24 Stunden „Nach fest kommt ab“

24 Stunden unterwegs im Salzlandkreis - 24 Geschichten, die erzählt werden wollen.

Von Katrin A. Otrzonsek 19.08.2015, 13:45

Schönebeck l „Sie können entspannt Platz nehmen“, empfängt eine Mitarbeiterin der „Physiotherapiepraxis Eva Mariani“ den auf den Tresen zukommenden Patienten. Dieser nimmt lächelnd auf einem der fünf Stühle im Foyer Platz. Vor ihm stehen zwei kleine Tische, darauf eine Blumenvase. In greifbarer Nähe ist ein Wasserbehälter aufgestellt. Langsam führt eine Frau mit orangefarbenem T-Shirt und in schwarzen Lettern aufgedrucktem Namen einen älteren Herren zur Tür.

Die Physiotherapeutin Nicole Meinzenbach stützt den geheingeschränkten Mann. „Schritt.“ Pause. „Schritt“, wiederholt Meinzenbach in regelmäßigen Abständen. Sie begleitet ihn zu seinem Rollator vor die Praxis. „Füße hoch, Brust raus“, hört man sie noch sagen.

Aus einem der insgesamt sechs Behandlungsräume kommt eine Frau mit schwarzem Shirt und zu einem Zopf hochgesteckten Haaren mit einer Patientin zum Foyer. „Magste Donnerstag kommen? So um acht?“, fragt die Physiotherapeutin, die sich später als die Inhaberin Eva Mariani vorstellt. Die Patientin schüttelt den Kopf. „Um neun ist aber gut, ja?“, hakt Mariani mit ruhiger und verständnisvolller Stimme nach. Die Patientin nickt erfreut und verabschiedet sich. Mariani trägt den Termin in den Kalender ein und erkundigt sich nach dem nächsten Patienten.

In Raum zwei steht eine Extensionsliege bereit. Liegt ein Patient mit Wirbelsäulenschmerzen darauf, wird ihm ein breiter Gurt umgeschnallt, welcher langsam die Wirbelkörper auseinander zieht. „Durch den ausgeübten Zug und Druck verteilt sich die Bandscheibenflüssigkeit“, erläutert Mariani. Idealerweise lindert diese Behandlung den Schmerz. Meistens greifen die Physiotherapeuten jedoch zur konventionellen manuellen Therapie. „Es ist Körperarbeit“, beschreibt Mariani die sogenannte Positionierung der Patienten, wie das zielgerichtete Ziehen, Drücken und Massieren der vorgesehenen Körperstellen genannt wird.

Drei Jahre dauert die Ausbildung zur Physiotherapeutin, weitere zweieinhalb Jahre die Zusatzausbildung zur Manualtherapeuthin. Bettina Rau hat diese Aus- und Fortbildungen erfolgreich abgeschlossen. Die Schönebeckerin arbeitet seit 15 Jahren in dem Beruf. „Es ist stressig, aber schön“, fällt Rau ihr Urteil. Gerade hat sie in Raum vier eine Krankenschwester positioniert.

„Vor allem Menschen mit Berufen, bei denen voller Körpereinsatz gefragt ist, sind anfällig für Rückenbeschwerden“, erklärt Rau. Auch reine Büroarbeit sei für die Wirbel und das Becken nachteilig.

In dem 60 Quadratmeter großen Gymnastikraum wärmt sich eine Gruppe von neun Frauen unter der Anleitung von Frank Rauschenberg auf. „Auf der Stelle gehen, Arme mitnehmen, Ellebogen anlegen“, weist Rauschenberg sie an. Die Wände sind mit Spiegeln behangen, bunte Sitzbälle zieren den Saal. Die Teilnehmerinnen schnappen sich schwarze Matten, legen sich nach Anleitung Rauschenbergs auf die Seite. „Den rechten Arm anwinkeln, mit der linken Hand abstützen, Beine ausstrecken“, dirigiert er die erste Gymnastikübung. Ziel ist es, Rückenschmerzen vorzubeugen, indem man die Muskulatur stärkt. Es ist die zehnte und letzte Sitzung des Kurses. Eva Mariani betritt den Saal mit einem Tablett voller personalisierter Zertifikate und kleiner Abschiedsgeschenke, um sie an die Teilnehmerinnen zu verteilen.

Währenddessen in Raum vier: Bettina Rau mit dem nächsten Patienten. „Er hat eine Blockierung im Kreuzbein. Das passiert zum Beispiel bei übermäßiger Belastung oder ruckartigen Bewegungen“, erläutert Rau, während sie die betroffene Rückenpartie des Patienten mit Stromstößen behandelt. 20 Minuten lang wird die Behandlung andauern. „Der beschädigte Nerv wird dadurch animiert, sich zusammenzuziehen“, erklärt Bettina Rau.

Eva Mariani legt großen Wert darauf, dass die Patienten verstehen, wie die Behandlung auf ihren Körper, auf ihre Gesundheit wirkt. „Wir erklären den Menschen die Wirkungsweise der entsprechenden Therapie. So können wir sie auch zur Mitarbeit animieren“, sagt die Inhaberin und verweist auf das Wirbelsäulenmodell aus Kunststoff, das sie zur Veranschaulichung der Wirbelfunktionen verwendet.

Mariani ruft im Foyer den nächsten Patienten auf, geht mit ihm in ein Behandlungszimmer. Er klagt über Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule. „Das wird wohl das Illiosakralgelenk sein“, schätzt Mariani mit einem prüfenden Blick ein. Es ist die Verbindung zwischen dem Kreuz- und dem Darmbein. Dann beginnt die 43-Jährige mit gezielten Handgriffen den Patienten zu positionieren, bevor sie ihm eine Elektrotherapie verordnet – das ist eine Kombination aus Ultraschall und Reizstrom. Mariani weiß, wie wichtig die richtige Therapieform, die korrekte Technik bei der Behandlung von Schmerzen ist. „Das Befunden ist ein elementarer Teil der Ausbildung und unserer täglichen Arbeit“, erklärt die Physiotherapeutin.

Der richtige Druck macht die Heilung aus – ob bei Massagen oder Lymphdrainagen. „Nach fest kommt ab“, sagt Mariani mit einem leichten Hauch schwarzen Humor und wendet sich ihrem nächsten Patienten zu.