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Sammel-Serie Zwischen Kaskoerbse und Winkelementen

Hans-Jürgen Lüdecke aus Pömmelte hat seine Party-Garage zum gemütlichen Heimatmuseum umgerüstet. Er sammelt nahezu alles darin.

Von Thomas Linßner 15.11.2017, 15:56

Pömmelte l „Freu‘ dich des Lebens, denn es ist schon älter als du denkst“. Dieser weise Spruch steht auf einem Schwartenbrett, das über dem Partyraum hängt, wie weiland eine Losung zum Republikgeburtstag.

Hans-Jürgen Lüdecke hätte es sich 1972 auch nicht vorstellen können, als er seine Garage baute. Wo bis zur Wende der ehemalige Meister der PGH Autodienst Schönebeck nach Feierabend Pkw wieder flott machte, befindet sich heute ein Sammelsurium der unterschiedlichsten Art. Das Auge würde Stunden brauchen, um all die Dinge zu erfassen, die der heute 70-Jährige in den Jahren zusammen trug. Da findet man an einer hölzernen Pinwand schon mal so anachronistische Dinge wie ein Foto vom Wehrmachtspanzer „Tiger“ neben „DDR-Winkelementen“. Also Papierfähnchen, wie sie die Jungen Pioniere am 1. Mai benutzten, wenn sich der Demonstrationszug vom Stellplatz zur Kneipe schob.

„Zu meinem 50. Geburtstag habe ich die Garage umfunktioniert“, erklärt der 70-Jährige, der damals viel Platz zum Feiern brauchte. Was sich bis heute nicht geändert hat: Der Raum ist groß, gemütlich und warm. In regelmäßigem Abstand findet sich hier eine neunköpfige Pömmelter Herrenriege ein, die Skat kloppt und Hackepeter verputzt.

Doch zurück zur Sammelleidenschaft des Hans-Jürgen Lüdecke. „Eigentlich sind die Hobel meiner Großeltern schuld“, zeigt er auf ein Regal. Die gehörten zur Stellmacherei Otto Placke und waren einfach zu schade, um im Ofen zu landen. „Meine Mutter stellte mich vor die Wahl: Entweder du nimmst die alten Dinger, oder sie werden zerhackt“, erzählt er. Obwohl Lüdecke von Berufs wegen an Autos schraubte, gesteht er, die Holzbearbeitungsleidenschaft seiner Vorfahren geerbt zu haben.

Nach der Hobel-Initialzündung hatte der Pömmelter ein „ganz anderes Auge“, wenn sich Sperrmüll von Haushaltsauflösungen auf der Straße breit machte. So angelte er eine alte Fleischerwaage aus einem Schrottberg oder den formschönen Kochherd des Pömmelter Lehrers Eitelgörge. „Beide Teile kannte ich schon als Kind - nun stehen sie bei mir“, lächelt Hans-Jürgen Lüdecke.

Ein besonderer Blickfang im Party-Museum ist eine Batterie Kräder und Mopeds. Als Platzhirsch dominiert eine 350er „Jawa“ die Szene. Die blitzsauber restaurierte und vor allem formschöne Maschine des tschechischen Herstellers „Jawa“ war Ende der 1950er, Anfang der 1960er Jahre schlechthin das Kultur-Motorrad auf den Straßen der DDR. Obwohl der luftgekühlte Doppelzylinder heiße Sommertage gar nicht mochte, weil der „festzugehen“ (Kolbenklemmer) drohte, träumte fast jeder junge Mann von diesem Mobil. „Die haben mir meine Kinder zum 60. Geburtstag geschenkt“, erklärt Lüdecke nicht ohne Stolz. Er räumt ein, dass er im potenziellen Pömmelter Rockeralter nur ein Moped der Marke „SR 2“ besaß (Damit konnte man die Mädels nur wenig, sehr wenig, beeindrucken).

Ein kleines Detail geht im Lüdeckeschen Garagen-Museum beinahe unter. Es ist ein faustgroßes Herz aus Holzborke. Darauf sind zwei Infanterie-Projektile, ein Granatsplitter und das verblasste schwarz-weiß-rote Band eines Eisernen Kreuzes befestigt.

„Das hat meine Großmutter Luise Placke im ersten Weltkrieg von ihrem Freund Fritz geschenkt bekommen. Die Dinger hatte er im Körper“, erzählt Lüdecke lakonisch. Welch‘, wenn auch makaberer, Liebesbeweis, den Luise (1893-1986) ihr Leben lang aufbewahrte.

Doch damit nicht genug: Der Sammler hebt noch ein originelles Stück hoch, das er bei einer Haushaltsauflösung fand. Es ist ein auseinander klappbarer Nähkasten, der aus einer Zeit stammt, als die Frauen noch Strümpfe stopften, Knöpfe annähten und Jacken strickten. Er durfte in keinem, aber auch gar keinem Haushalt fehlen.

Im Klappkasten befand sich ein Sammelsurium von Knöpfen, Schnallen, Zwirnen, Nadeln, Strumpfhaltern, Reißverschlüssen und, und, und. „Darin habe ich einen goldenen Ring gefunden“, grinst der 70-Jährige.

Einen Ring? Im Nähkorb? Wie kommt das? Weil die Hausfrau - möglicherweise schon älter und etwas vergesslich - ihn beim Nähen, Stopfen, Stricken absetzte, in eines der verkramten Fächer legte und … vergaß.

Sage noch einer, Sammler wären keine glücklichen Menschen.