Weil die Lokomobilen-Besatzung blitzeblau war, fand sie die mächtigen Maschinen im Feld nicht Illegal abgezapfter Schnaps sorgt für Orientierungslosigkeit der Besatzung
Was haben eine Schnapsbrennerei mit zwei nicht mehr auffindbaren Lokomobilen zu tun? Um das zu erklären sei ein Abstecher in die Geschichte erlaubt. Nur soviel: In Barby wurde vor 50 Jahren noch Schnaps gebrannt.
Barby l Bis Mitte der 60er Jahre existierte in Barby eine Schnapsbrennerei. Sie war dort, wo sich heute der ehemalige Bauhof der Stadtverwaltung befindet, am Fuße des Wasserturms. Die Brennerei wurde zu Zeiten des Rittergutes gegründet und nach seiner Enteignung in Volksgutregie weiterbetrieben.
Einstellung der Produktion wegen fehlender Auslastung
Es wurden jährlich 1500 Hektoliter 86- bis 92-prozentiger Alkohol aus Weizen, Roggen und Reis gebrannt. Die Brennerei machte ihre Pforten dich, weil die Produktion laut Staatsauflage auf 750 Hektoliter gesenkt werden musste. Das war für das Volkseigene Gut (VEG) zu unrentabel. Es hätte eine Kapazität von 3000 Hektolitern erreichen können.
Da das Produkt ein allzeit begehrtes war (und ist), hatte der Zoll sorgfältig alle Leitungen verplombt. Schließlich sollte der Stoff, aus dem bei Manchem die Träume sind, nicht in Kehlen fließen, ohne dass Vater Staat kräftig seine Steuern draufsetzte. Der Abtransport der 400-Literfässer wurde vom Zoll also jedes mal aufmerksam überwacht. Den Brennereikollegen kam beim Verladen der zentnerschweren Fässer oft die dreiköpfige Dampfpflugbesatzung zu Hilfe.
Wie sich alte VEG-Leute noch heute erinnern, gelang es den Dampfpflugleuten jedes mal, mindestens 20 Liter Sprit für sich abzuzapfen. Man muss dazu wissen, dass der Trupp ein eingeschworenes Team war und alles andere, als Kinder von Traurigkeit ...
Doch nun sei endlich erklärt, in welcher Verbindung riesige Lokomobilen und eine Milchkanne Barbyer VEG-Schnapses standen.
Eines Herbstmorgens fuhr Volksgutchef Horst Cierpka mit dem Pkw in Richtung Calbe. Unweit der Straße, in der Gemarkung Vogelshorn, sah er die beiden Lokomobilen stehen. Mit den gewaltigen Dampfmaschinen sollte der Acker gepflügt werden.
An dieser Stelle eine kurze Erläuterung für jüngere Leser: Lokomobilen standen sich an den Rändern eines Feldes gegenüber. Auf dem dazwischenliegenden Ackerstück wurde der Pflug an Stahlseilen hin und her gezogen und so der Acker gepflügt.
Einer Dampflok gleich musste die Maschine zwei Stunden vorher angeheizt werden, um den Betriebsdruck zu erreichen. Doch als der Chef eines montagmorgens in Richtung Calbe fuhr, wunderte er sich. Eigentlich hätten die Pflüge schon lange arbeiten müssen.
Aber noch nicht mal die Schornsteine qualmten.
Kleine Brigadefeier mit illegalem Schnaps
Der Grund: Die Dampfpflugbesatzung hatte am Vortag eine kleine Brigadefeier gemacht. Die Männer "naschten" aus jener Milchkanne, deren hochprozentiger Inhalt beim Abfüllen "abgezweigt" wurde. Was am anderen Morgen eine gewisse Orientierungslosigkeit des "Anheizers" zur Folge hatte. Der fand die Riesendinger einfach nicht.
Zwar war der Roggenschnapsgezeichnete wohl zur rechten Stunde in die morgendliche Feldmark geschaukelt. Er suchte jedoch in der falschen Richtung und an der falschen Stelle. Die Lokomobilen standen Tage zuvor in Hinterwülpke (Eschen, gegenüber von Klein Rosenburg). Der Prozess des kilometerweiten Umsetzens der Maschinen war dem Lokomobilisten entfallen.
Was mal wieder beweist, dass so manche graue Zelle vom Alkohol einen Defekt davon trägt. Ob er besteuert wird oder nicht ...