Grundschullehrer Kampf für den Traumjob

Mohammad Mamoon Shiban kam als Flüchtling nach Deutschland. In seinem studierten Traumjob darf er allerdings nicht arbeiten.

Von Bianca Oldekamp 04.12.2019, 09:16

Schönebeck l „Ich möchte als Grundschullehrer arbeiten. Deshalb habe ich mich ja auch für dieses Studium entschieden“, sagt Mohammad Mamoon Shiban bestimmt. Doch arbeiten darf er in seinem Traumjob in Deutschland nicht. Sein syrischer Studienabschluss, mit dem er in seiner Heimat als Grundschullehrer arbeiten dürfte, wurde in Deutschland zwar anerkannt, reicht aber lange nicht aus, um auch hier Kinder unterrichten zu dürfen.

Als Flüchtling kam der 29-Jährige im Oktober 2015 zusammen mit einem seiner Brüder nach Deutschland. Mit ihren Reisepässen und nur einem Rucksack bepackt, flohen die beiden Männer aus ihrer Heimatstadt Qamischli im Nordosten Syriens zunächst über die syrischen Städte Aleppo und Idlib in die Türkei nach Antakya. Von dort aus ging es mit dem Bus in den Westen der Türkei und schließlich per Schlauchboot zu einer kleinen griechischen Insel. „Es war ruhig, also sind wir losgefahren“, erinnert sich Mohammad Shiban an den Tag der Abfahrt. Kurz vor Ankunft auf der kleinen Insel Nera – es war bereits dunkel – kollidierte das Schlauchboot mit einem Felsen.

Die Brüder mussten an Land schwimmen, wärmten sich an einem Feuer. Von der Insel Nera aus, brachte sie ein Schiff auf die Urlaubsinsel Samos und von dort aus nach Athen. Über Land teils zu Fuß, teils mit dem Bus und per Zug erreichten die beiden Männer schließlich München. Wie viele andere Flüchtlinge auch, wurden die Brüder von dort aus verteilt. Am 26. Oktober 2015 kamen sie in der Zentrale Anlaufstelle für Asylbewerber (Zast) in Halberstadt an und stellten ihren Asylantrag.

Erst nach der Anhörung im Mai 2016 durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stand fest: Die Brüder dürfen bleiben, die Zast verlassen. Zunächst lebten sie gemeinsam in Aschersleben, dann in Bernburg und kamen vor drei Jahren letztlich nach Schönebeck.

„Mein Bruder hat dann Arbeit bei Osnabrück gefunden“, erzählt Mohammad Shiban. Deshalb habe er Schönebeck verlassen. Mohammad Shiban aber blieb – und hat seither schon einiges getan, um den Weg zu ebnen, in Zukunft wieder als Grundschullehrer arbeiten zu können.

Seine Unterlagen darunter der Studienabschluss seines Grundschullehramtstudiums in Syrien und sein Abiturzeugnis hatte sich der 29-Jährige von einem anderen Bruder aus Syrien per Post nach Deutschland schicken lassen. Sonst wären die wichtigen Dokumente vermutlich im Meer zerstört worden.

Notariell beglaubigt sind die Unterlagen. Doch der syrische Studienabschluss reicht nicht aus, damit Mohammad Shiban auch in Deutschland als Grundschullehrer arbeiten kann. Grund dafür: Das in Syrien abgeschlossene Grundschullehramtsstudium entspricht in Deutschland nur einem Bachelorabschluss. Um in Deutschland aber unterrichten zu dürfen, reicht der Bachelorabschluss nicht.

„Das Lehramtsstudium für Grundschulen umfasst eine Regelstudienzeit von acht Semestern und schließt mit dem Staatsexamen ab. Es schließt sich ein Vorbereitungsdienst von 16 Monaten an“, erklärt Robin Baake, Sprecher des Ministeriums für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung. In Sachsen-Anhalt kann Grundschullehramt ausschließlich an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg studiert werden.

Doch zwanghaft in Sachsen-Anhalt beziehungsweise in Schönebeck bleiben will Mohammad Shiban gar nicht. Er fühle sich zwar wohl in Schönebeck – hat eine eigene Zwei-Zimmer-Wohnung – doch sei es ihm wichtiger, wieder in dem Beruf zu arbeiten, den er studierte hat: als Grundschullehrer, egal wo in Deutschland.

Grundsätzlich gilt: Die Universität oder Hochschule, an der Mohammad Shiban sein Studium ergänzen wollen würde, „müsste prüfen, welche Studienleistungen anerkannt werden können und was der Flüchtling noch studieren müsste, um sich zum Staatsexamen anmelden zu kön- nen“, sagt Wissenschaftsminsteriumssprecher Robin Baake.

Und auch das sprachliche Niveau muss passen. „Dabei ist zu bedenken, dass alle Grundschullehrkräfte Deutsch und Mathematik zu studieren haben, ergänzt durch ein drittes Fach“, sagt Robin Baake. Auf dem Papier ist die deutsche Sprache für Mohammad Shiban eigentlich kein Problem. Seit seiner Ankunft bemüht er sich, Rechtschreibung, Grammatik und Vokabeln zu lernen. Erst kürzlich hat er die Prüfung über das Sprachniveau C1 abgelegt. Die nächst höhere Stufe wäre C2, was Muttersprachniveau entspricht.

Doch findet der 29-Jährige selbst, dass er noch besser werden muss. Dafür greift er täglich zu Zeitungen, liest die Artikel und streicht alles, was er nicht versteht an, um die Worte dann mit dem Handy ins arabische zu übersetzen. „Ich versuche so ein höheres Niveau zu lernen“, sagt Mohhammad Shiban. Zudem versucht er, gelesene Sätze auch zu nutzen. „Leider spreche ich aber zu wenig Deutsch. Die Kontakte fehlen“, sagt er selbstkritisch. Viel gesprochen habe er während eines Praktikums an der Grundschule „Am Lerchenfeld“ in Schönebeck. Warum er dieses Praktikum gemacht hat? „Ich mag die Arbeit mit Kindern. Deshalb bin ich Grundschullehrer geworden. Das ist mein Beruf, und den möchte ich irgendwann auch in Deutschland ausüben“, sagt er.

Jetzt muss es allerdings noch mit dem Studienplatz klappen, um die fehlenden Inhalte nachzuholen, die ihm bei seinem syrischen Hochschulabschluss für den Job als Grundschullehrer in Deutschland noch fehlen. „Ich werde zum Studium ziehen“, sagt Mohammad Shiban „ganz egal wo das ist.“