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Heimaträtsel Letzter "Flug" nach Dessau

Das Foto mit einer Interflug-Maschine zeigte die Volksstimme beim Heimaträtsel. Sie stand einst auf einer Wiese bei Frohse.

Von Olaf Koch 28.12.2017, 19:30

Schönebeck-Frohse l Zumindest jene Volksstimme-Leser, die schon seit knapp 20 Jahren in der Region leben oder arbeiten, konnten sich an die Szene auf dem Foto des Heimaträtsels erinnern. In der vorigen Woche veröffentlichten wir das Foto einer alten Interflug-Maschine, die auf einer Wiese stand: Richtig, im Hintergrund waren die Kirchturm von Frohse zu sehen. An der früheren Brücke stand dort das Flugzeug. Das haben alle Leser richtig erkennt.

Viele wussten auch eine Geschichte dazu zu erzählen. Am aufschlussreichsten war in diesem Fall das Internet. Weil nämlich die Kennung des Flugzeuges „DM-SAF“ deutlich am Rumpf zu erkennen war, kann die Geschichte er Interflug-Propellermaschine auf einer Homepage der ehemaligen DDR-Fluglinie rekonstruiert werden.

Dieses Flugzeug IL-14P mit der Werksnummer 14803016 wurde am 10. Dezember 1957 an die Deutsche Lufthansa (Ost)/Interflug ausgeliefert. Sie war demnach die Nummer 16 in der Produktionslinie der Flugzeugwerke Dresden, worauf auch die letzte Zahl in der Werksnummer hinweist.

Auf der Homepage www. interflug.biz erzählt Flugkapitän Horst Materna einige persönliche Erinnerungen zur Geschichte der DM-SAF: „Meinen ersten Flug mit dieser Maschine absolvierte ich als Copilot bei Kapitän Günter Bliedtner am 20. August 1958 im Charter nach Budapest. Die Flugzeit betrug insgesamt 4 Stunden und 54 Minuten und die Flugstrecke 1606 Kilometer.“

Weiter ist dort zu lesen, dass im Jahr 1963 die Umlackierung des Flugzeugs in die rote-weiße Bemalung der Interflug erfolgte. Pilot Materna berichtet weiter: „Mein letzter Flug auf der DM-SAF fand am 2. August 1966 auf dem Inlandturnus SXF-DRS-ERF-SXF-ERF-SXF (Schönefeld-Dresden-Erfurt-Schönefeld-Erfurt-Schönefeld – d. Red.) mit 3 Stunden 48 Minuten und 1592 Kilometern statt. Mit mir saß Erich Metzger am Steuer.“

Ein gutes Jahr später entschied sich das Schicksal des Flugzeugs. Im Herbst 1967, am 17. November, war die DM-SAF zur Ausbildung von jungen Piloten von Schönefeld nach Leipzig-Mockau unterwegs. Fluglehrer war demnach „Stachel“ Dorn. Der spätere Flugkapitän Gerd Sprieß, damals Elève am Steuer der IL-14, berichtet folgendes über das Ereignis: „Während der Ausbildung hatte ich bei einer Landung auf dem Flughafen Barth relativ spät aufgesetzt und mir damit die Kritik von Dorn zugezogen. Er kündigte an, mir beim nächsten Flug zu zeigen, wie man unmittelbar nach der Schwelle aufsetzt.“

An Bord der Maschine waren Fluglehrer Herbert Dorn, der Bordmechaniker Erwin Schulz und die gesamte Ausbildungsgruppe mit Gerhard Müller, Lothar Reymann, Rainer Lörche, Kurt Becker, Peter Jeremias und Wolfgang Hertwig. Sie waren mit der DM-SAF im Anflug auf Leipzig-Mockau, Landerichtung zwei fünf. „Ich saß auf dem rechten Sitz, die Triebwerksleistung war auf die Anfluggeschwindigkeit eingeregelt, und keiner durfte ohne Weisung des Fluglehrers etwas daran ändern.

Etwa 50 Meter vor der Schwelle wurde der Flugzustand ‚weich‘, und die Maschine setzte kurz auf der Autobahn auf. Nach einem gewaltigen Satz landeten wir ziemlich hart am Beginn der Landebahn. Diese ‚zweite‘ Landung erfolgte um 13.19 Uhr, es war gleichzeitig die letzte Landung der DM-SAF“, schreibt Flugkapitän Horst Materna.

