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Hochwasserschutz Jahrhundertdeich nach Jahrhundertflut

Pretzien wird sicherer. Der Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft führt südlich des Dorfes einen Deichlückenschluss durch.

Von Olaf Koch 25.07.2019, 03:03

Pretzien l Solche Tiefenentspanntheit haben Ronald Günther und Ulf Reimherr auch lange nicht erlebt. Der Flussbereichsleiter des Landesbetriebes für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW) und der Projektverantwortliche für den Deichlückenschluss im Raum Schönebeck brechen eine Lanze für die Anwohner in Pretzien. Sie lassen die Deichbauer nicht nur bereitwillig für die Arbeiten auf ihre Privatgrundstücke, sondern ertragen seit Monaten noch Lärm, Staub und Unruhe vor ihren Fenstern mit dem ansonsten beschaulichen Ausblick.

Was in Pretzien derzeit verbaut wird, ist nicht unbedingt ein kleines Projekt. Planungs- und Baukosten für das eine Teilobjekt zwischen der Dr.-Martin-Luther-Straße bis hinter die Straße am Park belaufen sich zusammen auf rund 2,76 Millionen Euro. Dafür wird die südwestliche Flanke des Dorfes vor Hochwasser sicher gemacht. Die Arbeiten des LHW begannen Anfang dieses Jahres und sollen bis Mai 2020 abgeschlossen sein.

Nach dem Jahrhunderthochwasser von Saale und Elbe im Jahr 2013 entstanden an den Ufern der Flüsse und Kanäle des Flussbereiches Schönebeck zahlreiche Schäden. Diese werden nun nach und nach ertüchtigt. So fand fast auf den Tag genau vor vier Jahren im Schönebecker Rathaus eine Informationsveranstaltung des LHW statt. Der Projektverantwortlicher für den Deichlückenschluss im Raum Schönebeck, Plötzky, Pretzien, Gerwisch, Lostau und Nienburg, Ulf Reimherr, stellte die ehrgeizigen Maßnahmen vor. Mehr als 17 Millionen Euro wurden damals für alle Vorhaben veranschlagt.

„Wir bauen für die Zukunft“, fasst der Schönebecker Flussbereichsleiter zusammen. Das bedeutet, dass der Pegel des sogenannten Bemessungshochwassers Standard für alle neu zu errichtenden Bauwerke sein wird. Dabei wird der Höchstpegelstand des Flusses von 2013 angenommen zuzüglich 100 Zentimeter. Im Grunde, da sind sich alle Experten einig, sollte das reichen. Aber das wurde vor dem Jahr 2013 auch angenommen ...

Bei einem Rundgang auf der Baustelle stellen Ronald Günther und Ulf Reimherr die Arbeiten der einzelnen Abschnitte vor.

Dieser Bauabschnitt beginnt auf einem Privatgrundstück. Auf rund 80 Meter wird eine Schutzwand errichtet. „Sehr aufwendig ist dafür das Fundament“, berichtet Ronald Günther. Die Bohrpfähle reichen zwischen drei und sieben Meter in die Tiefe. Darauf kommt eine Winkelstützwand, die teilweise im Erdreich mit eingebaut ist. Die Oberkante der Wand wird – je nach Gelände-Neigung – bei zwischen 0,55 bis 2,75 Meter liegen.

Der rund 320 Meter lange Deich, der sich wie ein Boomerang an das Dorf anschmiegt, ist das imposanteste Bauwerk, was derzeit in Pretzien entsteht. Schon jetzt sind die Dimensionen deutlich zu erkennen. „Unterhalb auf dem Deich zum Dorf hin wird ein Verteidigungsweg angelegt, oben auf der Krone der Kontrollweg“, so der Flussbereichsleiter. Der Deichverteidigungsweg dient im Notfall dafür, dass Sandsäcke oder anderes Material entlang des Bollwerkes transportiert werden können. Ronald Günther macht deutlich, dass beide Wege nach Abschluss der Arbeiten von Fußgängern und Radfahrern genutzt werden können. „Es bleiben aber rechtlich Deichwege, es wird kein Radweg“, betont er.

Von der Martin-Luther-Straße aus führte in der Vergangenheit ein Wirtschaftsweg ins Umflutgelände. Dieser Weg ist auch jetzt wieder mit eingeplant, führt aber logischerweise über den Deich.

Von der Kreisstraße wird in einem Winkel bis hin zu den Wohnhäusern ebenfalls eine Schutzwand errichtet. Sie führt wie schon in der Lutherstraße teilweise über Privatland. Auch an dieser Stelle mussten zahlreiche Bohrpfähle in die Erde gebracht werden, um der Mauer Halt zu geben.

Die Zahlen, die Projektleiter Ulf Reimherr zu den Schutzwänden nennt, sind imposant. Allein das Gewicht für die Bewehrung der Körbe und des Stahlbeton summieren sich auf satte 180 Tonnen.

Etwas kniffliger wird es an der Kreisstraße werden – nicht wegen der Bautechnik, sondern wegen des Zeitplanes. „Wir blicken deswegen immer nach Ranies“, so Günther. Der Grund: Um die Durchfahrt auf der Kreisstraße zu erneuern, muss die Straße voll gesperrt werden. Das geht aber erst, wenn die derzeit stattfindenden Straßenbauarbeiten in Ranies soweit fortgeschritten sind, dass der Verkehr dort wieder rollen kann. Würde der LHW die Kreisstraße in Pretzien ebenfalls sperren, gäbe es keine Zufahrt nach Ranies.

Sobald gebaut werden kann, wird rechts und links der Kreisstraße eine Flügelmauer etwa nach derzeitiger Bauart errichtet. Die Durchfahrt kommt an die gleiche Stelle wie die alte mit einem sogenannten Dammbalkenverschluss (mobile Schutzelemente).

Wie schon eingangs erwähnt, findet auch hier der Pegel für das Bemessungshochwasser Anwendung. Ulf Reimherr erklärt: „Die Durchfahrt wird im Notfall mit 2,30 Meter rund einen Meter höher als die alte Anlage sein.“ Die mobile Schutzwand wird vom LHW bereitgestellt und anschließend der Stadt Schönebeck zur Anwendung im Hochwasserfall übergeben.