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Neues Jahr Realistische Ziele setzen

Ernährungsberaterin Madeleine Hellwig aus Schönebeck spricht über gesunde Vorsätze und wie man es schafft, diese einzuhalten.

Von Emily Engels 02.01.2019, 04:20

Volksstimme: Warum ist es für viele Menschen so schwierig, ihre gesetzten Ziele im neuen Jahr auch tatsächlich umzusetzen?
Madeleine Hellwig:
Weil die Ziele leider oft utopisch, unrealistisch und schlecht durchdacht sind. Viele Menschen nehmen sich sehr unrealistische oder drastische Ziele vor, die nur schwer durchzuhalten sind.

Zum Beispiel?
Etwa das Vornehmen, nach dem 1. Januar nichts Süßes mehr zu essen, oder zu sagen: Ich nehme im neuen Jahr 40 Kilogramm innerhalb von zwei Monaten ab. Beliebt sind auch unspezifische Ziele wie: Ich esse jetzt mal gesünder. Dabei werden oft Ideen einfach in den Raum geworfen und darauf gehofft, dass sie funktionieren werden. Einfach, weil man das gerne möchte und es sich ja schließlich vorgenommen hat.

Was wäre denn ein realistischer Ansatz?
Erstmal ganz gezielt zu planen, sich zu fragen: Was kann ich leisten? Dann muss es spezifischer werden. Die erste Frage, die man sich stellen sollte, wäre: Was mache ich im Moment, was nicht so gesund ist. Ein guter Tipp ist hier, sich zunächst das vorzunehmen, was einem augenscheinlich am leichtesten fallen würde. Das kann für den Anfang gerne eine Kleinigkeit sein, um eine Grundmotivation zu schaffen. Das könnte zum Beispiel zunächst das Vorhaben sein, eine gesunde Sache wie Obst oder Gemüse pro Tag mehr zu essen oder etwas Ungesundes durch Obst oder Gemüse zu ersetzen. Darauf kann man dann aufbauen, bis man am Endziel angekommen ist.

Ist es generell besser, etwas hinzuzufügen, als etwas wegzulassen?
Ja. Denn sonst ist es wie bei der verbotenen Frucht. Dann will man die durch das Verbot noch mehr. Wenn man stattdessen das Gefühl hat, noch etwas hinzuzubekommen, ist der innere Schweinehund vielleicht nicht ganz so gemein.

Wie viel bringt es, sich ein Zielgewicht vorzunehmen?
Das kommt sehr drauf an. Manche Menschen müssen einen Vorsatz mit einem Gewicht kombiniert haben, andere setzen sich damit zu sehr unter Druck. Dann sehen sie plötzlich einen riesigen Berg an Aufgaben, den es zu bewältigen gibt. Um herauszufinden, ob einem ein Zielgewicht etwas bringt, muss man sich ein Stück weit kritisch selbst hinterfragen. Sich fragen, was persönliche Motivationspunkte sind und was einen eher hemmt. Es gibt Menschen, die super motiviert sind, wenn sie am Ende der Woche 300 Gramm weniger wiegen, andere sind unglücklich, weil es ihnen nicht genug erscheint.

Was wären für letztere Menschen gute Alternativen?
Beispielsweise das Messen des Bauchumfangs. Oder die subjektive Frage nach dem Wohlbefinden. Wie wohl man sich fühlt, kann man für sich aber auch festhalten, indem man aufschreibt, wie es einem mit der neuen Angewohnheit geht.

Was kann man noch für die Motivation tun, um am Ball zu bleiben?
Es bringt viel, sich kleine Erfolge vor Augen zu führen und sich bewusst darüber freuen zu können, dass man beispielsweise 200 Gramm weniger auf die Waage bringt. Denn schon das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Der Mensch neigt schnell dazu, zu kritisch über sich selbst zu urteilen und dann zu sagen: Ich habe „nur“ 200 Gramm geschafft. Es bringt viel mehr, sich ehrlich und aufrichtig zu freuen, statt zu sagen, dass es mehr hätte sein müssen.

