Kritische Stimmen halten eine Marina für zu aufwändig und teuer / Interview mit Michael Gremmes vom Schönebecker Stadtplanungsamt Salinehafen: Die Mondlandung war schwieriger
Die Salineinsel wird bis Juli zu einem Schmuckstück umgestaltet. Es entstehen Wege und Flächen zur sportlichen Betätigung. Mehr als 1,7 Millionen Euro kostet das Projekt. Nicht enthalten ist der Ausbau des Salinekanals. Hier könnte ein kleiner Hafen Wirklichkeit werden. Realistisch?
Schönebeck l Der Ort mag im Moment der kälteste in ganz Schönebeck sein: An der Einmündung des Salinekanals in die Elbe pfeift der eisige Ostwind vom Fluss her - der Schnee ist zu einer spiegelglatten Fläche gefroren. Fast ein Sinnbild: Viele Jahre war das Terrain, das sich bis zum Tierheim an der Barbyer Straße erstreckt, regelrecht erstarrt. Dabei gab es nach der Wende 1990 große und interessante Pläne. Rückblick.
Auf der Salineinsel herrschte bis in die 1960er Jahre emsiges wirtschaftliches Treiben. Das Schönebecker Salz ging von hier aus per Schiff in die weite Welt. Immerhin war die ursprünglich vom preußischen Staat betriebene Saline eine der größten in Europa. Als sich die Salzsiederei zu DDR-Zeiten nicht mehr rentierte, verfielen die Anlagen. Geblieben ist das einstige Verwaltungsgebäude, das von 1990 ab als Landratsamt diente, jetzt jedoch großteils leer steht.
Doch das Potenzial der Fläche direkt an der Elbe hat die Strategen im Schönebecker Stadtplanungsamt nie wirklich losgelassen. Nachdem die Träume zur Gestaltung des Elbufers Mitte der 1990er Jahre teilweise platzten, wird die gesamte Salineinsel derzeit aus ihrem Dornröschenschlaf geküsst. Seit knapp eineinhalb Jahren verwandeln Landschaftsarchitekten und Mitarbeiter von Baufirmen den Bereich in eine Parklandschaft. Ein grüner Bereich für Freizeit und Erholung soll entstehen. Die Salineinsel verändert sich, bekommt Wege, Sportflächen, eine Struktur. Nur etwas soll unangetastet bleiben: der Salinekanal.
Das muss nicht sein, das darf nicht sein, meint Schönebecks Stadtrat Torsten Pillat. Der Fraktionschef der CDU hält mit Engagement eine Vision hoch, die es bereits Anfang der 1990er gab, nämlich den Ausbau des Salinekanals zu einer Marina, sprich: zu einem Hafen für Sportboote. Hier könnten Freizeitkapitäne anlegen, vom Faltboot bis zur megateuren Yacht. Die sind in der warmen Jahreszeit auf der Elbe unterwegs, nur in Schönebeck (abgesehen vom Bootshaus Delphin) legen sie nicht an. Wo auch? Deshalb sei es an der Zeit, den Salinekanal zu entschlammen, die Böschung zu befestigen und einen Anleger zu schaffen, verficht Pillat seine Vorstellung.
"Davon hätte die gesamte Stadt einen Gewinn. Und Fördermittel würde es jetzt noch geben", hebt der Christdemokrat hervor. Mit einem Salinehafen käme eins zum anderen: erst die Boote, mit ihnen Gäste für die heimische Gastronomie, vielleicht eine Herberge speziell für Wasserwanderer, warum nicht auch ein Campingplatz...
Trotzdem müsste die Stadt einen Eigenanteil bezahlen. "Richtig, es ist wieder eine Geldfrage. Möglicherweise müsste die Stadt in Vorleistung gehen und einen Kredit aufnehmen. Ich bin mir aber sicher, dass der sich nach kurzer Zeit amortisieren würde. Magdeburg hat es vorgemacht, und wir müssen jetzt aufpassen, dass wir den Anschluss nicht verlieren", warnt Pillat. Er fügt hinzu: "Wir haben den Ausbau des Elbuferbereiches hier 20 Jahre lang versäumt. Jetzt müssen wir unbedingt dran bleiben. Und von einer Lage wie sie Schönebeck hat, direkt an der Elbe, träumen andere Städte."
