Gerichtsprozess Prozess um tödlichen Unfall zwischen Plötzky und Schönebeck: Kann ein Gutachten für Aufklärung sorgen?
Wird ein 80-jähriger Schönebecker, der in erster Instanz schuldig gesprochen wurde, auch im Berufungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung verurteilt? Am Landgericht Magdeburg hat gestern der Prozess, bei dem der tödliche Unfall kurz hinter Plötzky vom 24. April 2021 aufgeklärt werden soll, begonnen.

Schönebeck - Der tragische Unfall liegt über ein Jahr zurück. Ein 44-jähriger BMW-Fahrer war bei einem Überholmanöver auf der B246 a hinter Plötzky in Richtung Schönebeck mit seinem Wagen erst nach links von der Straße abgekommen, wurde nach rechts katapultiert, prallte gegen einen Baum und schlitterte schlussendlich in die Elbumflut. Er kam dabei ums Leben.
War er mit 1,34 Promille fahruntüchtig? Oder hat ein 80-Jähriger, den er überholen wollte, auch Schuld, weil er mit einem Rad die Mittellinie überfahren und den BMW somit zum Ausweichen gezwungen haben soll? In zweiter Instanz wird das Landgericht Magdeburg den Fall erneut aufrollen. Der erste Prozesstag gestern brachte einige Unstimmigkeiten.
Widersprüchliche Zeugenaussage
Kann die Aussage eines Zeugen dazu führen, dass ein Rentner wegen fahrlässiger Tötung verurteilt wird? Beweise dafür, dass er unsicher gefahren sei und auch die Spur mit einem Rad gewechselt habe, gebe es nicht, betonte sein Verteidiger Harald Walter. Er sah Widersprüche in den Aussagen des Zeugen, der während des Unfallgeschehens direkt hinter dem Angeklagten gefahren war und diesen schon in erster Instanz im Januar am Amtsgericht Schönebeck schwer belastet hatte. „Was er hier erzählt, ist Kohl, technischer Kohl“, so der Rechtsanwalt.
Auch Oberstaatsanwalt Bernhard Tangemann konnte dem 54-jährigen Zeugen nicht immer so ganz folgen. Wenn er und der BMW hinter ihm, der dann zum Überholen ausscherte, mehr als 100 Stundenkilometer auf dem Tacho hatten und der Angeklagte als Erster in der Kolonne nur rund 60, dann hätte er doch abbremsen müssen? „Habe ich auch. Er hat dann aber auch etwas beschleunigt“, so der Zeuge mit Blick auf den Angeklagten. Er schätzte dessen Tempo auf etwa 70 oder 80 km/h. Dass der zu Tode gekommene BMW-Fahrer das Gaspedal voll durchgetreten habe, da sei er sich aber sicher, betonte der Zeuge. Was auch den Oberstaatsanwalt dazu veranlasste nachzuhaken. Wie könne der BMW-Fahrer dann so 50 bis 60 Meter neben dem Angeklagten gefahren sein, wie es der Zeuge gesehen haben will? Er hatte zuvor ausgesagt, dass er vom BMW-Fahrer mit etwa 110 km/h überholt worden sei. Zwischen seinem Wagen und dem des Angeklagten habe noch etwa eine Fahrzeuglänge Abstand bestanden.
Wird es ein Gutachten geben?
Das passe hinten und vorne nicht, ist sich der Verteidiger sicher. Um zu belegen, dass der tödliche Unfall allein auf die Fahruntüchtigkeit des BMW-Fahrers zurückzuführen sei, stellte er den Beweisantrag, ein Gutachten in Auftrag zu geben. Es soll den Unfallhergang genau rekonstruieren. Dieses werde beweisen, dass sein Mandant keinerlei Schuld trage, auch wenn er möglicherweise unsicher unterwegs gewesen sei. Damit ein Auto etwa 30 Meter durch die Luft geschleudert werden kann, müsse es schon eine bestimmte Geschwindigkeit drauf haben. „Das geht nicht mit 60 km/h und auch nicht mit 80.“
Doch nicht nur die Aussagen des Zeugen wirkten teils widersprüchlich. Auch gab es Unstimmigkeiten zwischen dem, was der Angeklagte gestern sagte, und seiner Aussage, die er am Tag nach dem Unfall bei der Polizei in Schönebeck zu Protokoll gegeben hatte. Der Polizeibeamte war gestern auch als Zeuge geladen. Während der Rentner gestern meinte, den BMW-Fahrer erst mitbekommen zu haben, als dieser vor ihm aufgetaucht sei und zuvor nur im toten Winkel gewesen wäre, hatte er bei der Polizei gesagt, dass er beide ihm folgende Wagen bereits in Plötzky hinter sich gesehen hatte. Der Unfall selbst hatte sich dann 480 Meter hinter dem Ortsausgang ereignet.
Oberstaatsanwalt Tangemann und auch Richter Michael Koch zeigten sich skeptisch, ob ein Gutachten bei den wenigen Spuren für Aufklärung sorgen könne. Er werde aber mit einem Unfallanalytiker telefonieren und diesen bitten, sich die Akten anzusehen. Sage er, es funktioniere, werde das Gutachten auch erstellt. „Hier geht es ja auch um was, das wissen wir hier alle“, so der Richter mit Blick auf die Anklage wegen fahrlässiger Tötung. Die Unfallflucht, für die der 80-Jährige auch verurteilt wurde, spielte gestern noch keine große Rolle.
Der zweite Prozesstag ist für den 30. August anberaumt. Mit weiteren Zeugen, vielleicht aber auch schon mit dem Gutachten.