Und wenn man sich über einen Erfolg freut, darf man sich dann mit Essen belohnen?
Dann würde man von Suchtverlagerung sprechen. Denn das würde das Suchtverhalten – beispielsweise nach Schokolade – wieder triggern. Dann wäre es besser, hin und wieder etwas Süßes zu essen und die eigentliche Belohnung losgelöst von Essen zu wählen. Das kann eine Aktivität sein, die einem Freude bereitet. Oder auch etwas Materielles wie ein neues Paar Schuhe.

Bringt es etwas, sich ein Kleidungsstück in einer kleineren Größe anzuschaffen und es sich zum Ziel zu nehmen, da hineinpassen zu wollen?
Das kann auch funktionieren. Aber auch hier muss man schauen, ob es einen wirklich motiviert. Wenn man beispielsweise das Kleid so klein wählt, dass es der Knochenbau gar nicht hergibt, dann ist das nur frustrierend. Etwas realistischer wäre ein Kleidungsstück, in das man mal herein gepasst hat. Denn das kann man dann in der Regel wieder schaffen. Oder, wenn man das Kleidungsstück mit einer Saison verbindet. Wenn man sich beispielsweise im Winter ein zu kleines Sommerkleid kauft, dann setzt man sich damit das Ziel: Bis zum Sommer muss ich es geschafft haben. Wenn man jedoch merkt, dass man nicht mehr ruhig schlafen kann und sich alles nur noch um das Kleidungsstück dreht, dann ist das die falsche Motivation. Denn Stress ist der Feind jeder Umstellung.

Aber tut ein bisschen Stress nicht gut?
Druck ja, Stress nein. Eine gewisse Erwartungshaltung an sich selbst zu stellen ist etwas sehr gesundes, zum Stress darf es aber nie werden.

Wenn man sein Ziel erreicht hat, wie kann man dann verhindern, in alte Muster zurück zu verfallen?
Beispielsweise, indem man sich vor Augen hält, was die alten Muster für Nachteile mit sich bringen. Und indem man sich fragt, ob man wieder mit denen kämpfen möchte. Auch hier bringt es viel, sich die Ziele und Erfolge aufzuschreiben. Beispielsweise auf knallrote Zettel: Was habe ich erreicht und was musste ich dafür tun? Und will ich all das wirklich umsonst getan haben? Wir neigen dazu, Dinge schnell als selbstverständlich anzusehen. Doch das alte Verhalten kann immer wieder zurückkommen. Da hilft es nur, achtsam zu bleiben und – sobald man merkt, dass man wieder abdriftet, dagegen zu steuern.

Wie viel bringt es, sich Gleichgesinnte zu suchen?
Das kann helfen, allerdings warne ich auch davor, sich an Menschen zu binden, die dasselbe Problem haben. Denn dann findet man gerne gemeinsam Ausreden, warum man bestimmte Dinge doch nicht mehr durchhalten muss.

Was halten sie von gezielten „Schummeltagen“?
Ich mag die Bezeichnung nicht, denn sie hat etwas Negatives. Es ist einfach ein Tag, an dem man sagt: Jetzt kann ich mal ein Stück Kuchen essen. Und das kann durchaus okay sein. Denn dann ist der Kuchen nicht die verbotene Frucht, aber man muss ihn auch nicht immer haben. Aber auch hier ist es eine persönliche Abwägung. Manche fokussieren sich lieber ohne Ausnahmen auf das Ziel, andere brauchen ab und zu einen solchen Tag.

Sollte man neue Ernährungsziele immer mit Sport kombinieren?
Natürlich sind Sport und Ernährungsumstellung eine sehr gute Kombination. Denn wenn ich mich bewege, kann ich Stress besser abbauen. Das kann vielleicht der Stress sein, den ich sonst mit dem Stück Kuchen wegesse. Wer hingegen Sportmuffel ist und dann noch sagt: Ab jetzt mache ich auch noch Sport, der heimst sich viel zu viel auf und ist dann schnell überfordert. Generell ist es aber eine sehr sinnvolle Kombination. Im Zweifelsfall erreiche ich so auch mein Ziel schneller.

Aber generell sind Sie dafür, Ziele Stück für Stück umzusetzen?
Ja, definitiv. Wir wollen immer gleich alles. Aber von sich selbst zu verlangen, im stressigen Alltag alles auf links zu drehen, ist einfach utopisch. Das liegt in der Natur des Menschen. Wir trennen uns ungern von Gewohnheiten.