Ein Tragflächenmittelstück wies unten deutlich sichtbare Falten auf. Der Flugtag der Piloten und der Schüler endete an Bord eines Zuges der Deutschen Reichsbahn, der alle recht bedrückt nach Schönefeld zurück brachte.

Techniker der Interflug demontierten Triebwerke, Tragflächen und das Seitenleitwerk und transportierten die Maschine auf der Straße nach Halle. Dieser Transport gestaltete sich als äußerst problematisch, wie der Interflug-Werftleiter Ernst Hildebrandt in seinem Bericht vom 1. April 1969 mitteilt. Dort heißt es unter anderem: „Der Rumpf wurde unter großen Anstrengungen vom Flughafen auf die Autobahn und dort bis zur Abfahrt Halle transportiert.

In der Nacht vom 14. zum 15. März erfolgte der Weitertransport in Richtung Halle. Durch die Spurweite des Fahrwerks von 8,60 Meter und der Straßenbreite von 7,50 Meter ging das nur sehr schleppend voran, um ein Abrutschen des Flugzeugs von der Böschung zu verhindern. Auf der Zubringerstraße entstanden durch Bäume, Lichtmasten und Baustellen weitere Schwierigkeiten. Gegen 5 Uhr morgens wurde der Weitertransport durch die Verkehrspolizei gestoppt. Nach erneuten Vermessungen und zähen Verhandlungen konnte am 16. März gegen 13 Uhr der Transport fortgesetzt werden.“

Mitte der 1980er Jahre erfolgte eine Neulackierung der Maschine, die jedoch schon wenige Jahre später erheblich gelitten hatte. Vandalen beschädigten das Flugzeug derartig, dass man die Verschrottung in Betracht zog.

Doch dann verschenkte die Stadt Halle das arg ramponierte und zur öffentlichen Toilette mutierte technische Denkmal an einen älteren Herrn, der es am 18. Oktober 1991 demontieren und auf sein Grundstück nach Pulspforde (bei Zerbst) bringen ließ. Allerdings erfüllte sich seine Hoffnung, die IL-14 als Café gewinnbringend zu nutzen, nicht. Jahrelang stand sie in einer Pferdekoppel, bevor im Jahr 1998 ein Schönebecker Schrotthändler zum Zuge kam und die IL-14 in der Elbestadt als Werbeträger stand.

Uwe Teichmann, Mitglied im Verein des Dessauer Technikmuseums, rettet ein Jahr nachdem das Volksstimme-Schwarz-Weiß-Foto entstand, mit anderen die verwahrloste Maschine. Abgebrochene Propeller, zertrümmerte Fenster, die Lackierung kaum noch wahrnehmbar – ein scheinbar hoffnungsloser Fall.

Die Dessauer holten also die IL-14 ins Junkers-Museum und restaurierten sie in jahrelanger Kleinarbeit in weiß-blau-silberner Lufthansa-Bemalung. Seitdem steht sie dort auf der Freifläche. Jeder Besucher kann sie sich anschauen, auch Klassen können darin Unterricht machen.

Die Antwort wussten folgende Volksstimme-Leser: Burkhard Schröder, Oliver Uhlmann, Marion Wille, Sabine Adler, Manfred Kriesel, Siegfried Kliematz, Roland Wenzel, Christine Moy, Christel Altwasser, Hubert Buhle und Jürgen Krebs. Ergänzend schreibt noch Rolf Finger aus Berlin: „Ich selbst arbeitete bei Interflug und kannte auch einen Teil der Besatzungen. Einige der Piloten flogen in späteren Jahren Langstrecken nach Kuba, Japan, China in die Mongolei und Afrika.“

Gewonnen hat in dieser Woche Roland Wenzel aus Schönebeck. Er kann sich täglich in der Zeit von 9 bis 17 Uhr einen kleinen Preis in der Volksstimme-Redaktion abholen. Quellen und weitere Informationen im Internet: www.technikmuseum-dessau.de sowie www.interflug.biz/dm-saf.htm