Geschichte der Juden in der Elbestadt / Jüdischer Friedhof wurde 1938 von den Nazis verwüstet Mutiger Tischlermeister verhalf der Barbyer Jüdin Bertha Freudenberg zu würdiger Ruhestätte
Nur wenige Spuren erinnern heute an die Juden in Barby. Relativ unbekannt ist, dass der jüdische Friedhof am Magdeburger Tor noch existiert, allerdings ohne Grabsteine und jeglichen Hinweis.
Barby l Die heutige Postgasse hieß einst Tempelgasse. Die schmale Straße zwischen Markt und Brauhausstraße wurde von den Nazis umbenannt. Schließlich mündete die Verlängerung der Tempelgasse in die Horst-Wessel-Straße, die nach einem Aktivisten der frühen Nazibewegung genannt wurde und heute wieder Schulzenstraße heißt. Tempel und Horst Wessel - das ging nicht.
In einem Garten der Tempelgasse stand eine jüdische Synagoge, die 1900 wegen Baufälligkeit abgerissen wurde. Ein Vorgängerbau fiel dem großen Stadtbrand von 1798 zum Opfer. Ein Jahr danach wurde in der selben Straße ein "Judentempel" gebaut, wie das Bethaus im Volksmund genannt wurde. Es war ein äußerlich und innerlich schmuckloses Gebäude, in dem ein Kultusdiener die gottesdienstlichen Funktionen verrichtete.
Der erste Friedhof der jüdischen Gemeinde befand sich an der Gethsemanestraße. Danach war der Eingang zum neuen Begräbnisplatz in der Bahnhofstraße. Der Friedhof befand sich in Richtung Magdeburger Tor. Heute sind dort Gärten. Ein Zauntor erinnert seit wenigen Jahren wieder an den Begräbnisplatz.
Zur jüdischen Gemeinde zählten in den 1930er Jahren auch Gustav Freudenberg und Ehefrau Bertha. Beide litten unter den Drangsalierungen und Entwürdigungen durch die Barbyer Nationalsozialisten. Bertha starb 1937, ihr Mann wenige Tage nach der "Kristall-", besser Pogromnacht 1938. Bertha Freudenberg wurde noch auf Barbys jüdischem Friedhof beigesetzt.
Nach dem 9. November 1938 wurde die Stätte von den Nazis verwüstet, dann eingeebnet. Die Grabsteine zweckentfremdete man zur Befestigung des Ziegeleiweges.
Juden durften ja auf dem städtischen Gottesacker nicht beigesetzt werden. Ein Hinterbliebener bekam auf dem Rathaus folgende amtliche Antwort: "Der dreckige Jude kann seine Knochen auf den Misthaufen schmeißen."
Sogar die Anfertigung von Särgen war verboten
In dieser, von schlimmstem Antisemitismus geprägten Situation, sei die mutige Tat des Tischlermeisters Max Übelhör erwähnt:Er exhumierte die seit einem Jahr beerdigte Bertha Freudenberg und transportierte ihren Sarg und den ihres Mannes mit dem Pferdewagen nach Zerbst. Hier sind ihre Gräber noch heute auf dem jüdischen Friedhof zu finden. Sogar die Anfertigung von Särgen für Juden war verboten. Schon allein deswegen bewies der Tischler Courage, der in der damaligen Göringstraße (heute Liebknechtstraße) wohnte.
Kurt Freudenbergs Name steht seit 1946 ganz oben auf einem Gedenkstein am Barbyer Schloss. Sein Schicksal ist beispielhaft für das der meisten jüdischen Deutschen im "Dritten Reich", die nicht auswandern konnten oder wollten. Kurt Freudenberg machte in Zerbst sein Abitur, wurde anschließend Soldat. Danach absolvierte er eine Ausbildung zum Bankkaufmann und arbeitete in der Barbyer Stadtkasse. Am 1. April 1933 - der Tag eines von den Nazis organisierten landesweiten antijüdischen Boykotts - wurde ihm als Juden fristlos gekündigt. Ein "Kollege" in SA-Uniform warf ihn die Rathaustreppe herunter, wobei er schwer verletzt wurde. Ihm blieb anschließend nichts weiter übrig, als in der Drogerie seines arischen Schwagers Hilfsarbeiten zu übernehmen. 1941 wurde Kurt Freudenberg nach Riga deportiert und dort von der SS umgebracht.
Beim Bau des neuen Feuerwehrdepots am Magdeburger Tor entdeckte ein aufmerksamer Bürger den Teil eines Grabsteins im Beton. Es ist nicht auszuschließen, dass es sich um ein Bruchstück des alten jüdischen Friedhofs handelt, der nur wenige hundert Meter entfernt lag.
Nach den Recherchen des Pömmelter Ortschronisten Heinz Warnecke überlebten von den 14 jüdischen Bürgern der Elbestadt nur vier den Holocaust. Dazu gehörte auch Lisi Krebs (geb. Freudenberg). Weil sie einen Arier zum Ehemann hatte, ließ sich eine Deportation relativ lange - in diesem Fall bis etwa 1943 - hinziehen. Dann gelang es Lisi Krebs in Berlin unterzutauchen und eine falsche Identität anzunehmen. Ein hoher Offizier der Wehrmacht (!) verhalf ihr dazu. Seine Familie war als Evakuierte in Barby untergekommen und wohnte im Haus der Familie Krebs, die dort eine Drogerie betrieb, die sich nach der "Reichskristallnacht" ein NS-Parteigenosse unter den Nagel gerissen hatte.
Heute erinnert nichts mehr an die jüdischen Familien in Barby. Nur auf einem Gedenkstein vor dem Schloss stehen neben weiteren Opfern des Faschismus ihre Namen.