Pillat\'s Plan vom Salinehafen findet der Unternehmer René Leue kurz und bündig "super". Leue betreibt unter anderem eine gastronomische Einrichtung am Elbufer. Ein großes Geschäft verspricht er sich selbst aber eher nicht mit einem Salinehafen. "Die Wasserwanderer werden allenfalls barfuß durch mein Lokal laufen und nach der Toilette fragen", sieht Leue ein vordringliches menschliches Bedürfnis der Bootsleute voraus. Nichtsdestoweniger sei die Idee nur zu begrüßen: "Ich bin für alles, was nach vorn geht", beteuert Leue und ergänzt: "Da bin ich ganz pragmatisch."
Ein echtes Problem wäre das Geröll, das die Elbe mit sich schleppt. Aufgrund der Strömungsverwirbelungen hat sich der Salinekanal mit Kies und Schlamm vollgesetzt. Zudem müsste das Ufer neu befestigt werden. Aus dem Stadtrat heraus gibt es deshalb Stimmen, die das gesamte Vorhaben als zu teuer, zu aufwändig charakterisieren. Was sagt Befürworter René Leue dazu?
"Wir sind in den 1960er Jahren zum Mond geflogen, da werden wir doch wohl heute den Saliekanal freibekommen." Und ja, der müsste dann halt gepflegt werden. Das sei nun einmal Vorausetzung für einen funktionierenden Hafen.
Stadt befürwortet das Projekt grundsätzlich
Im Amt für Wirtschaftsförderung der Stadt Schönebeck findet der Plan durchaus Zustimmung. Amtsleiter Egbert Tramp blickt mit ähnlicher Sicht wie René Leue auf die Sache: um so mehr Vielfalt auf wirtschaftlichem, hier touritischem Gebiet, um so besser.
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Zur Thematik sprach Volksstimme-Redakteur Ulrich Meinhard mit Michael Gremmes vom Schönebecker Stadtplanungsamt.
Volksstimme: Welche Möglichkeiten, Chancen, Fördertöpfe sieht die Stadt bei der Schiffbarmachung des Kanals?
Michael Gremmes: Es gäbe Möglichkeiten zur Schiffbarmachung des Salinekanals unter Einbeziehung von Fördermitteln. Das Projekt wurde für 2013/2014 seitens des Stadtrates nicht befürwortet, da andere Maßnahmen finanziert werden sollen und die Mittel nicht ausreichen.
Volksstimme: Betrachten Sie den Plan als realisierbar?
Gremmes: Grundsätzlich ist das Vorhaben realisierbar, da die abgelagerten Sedimente ausgebaggert werden können.
Volksstimme: Welche Perspektiven sind mit dem Herrichten des gesamten Terrains für Freizeit- und touristische Zwecke verbunden?
Gremmes: Die Revitalisierung einer ehemaligen Industriebrache und damit die Beseitigung eines städtebaulichen Missstandes. Die Aufwertung und Stabilisierung des "Standortes Altstadt", Altstadtnahe Naherholungsfläche mit "Öffnung" zur Elbe (Wassersport), Angebotsfläche/Salzmagazin für Investoren im kulturellen, künstlerischen oder touristischen Bereich, Gewinnung stadtnaher Grünareale und damit eine kleinklimatische Verbesserung.
Volksstimme: Was sagt man Leuten, die meinen, dass es wichtigere Aufgaben gibt, wie etwa Straßenbau?
Gremmes: Attraktive Angebote für die Bürger in einer lebenswerten Stadt zu schaffen, ist Teil der Stadtentwicklung. Erholungsräume gehören ebenso dazu wie intakte Straßen.