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Volkssolidarität Mohammed macht große Augen

Bei einem gemeinsamen Kaffeetrinken hat die Volkssolidarität in Calbe bedürftigen Kindern mit Geschenken ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert.

Von Andreas Pinkert 14.12.2016, 00:01

Calbe l „Lasset uns nicht lieben mit Worten, sondern mit der Tat und der Wahrheit.“ So steht es in der Bibel. Diese Stelle aus dem ersten Johannisbrief fällt zwangsläufig demjenigen ein, der Ute Storch und den kleinen Mohammed kennenlernt. Der Einjährige mit den großen braunen Augen lässt die Calbenserin am Montagnachmittag in der Begegnungsstätte „Lebensfreude“ nicht aus dem Blick. Und das, obwohl viele andere Kinder mit ihren Eltern an liebevoll gedeckten Tischen sitzen.

Besonders hat es Mohammed der große Weihnachtsbaum angetan, dessen Kugeln, Lichter und goldene Ketten glitzern. „Nein, das ist nicht mein Sohn, auch wenn es so aussieht“, stellt Ute Storch klar. Das ist schwer zu glauben, schließlich rennt Mohammed immer wieder in die Arme der Calbenserin und schmiegt sich an sie. „Wir kennen uns erst seit August dieses Jahres“, erzählt sie weiter.

Als Ute Storch an einem heißen Tag mit ihrem Hund im Calbenser Naherholungsgebiet „Grüne Lunge“ unterwegs ist, begegnet sie der Familie Assami, die erst seit wenigen Tagen in der Neuen Wohnstadt eine Wohnung zugewiesen bekam. Vater und Mutter haben sich mit den Töchtern Athena und Assena sowie dem kleinen Mohammed aus Afghanistan auf den Weg nach Deutschland gemacht. Nun wollen sie ihre Umgebung kennenlernen. Über den Hund kommen sich Ute Storch und die Familie schließlich näher. „Vor allem bei Mohammed war es Liebe auf den ersten Blick“, sagt Ute Storch. „Das ist etwas ganz Besonderes“. Seitdem unterstützt die Calbenserin die Familie im Alltag. Schon nach zwei Wochen vertrauen ihr die Eltern die drei Kinder zur Übernachtung an, damit sie sich mit Öffentlichen Verkehrsmitteln auf den Weg nach Halberstadt zur Anhörung über Flucht- und Vertreibungsgründe begeben können. „Ein großer Vertrauensbeweis“, meint Ute Storch, die den Kindern beispielsweise vorsichtig das Prinzip einer Badewanne erklärt. Kommuniziert werde mit Händen und Füßen und einem Übersetzungsprogramm auf dem Smartphone. „Das funktioniert ganz gut, doch es gab bislang noch keine einzige Deutschstunde für die Familie“, sagt Ute Storch. Hier herrsche dringender Handlungsbedarf, sagt die Calbenserin, eine von insgesamt vier Soziallotsen in der Saalestadt. Um die große Politik mit Diskussionen zu Obergrenzen, Kontingenten und subsidiärem Schutz interessieren Ute Storch weniger. „Vor Ort muss Hilfe bekommen, wer Hilfe braucht“, sagt sie. Das sehen Gerda Böhm und Ramona Karlstedt, die neben ihr sitzen, genauso. Die Calbenserinnen sind dem Aufruf des Landesnetzwerkes der Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt (Lamsa) gefolgt und haben für Flüchtlingsfamilien eine Patenschaft übernommen.

Wie die anderen bedürftigen Kinder ist Mohammed begeistert, als er an diesem Nachmittag sein Päckchen vom leibhaftigen Weihnachtsmann erhält. Mit Bedacht haben es die Mitglieder der Volkssolidaritäts-Ortsgruppe für jedes einzelne Kind gepackt und dazu leckere Plätzchen für das Kaffeetrinken gebacken. „Dank unserer jährlichen Straßensammlung können wir diese Feier bereits zum achten Mal ausrichten“, sagt Belinda Biging vom Regionalverband Elbe-Saale. „64 Mädchen und Jungen waren zur Feier angemeldet, nur etwa die Hälfte ist erschienen“, ist Angela Herzog enttäuscht. Dennoch werden die übrig gebliebenen Päckchen den Weg zu den Kindern finden. Mohammed jedenfalls wird diesen Tag nicht so schnell vergessen.