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Neujahrsfest Sehnsucht nach der Heimat

Nouruz ist der Name für das persische Neujahrsfest. 17 Familien aus Afghanistan luden jetzt zu dieser Zeremonie in Schönebeck ein.

Von Olaf Koch 18.03.2016, 15:47

Schönebeck l Die Fakten vorweg: Mehr als 300 Millionen Menschen feiern Nouruz im Iran, in Afghanistan, Tadschikistan, Aserbaidschan, der Türkei und Teilen von China und dem Irak. Das Fest geht zurück auf eine etwa 2500 Jahre alte Tradition: Jahresbeginn ist demnach die „Frühlings-Tagundnachtgleiche“ – der Märztag also, an dem die Sonne senkrecht über dem Äquator steht. In Mitteleuropa ist es der Frühlingsanfang.

Lange vorher beginnen die Vorbereitungen für das Fest. Je nach Land gibt es unterschiedliche Bräuche, manche sind nur in einigen Ländern geläufig. In Afghanistan zum Beispiel wird zum Nouruz gemeinsam gegessen und besonders gerne getanzt. Zum Fest ziehen alle ihre neuesten Kleider an, versammeln sich und besuchen einander.

„Das war für uns auch der Grund, warum wir zum Neujahrsfest eingeladen haben“, berichtet Soniya Frotan, eine afghanische Frau, die das Fest mit anderen organisiert hat und hier als Übersetzerin arbeitet. Sie lebt seit mehreren Jahren in Deutschland. Insgesamt haben zu den Feierlichkeiten 17 Familien eingeladen. „Wir haben auch zehn Jungs aus der Gemeinschaftsunterkunft dazugeholt. Es gehört sich einfach, dass wir alle gemeinsam dieses Fest feiern“, so Soniya Frotan zur Volksstimme.

Viele der „Jungs“ sind allein hier in Deutschland und haben sich auf das Neujahrsfest gefreut: Es bot ihnen für einige Stunden ein Stückchen ihrer weit entfernten Heimat, und mit den Gedanken waren die jungen Männer sicherlich oftmals bei ihren Familien im kriegsumkämpften Afghanistan. Sehnsucht eben.

Einen Raum für das Neujahrsfest fanden die 60 Männer und Frauen bei der katholischen Gemeinde. Störend empfanden die vielen mit muslimischen Glauben erzogenen Menschen es nicht, unter dem Kreuz ihr traditionelles Fest zu feiern – im Gegenteil. Sie sind den deutschen Christen für ihre Gastfreundschaft durchaus dankbar.

Was die Familien anschließend in der Küche zauberten und auf der langen Tafel stand, ließ die Herzen der Gäste höher schlagen. „Es sind vor allem viele Spezialitäten, die es in unserem Land auch zu essen gibt“, verriet Soniya Frotan im Gespräch. Jene Lebensmittel zu kaufen, erweist sich in einem deutschen Supermarkt als äußerst schwierig. Lediglich in Spezialitätengeschäften in Magdeburg, Frankfurt und anderswo gibt es die speziellen Zutaten die Soniya Frotan und ihre Freunde benötigen.

So standen üblicherweise viele verschiedene Reissorten auf dem Tisch, die hier in Schönebeck nur einen Teil der Vielfalt der afghanischen Küche widerspiegelten. „Am liebsten esse ich den Reis mit Möhren und Rosinen“, gesteht ein junger Afghane. Aber auch die anderen Töpfe und Schalen, die einen Duft freigaben, als würde man selbst mitten auf dem Basar in der Kabuler Altstadt stehen, machten Appetit auf mehr.

Schnell waren Helfer gefunden, die die Gäste an den Tischen bedienten: Zunächst bekamen die Männer einen Teller, anschließend die Frauen. Das wiederum ist nicht abwertend, sondern Teil der Kultur. Auch, dass anschließend Männer und Frauen in dem großen Raum durch eine Trennwand voreinander abgeschottet tanzten, ist für die afghanischen Gäste Normalität. „Das ist übrigens auch der Grund, warum wir in unseren Häusern in Afghanistan immer zwei Wohnzimmer haben“, erläutert Soniya Frotan.

Bis in den frühen Abend sorgte das Neujahrsfest für Zerstreuung und war vor allem für die Männer aus dem Heim eine willkommene Abwechslung.

Wie wichtig Gastfreundschaft für die Afghanen ist, wurde an einem Beispiel deutlich: Der Redakteur dieses Artikels wurde selbstverständlich zum gemeinsamen Essen eingeladen und bekam als einer der Ersten einen Teller.