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Mitarbeiter der CJD Salzlandwerkstätten können eigenständig zur Arbeit gelangen Neue Bushaltestelle ist ein Meilenstein

Von Kathleen Radunsky-Neumann 08.12.2011, 05:24

Von einem Stigma können sich jetzt Mitarbeiter der CJD Salzlandwerkstätten befreien. Sie müssen sich nicht mehr unbedingt von speziellen Fuhrunternehmen zur Arbeit bringen lassen. Mit einer eigens für sie eingerichteten Bushaltestelle können sie nun auch eigenverantwortlich den öffentlichen Nahverkehr nutzen.

Schönebeck l Wer kann das schon von sich sagen? 256 Frauen und Männer, die aus dem Altkreis Schönebeck täglich in die Industriestraße 8 der Elbestadt kommen, haben etwas ganz Eigenes. Für sie wurde extra eine Bushaltestelle eingerichtet. Und sie trägt nicht etwa irgendeinen Namen. Diese neue Schönebecker Bushaltestelle heißt "CJD Salzlandwerkstätten" - so wie die Institution, die hier seit 2005 ihren Sitz hat. In dieser Woche ist sie offiziell eingeweiht worden.

"Wir sind schneller als das Land Sachsen-Anhalt", sagt Solveigh Leder, Leiterin der CJD-Salzlandwerkstätten, freudestrahlend bei dieser Gelegenheit. Mit dieser Bushaltestelle soll es den 256 Mitarbeitern der Salzlandwerkstätten ermöglicht werden, eigenständig und selbstverantwortlich zur Arbeit zu gelangen. "Damit setzen wir die UN-Konvention von 2008 um", erklärt die Leiterin und nennt in diesem Zusammenhang das Wort, das derzeit in aller Munde ist: Inklusion.

Hintergrund ist, dass die meisten Mitarbeiter, die mit seelischen, geistigen oder körperlichen Behinderungen leben, bisher mit einem ausgewiesenen Fuhrunternehmen zur Arbeit gefahren werden. "Manche Frauen und Männer sind aber in der Lage, allein zum Beispiel mit dem Bus zur Arbeit zu kommen", erklärt Sozialpädagoge Michael Mai. Dies wird nun ermöglicht. Außerdem, so berichtet der Sozialpädagoge, erhalten sie so nicht das Stigma, "wenn die Menschen im Umfeld sehen, dass sie täglich von einem einschlägigen Fuhrunternehmen abgeholt werden".

Genau angesehen haben sich die neue Bushaltestelle bereits die ersten Mitarbeiter. Enrico Gerstner und Marcus Kowalski, die die Interessen ihrer Kollegen bei den Salzlandwerkstätten vertreten, zeigten sich durchaus erfreut. Die Männer, die aus Calbe und Eickendorf stammen, wollen demnächst mit dem Bus zur Arbeit in Schönebeck fahren. "So können sie wie jeder andere auch, den öffentlichen Nahverkehr nutzen", ergänzt Michael Mai. Das bedeutet im Umkehrschluss für die künftigen Fahrgäste auch, dass sie pünktlich am Haltepunkt sein müssen. Diese Selbstverantwortung und eigene Entscheidungsfreiheit ist es, die einen wesentlichen Teil zur Inklusion beiträgt.

"Auf die Art ermöglichen wir unseren Mitarbeitern ein Stück mehr eine unabhängige Lebensführung bei voller Teilhabe", erläutert Solveigh Leder. Sie weist zudem darauf hin, dass Inklusion das "von Anfang an dabei sein" beinhaltet.

Inklusion wird in den Salzlandwerkstätten, die in Schönebeck bereits seit 1989 bestehen, nicht erst mit der Einweihung der Bushaltestelle gelebt. "Wir befähigen unsere Mitarbeiter im täglichen Arbeiten, selbständig zu leben", sagt dabei Michael Mai. Hauptziel der Salzlandwerkstätten ist, dass die Menschen mit Behinderung produktiv sind. Im Übrigen bietet die Institution ihren Mitarbeitern jährlich ein Verkehrstraining an. "Wir wollen schließlich, dass unsere Leute sicher unterwegs sind", sagt der Sozialpädagoge, der sich an dieser Stelle dafür bedankt, dass die "Bushaltestelle so schnell und unkompliziert eingerichtet wurde".

Auf ein positives Echo ist dieser Meilenstein, wie es Solveigh Leder bezeichnet, auch beim Allgemeinen Behindertenverband gestoßen. Der ehrenamtliche Geschäftsführer Frank Schiwek sagt gegenüber der Volksstimme, dass "die Überlegung der Nutzung des regionalen Busverkehrs durch Mitarbeiter der CJD Werkstätten ein Schritt in die richtige Richtung ist". Ein großes Lob und ein großes Dankeschön schickt der Geschäftsführer an das CJD "für den Mut und die Weitsicht". Damit, so Frank Schiwek, wird Inklusion in Schönebeck gelebt - Menschen mit Behinderungen werden aus der "Besonderung" heraus in das tägliche Leben eingebunden.

Einen Wermutstropfen stellen aber seiner Meinung nach noch die baulichen Voraussetzungen dar. "Es ist eben nicht mit zwei zusätzlichen Schildern und ein paar Fahrbahnmarkierungen getan." Beispielsweise werden Menschen mit Sehbehinderungen nach wie vor auf Hilfe angewiesen sein, weil Leiteinrichtungen an den Haltestellen in der Industriestraße fehlen. "Bleibt zu hoffen, dass die notwendigen Voraussetzungen nachgeholt werden, damit wirklich alle Menschen ¿inklusiv\' sind", sagt Frank Schiwek.