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Kommunalpolitik Stasi-Spitzel im Schönebecker Stadtrat?

Die CDU-Fraktion in Schönebeck will die Aufarbeitung von DDR-Unrecht vorantreiben. Die AfD fordert den Rücktritt eines Stadtrates.

Von Jan Iven 12.11.2019, 23:17

Schönebeck l Der parteilose Schönebecker Stadtrat Mark Kowolik kann es nicht mehr hören. „Haben wir 30 Jahre nach dem Ende der DDR keine anderen Probleme, als uns mit der Stasi zu beschäftigen?“ fragte er bei Stadtratssitzung Anfang November.

Hintergrund ist der Vorstoß der Schönebecker CDU, nach den Kommunalwahlen vom vergangenen Mai erneut alle Stadträte von der Stasi-Unterlagenbehörde auf eine IM-Tätigkeit überprüfen zu lassen.

Der Schönebecker Christdemokraten liegt die Aufarbeitung des DDR-Unrechtes „am Herzen“, wie der CDU-Stadtrat Markus Baudisch in der Vergangenheit mehrfach betont hatte. Deshalb wollte er einen entsprechenden Antrag seiner Partei im Stadtrat auch nicht erneut begründen, wie Markus Baudisch bei der Sitzung sagte.

Das Reden übernahmen daher andere. „Eine Stasi-Überprüfung ist reine Zeit- und Geldverschwendung“, sagte Mark Kowolik. „Und das sage ich als jemand, der als Jugendlicher selbst von der Stasi verhört wurde.“ Allerdings sei er zu DDR-Zeiten auch nur leicht betroffen gewesen. „Ich möchte mich auf keinen Fall mit Opfern vergleichen, die im Gefängnis waren oder die von einem Berufsverbot betroffen waren“, sagte Mark Kowolik der Volksstimme nach der Stadtratssitzung.

Was war geschehen? 1985 wollte Mark Kowolik als 15-Jähriger einen Kranz bei der Beerdigungen eines guten Schulfreundes tragen. Der Junge war auf der Magdeburger Straße von einem sowjetischen Soldaten überfahren worden. „Die Stasi hat mich verhört und mir gedroht, dass ich kein Abitur machen kann, wenn ich das mache“, erzählt Kowolik. Sein Vater hatte sich daraufhin massiv über die Behandlung seines minderjährigen Sohnes beschwert. „Das hat selbst gegen DDR-Recht verstoßen“, sagte Mark Kowolik. Den Kranz konnte er schließlich doch noch tragen.

Mark Kowolik erinnerte nach der Sitzung des Stadtrates daran, dass auch der CDU-Kanzler Konrad Adenauer bereits 1949 gefordert hatte, dass endlich Schluss sein müsse mit der „Nazi-Schnüffelei“. Und: „Es macht einfach keinen Sinn mehr, Stadträte zu überprüfen, die schon zig Mal überprüft wurden oder damals noch gar nicht geboren waren“, sagte Mark Kowolik.

Ähnlich sieht man das erwartungsgemäß auch bei den Schönebecker Linken. „Wir lehnen eine Überprüfung ebenfalls ab, allerdings aus anderen Gründen“, sagte Linken-Fraktionsvorsitzende Sabine Dirlich. So sei es in der Partei bereits seit Jahren üblich, dass Kandidaten ihre eigenen früheren Kontakte zur Staatssicherheit offen legen müssen, wenn sie sich für ein Mandat oder ein Amt bewerben. „Die Ergebnisse einer offiziellen Überprüfung liegen auch erst am Ende einer Legislaturperiode vor. Das ist doch scheinheilig“, sagte Sabine Dirlich.

Nach Informationen der Volksstimme wurden die Ergebnisse der letzten Überprüfung erst Anfang diesen Jahres in einer nicht-öffentlichen Sitzung von den Stadträten ausgewertet. Die Überprüfung war nach der Wahl vor vier Jahren beantragt worden. Es sollen keine Hinweise auf eine IM-Tätigkeit bei den Mitgliedern des vorherigen Schönebecker Stadtrates vorliegen.

Das könnte sich bei einer erneuten Überprüfung der neuen Stadträte allerdings ändern. Denn der Immunitätsausschuss des Bundestages war bereits vor 13 Jahren zu dem Ergebnis gekommen, dass der damalige Bundestagsabgeordnete Roland Claus (Linke) für die Staatssicherheit gearbeitet haben soll. Roland Claus wurde im Mai in den Schönebecker Stadtrat gewählt. Die Vorwürfe hatte er immer bestritten und betont, dass es keine Unterlagen darüber gebe, die seine Anwerbung als Inoffiziellen Mitarbeiter (IM) dokumentieren. Die Anschuldigungen seien aber schon seit damals bekannt gewesen und hätten seiner Karriere als Bundestagsabgeordneter nicht geschadet, sagte Roland Claus.

Die Schönebecker AfD-Fraktion hatte bereits im September in einen Antrag im Hauptausschuss gefordert, dass der Stadtrat den Rücktritt von Roland Claus beschließen soll. Oberbürgermeister Bert Knoblauch (CDU) hatte jedoch gleich angekündigt, den Antrag zurückzuweisen. „Der Stadtrat kann den Rücktritt eines seiner Mitglieder gar nicht beschließen“, sagte das Stadtoberhaupt von Schönebeck. Jeder Politiker könne nur seinen eigenen Rücktritt beschließen. Der AfD-Antrag war daher auch von den übrigen Stadträten abgelehnt worden.

Der Antrag der CDU für eine Überprüfung der Stadtratsmitglieder auf eine mögliche IM-Tätigkeit wurde hingegen mehrheitlich angenommen. So stimmten 22 Stadträte für eine Überprüfung und 13 dagegen bei einer Enthaltung.