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Prozess Morddrohung wegen 3500 Euro?

Ein 30-Jähriger aus Schönebeck muss sich vor Gericht verantworten: Beweise für die Vorwürfe gegen ihn gibt es aber nicht.

Von Paul Schulz 19.10.2020, 15:53

Schönebeck l Der 30-jährige Syrer Hakim A. (Name geändert) muss sich im Schönebecker Amtsgericht vor zwei Schöffen und Amtsrichter Eike Bruns verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm räuberische Erpressung vor.

Er soll am 1. August 2019 via Telefon 3500 Euro von dem in Schönebeck lebenden Syrer Farim B. (Name ebenfalls geändert) gefordert haben. „Ich werde dich töten, wenn du mir das Geld nicht gibst“, soll er gesagt haben, trägt der Staatsanwalt vor.

Doch der Angeklagte führt mithilfe eines Dolmetschers aus, dass es anders war. Demnach hat er in der Wohnung eines guten Freundes sein Geld aufbewahrt – eben die 3500 Euro. Dieses Geld soll von Farim B. gestohlen worden sein, als dieser seine Schwester aus der Wohnung abholte. Diese ist nämlich mit dem guten Freund des Angeklagten verheiratet. Der Angeklagte habe also – seiner Variante nach – nur sein Geld zurückgefordert.

„Und hat er gesagt, dass er ihn töten werde, oder nicht?“, will Bruns wissen. Kurz darauf übersetzt der Dolmetscher die Antwort von Hakim A. „Ja, das hat er. Aber das bedeutet in seiner Kultur etwas anderes. Er meinte, dass es Streit geben wird und dass er ihn schlagen wird.“

„Aber wir sind hier in Deutschland und hier drohen wir uns nicht gegenseitig mit dem Tod“, poltert Bruns.

Um der Angelegenheit weiter auf den Grund zu gehen, werden Audiodateien vorgespielt. Zu hören ist der Angeklagte, wie er 3500 Euro von Farim B. fordert. Der Dolmetscher übersetzt die arabischen Sätze. Bruns und Staatsanwaltschaft werden stutzig. „Bei allem was Sie jetzt übersetzt haben, war doch keine Mordrohung dabei“, stellt Bruns fest.

Der Dolmetscher nickt und fasst das Gehörte erneut zusammen: „Er sagt, dass er ihm zeigen wird, dass er ein echter Mann ist. Er sagt, wenn er das Geld nicht bekommt, dann wendet er sich an die Presse.“ „Also kein Wort von Tötung?“, hakt Bruns nach. „Nein“, bestätigt der Dolmetscher. Die Lage ist unübersichtlich. Bruns ruft Farim B. in den Zeugenstand und fordert ihn auf, von seinen Erinnerungen des 1. August 2019 zu berichten. Dieser führt – ebenfalls mithilfe des Dolmetschers – aus, dass er einen Anruf erhalten habe. Dass Hakim A. 3500 Euro von ihm gefordert habe und ihn mit dem Tod gedroht habe.

Bruns: „Und hat er erklärt, warum er das Geld von Ihnen will? „Nein“, sagt Farim B. „Der Angeklagte wirft Ihnen vor, dass Sie in der Wohnung seines Freundes waren und dort seine 3500 Euro mitgenommen haben.“ Die Antwort des Zeugen darauf:„Ich war nicht in der Wohnung. Ich habe meine Schwester draußen abgeholt.“

Es entwickelt sich in der Folge ein munteres Frage-Antwort-Spiel. „Haben Sie oder Ihre Schwester Geld mitgenommen?“ – „Nein.“

Das Verfahren ist verzwickt und dauert schon über eine Stunde. Bruns sagt: „Ich glaube, das alles hier führt zu nichts. Der Vorwurf der Räuberischen Erpressung ist vom Tisch. In den Audiodaten droht der Angeklagte nicht mit Tötung, sondern damit zur Presse zu gehen. Außerdem glaubte er, dass Farim B. sein Geld hat.“ Staatsanwalt und Verteidiger stimmen zu, dass die Beweisaufnahme geschlossen werden kann.

Im abschließenden Plädoyer räumt die Staatsanwaltschaft ein, dass der Vorwurf der räuberischen Erpressung nicht gehalten werden kann. Man wisse nicht genau, ob wirklich eine Todesdrohung ausgesprochen wurde. Jedoch habe Hakim A. dennoch mit einem „empfindlichen Übel gedroht“. „Das ist versuchte Nötigung“, so der Staatsanwalt. Er fordert eine Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 15 Euro. Der Rechtsanwalt von Hakim A. betont indes: „Wir haben keine Todesdrohung und auch keine Beweise, die etwas anderes belegen. Mein Mandant ist freizusprechen.“

Letzterer Forderung gaben die Schöffen und Amtsrichter Bruns schließlich auch nach. Man habe verschiedene Darstellungen gehört, könne aber anhand dessen nicht bestimmen, wer die Wahrheit sage. Für die Staatsanwaltschaft besteht nun noch die Möglichkeit einer Revision.