „Für Nachmittag sieht das Wetter besser aus“, erklärt er. Weil das Wetter eben nicht immer mitspielen kann, wird ein Segelflugwettbewerb gleich für mehrere Tagen geplant. Die insgesamt acht Tage für die Landesmeisterschaften in Zackmünde sind da verhältnismäßig wenig – teilweise strecken sich Wettbewerbe über zwei Wochen. „Wir hatten bis jetzt schon vier gute Wettertage. Mindestens einen brauchen wir für die Wertung“, erklärt Dennis Krull.

Und dann heißt es erstmal Warten. Solange, bis das Wetter stimmt und Henning Schulte mit seinem Motorflugzeug (Schlepper) abheben und die Segelflieger in die Luft ziehen kann. Sechs Mitarbeiter kümmern sich um die Organisation des Wettkampfes am Boden. In der Zwischenzeit bauen die Piloten ihre Flieger auf. Nur Wenige lassen die mehrere zehntausend Euro teuren Flugzeuge über Nacht auf dem Platz stehen. Dann doch lieber zusammenklappen und ab in die Box.

So wie die „DG 808C Competition“ von Ralf Gerigk. Der Segler hat eine Flügelspannweite von 18 Meter – also ungefähr drei aneinander gestellte VW-Transporter. Es bleibt aber nicht beim reinen Aufbau – Gerick, seines Zeichens auch Mitglied im Schönebecker Fliegerclub, füllt Wasser in seinen Flieger. Um sich einen Vorteil zu verschaffen und schneller zu sein, erklärt der wohnhafte Magdeburger vereinfacht. Denn mit mehr Gewicht lässt es sich flotter fliegen. Das Wasser wird in dafür vorgesehenen speziellen Taschen in den Flügeln und am Rumpf der Maschine eingelassen. Aber das ist noch nicht alles. Der Motorsegler hat sogar einen ausklappbaren Propeller. Der darf natürlich bei einem Segelflugwettbewerb nicht benutzt werden.

Im Segelsport gibt es Flieger mit wenig und mit mehr Ausstattung – von 10 000 bis 150 000 Euro ist preislich alles möglich. Der Magdeburger segelt in seiner Klasse – es gibt bei diesem Wettbewerb zwei verschiedene Klassen, je nach Flügelspannweite der Maschinen – ganz vorn mit. Er weiß: „Es bleibt jeden Tag spannend. Durch einen einzigen schlechten Tag kann man sich alles versauen.“

Gerigk ist Segelflieger mit Leib und Seele. Seit seinem 14. Lebensjahr sitzt er in einer Maschine hinter dem Steuerknüppel und seit 15 Jahren ist er Mitglied bei den Schönebecker Fliegern. Das Segelfliegen sei für ihn ein außergewöhnlicher Sport in zweierlei Hinsicht: man könne ihn „leistungsgetrimmt“ betreiben oder zur Entspannung in die Luft steigen, erzählt er. Für ihn ist beides wichtig. Gerigk ist in Afrika bereits 1161 Kilometer in 8,5 Stunden geflogen, wie er erzählt. Mindestens genauso reizvoll sieht er aber dem entspannten Gleiten entgegen. Als Betriebsleiter einer Firma trägt er beruflich die Verantwortung für 90 Mitarbeiter. „Das kann ich beim Fliegen einfach ausblocken“, berichtet er. Dann gibt es nur ihn und das Flugzeug. Hier übernimmt er nur für sich Verantwortung.

Neben ihm steht das Leihflugzeug von Philipp Käpermann aus Magdeburg, der seinen Fallschirm überprüft. „Man muss auch in der Luft seine Augen überall haben“, erzählt der Magdeburger, der auch in Zackmünde an den Start geht.

Für ihn ist er der erste Wettkampf, seine Fluglizenz hat er seit knapp einem Jahr. Im Schnitt der Schein zwei Jahre.

Das Interesse an der Fliegerei hatte der 30-Jährige schon als Kind. „Aber dann kam das Abitur und das Studium ... “, erklärt er. Mittlerweile findet der studierte Geowissenschaftler Zeit für sein Hobby. „Man kann komplett abschalten und wird eins mit seinem Flugzeug“, erklärt Käpermann den Reiz am Segelfliegen. Ohne Hilfsmittel im Einklang mit der Natur und das Hunderte Kilometer weit.

Apropos Entfernung – eine weite Anreise hatte sicherlich Rick Hakenbeck aus dem bayrischen Erding. Natürlich mit dem Auto, nicht im Flieger. Obwohl sich das Wetter noch nicht gebessert hat, plant er akribisch seine Route und stellt die Navigationsgeräte ein. Zum zwölften Mal ist er dabei. „Es ist ein tolles Umfeld und sehr nette Leute sind dabei“, begründet er seine Fahrt nach Zackmünde. Aber auch die gute Thermik im Norden sei es, die ihn immer wieder herziehe, so der 74-Jährige. Seit nunmehr 54 Jahren sitzt er im Segelflieger.

Unter anderem aus Dessau, Ballenstedt und Halle kommen die Flieger zum Wettbewerb nach Zackmünde. Es herrscht eine familiäre Atmosphäre, man kennt sich. Oft begleiten die Familien ihre Piloten. Im Wohnwagen oder Zelt auf dem Gelände wird übernachtet.

Das ist ein Vorteil des kleinen Flugplatzes in Zackmünde, findet auch Wettkampfleiter Henning Schulte, der wieder in den Himmel blickt. Die in Falten geworfene Stirn entspannt sich langsam. Zumindest die Wolken klaren auf.

Am Sonnabend, 19. Mai, ist der letzte Wettbewerbstag. Ab 9 Uhr geht es los – je nach Witterung.