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Landwirtschaft Wenn sich kein Deutscher findet

Unternehmensvertreter der Agrar- und Forstwirtschaft informierten sich in Bernburg über die Möglichkeit, Flüchtlinge einzustellen.

Von Ulrich Meinhard 27.02.2016, 00:01

Schönebeck/Staßfurt l Angesichts des großen Zustroms von Asylsuchenden ist derzeit viel davon die Rede, diese Menschen zu integrieren. Ein probates Mittel wäre eine sozialversicherungspflichtige Arbeit. Und warum nicht in der Landwirtschaft? Ist das denkbar, machbar? Welche Voraussetzungen müssen von Seiten der Arbeitgeber erfüllt werden? Um diese und andere Fragen ging es jetzt während einer Informationsveranstaltung in den Räumen der Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau in Bernburg. Dazu eingeladen hatte das Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt.

„Wir wollen die Menschen, die zu uns kommen, nicht nur in den Städten ansiedeln, sondern gerade auch im ländlichen Raum“, gibt Staatssekretärin Anne-Marie Keding die Richtung vor. Politische Vorgaben solle es aber nicht geben, es müsse jeweils eine individuelle Prüfung erfolgen, führt sie weiter aus.

„Wir haben uns bereits mit dem Thema beschäftigt", versichert Helgard Wiegand. Die Rechtsanwältin vertritt den Arbeitgeberverband. Sie betont: „Wir sehen dringend den Bedarf, dass Asylverfahren beschleunigt werden. Das generelle Beschäftigungsverbot in den ersten drei Monaten sollten wir abschaffen.“ Um Flüchtlinge in Arbeit zu bringen, müsste zuerst einmal ihre Kompetenz festgestellt werden. Bei Asylbewerbern und geduldeten Personen sei vom Arbeitgeber grundsätzlich eine Beschäftigung bei der Ausländerbehörde anzuzeigen, außerdem müsse die zuständige Arbeitsagentur zustimmen. Es gelte laut Gesetz auch eine Vorrangprüfung. Heißt: Wenn die Stelle mit einem Einheimischen oder einem anderen EU-Bürger besetzt werden kann, sind diese Personen vorzuziehen. Diese Vorrangprüfung falle weg, wenn sich Flüchtlinge bereits über 15 Monate in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Bei Flüchtlingen, die schon 48 Monate oder länger in Deutschland leben, müsse eine Beschäftigung bei der Ausländerbehörde nur noch angezeigt werden. Auch bei Praktika müsse die Ausländerbehörde informiert werden.

Zur Integration der Flüchtlinge bestehe auch die Möglichkeit einer Hospitation. Hier darf der Betreffende tatsächlich nur zuschauen, mitlaufen, beobachten. Eine Hospitation könne sofort erfolgen. „Das ist im Einzelfall sicher sinnvoll, um erst einmal ein Feeling füreinander zu bekommen“, meint Helgard Wiegand. Zu guter Letzt die Lehre: Eine Ausbildung von Flüchtlingen muss bei der Ausländerbehörde angezeigt werden, die Arbeitsagentur muss nicht zustimmen.

Was nun Menschen aus sogenannten sicheren Drittstaaten betrifft (etwa Länder des Westbalkans), können sie seit Januar zu vereinfachten Bedingungen in Deutschland einer Arbeit nachgehen. „Sie brauchen allerdings eine Aufenthaltserlaubnis, die sie in der deutschen Botschaft ihrer Herkunftsländer beantragen müssen“, so die Rechtsanwältin. Die Aufnahme einer Ausbildung oder Arbeit schütze aber nicht vor einer Abschiebung.

Zu den Aufgaben von Stefanie Deutschbein bei der Arbeitsagentur in Bernburg gehört es, für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt zu sorgen. Zudem ist sie die Ausländerbeauftragte. Die Agentur für Arbeit, stellt sie klar, ist zuständig für Personen, deren Aufenthaltsgenehmigung noch läuft. Stellen die Behörden eine Aufenthaltserlaubnis aus, ist wiederum das Jobcenter zuständig. Registriert seien aktuell knapp 2000 Personen, deren Antrag auf Asyl beziehungsweise Aufenthalt noch in der Schwebe ist.

Stefanie Deutschbein schätzt „Pi mal Daumen“, dass zehn Prozent der Flüchtlinge relativ leicht auf dem Arbeitsmarkt eingesetzt werden können. Hinsichtlich der Beschleunigung der Verfahren erklärt sie, dass ab März dank einer Personalaufstockung in der Zentralen Aufnahmestelle Halberstadt schon nach vier Tagen entschieden werden soll, ob ein Flüchtling eine Aufenthaltserlaubnis bekommt oder nicht.

Die Agentur-Mitarbeiterin geht davon aus, dass kein Arbeitgeber, „der bei Sinn und Verstand ist“, einen Ausländer einstellen würde, wenn er nicht vorher gründlich geprüft hat, ob die Stelle mit einem Deutschen zu besetzen ist. Weil: „Ein ausländischer Arbeitnehmer wird auf jeden Fall Arbeit machen.“ Das habe zwangsläufig auch die Agentur für Arbeit feststellen müssen und deshalb zwei Sprachmittler eingestellt.

Der Einsatz von Flüchtlingen in der hiesigen Landwirtschaft sei denkbar, allerdings stelle sich die Frage, wie die jeweilige Person bei dem in der Branche frühen Arbeitsbeginn zur Arbeitsstelle komme. Mit dem ÖPNV sicherlich nicht.

Petra Czuratis, zuständige Fachbereichsleiterin im Salzlandkreis, sagt an die Vertreter der Unternehmen gewandt: „Wir haben auch im ländlichen Raum Flüchtlingsfamilien untergebracht, über die wir mit Ihnen ins Gespräch kommen können, sofern Sie Interesse an Ihnen als Arbeitnehmer haben.“

Die Referatsleiterin im Agrarministerium, Waltraud Schiemenz, bilanziert zum Abschluss, dass zum Thema ein erster Schritt gegangen sei.