Die Volkssolidarität in der Saalestadt klagt über Mitgliedermangel Seniorenorganisation in Calbe gehen langsam die Rentner aus
Die Volkssolidarität ist der Begleiter für den Lebensabend vieler Menschen. Obwohl die Organisation fest mit dem Rentner verbunden ist, fehlen den Ortsverbänden die jungen Senioren - wie in Calbe.
Calbe l In den kommenden Jahrzehnten sollen die älteren Menschen in Sachsen-Anhalt deutlich in der Mehrheit sein. Unter dem Stichwort Demografie wird die verhängnisvolle Entwicklung der Bevölkerungsstruktur seit Jahren diskutiert. Immer mehr Senioren stehen immer weniger arbeitenden Menschen gegenüber. Dabei müsste es umgekehrt sein, damit zumindest das Rentenniveau konstant bleiben kann.
Von der Fülle der neuen Rentner müsste gerade eine Organisation profitieren: die Volkssolidarität. Übriggeblieben aus der verschwundenen DDR, ist sie dem Senior treu geblieben. In vielen Ortsgruppen organisieren hier die Rentner das Zusammenleben selbst und halten soziale Kontakte, um nicht zu vereinsamen. Gemeinsame Veranstaltungen sind den Senioren wichtig.
In Calbe gibt es zwei Ortsgruppen mit zusammen rund 180 Mitgliedern. Viel ist das für die Kleinstadt an der Saale nicht, weiß auch die Leiterin der Begegnungsstätte, Bettina Körner. "Wir waren schon deutlich mehr", erinnert sie sich.
"Uns fehlen die jungen Senioren", sagt sie. Der Nachwuchs stellt sich in der Seniorenbetreuung nur spärlich ein. Dabei müsste die Volkssolidarität von der ständig wachsenden Bevölkerungsgruppe der Senioren eigentlich profitieren. Warum die Mitgliederzahlen eher nach unter weisen statt zu steigen, darüber kann die Leiterin der Begegnungsstätte nur spekulieren. Einen großen Teil der Mitglieder haben die Calbenser Ortsgruppen durch den Tod der Mitglieder selbst verloren, schildert sie.
Allerdings habe es in den vergangenen Monaten auch einige hausgemachte Probleme in der Volkssolidarität gegeben, meint sie auf Nachfrage. Die Organisation habe beispielsweise die Mitgliedsbeiträge deutlich angehoben, bestätigt sie. Monatelang ist dies in den Ortsgruppen in vielen Regionen unter den Senioren diskutiert worden. Das Geld wollten viele nicht zahlen, kennt sie die Diskussionen ebenso aus Calbe. Die Beitragserhöhung sei außerdem nicht in den Ortsgruppen geblieben, sondern müsse an den Landesverband abgeführt werden.
Hier habe sich die Volkssolidarität keinen Gefallen getan, ist Bettina Körner überzeugt. Bei einem anderen Umgang mit den Finanzen wäre die Mitgliederentwicklung vielleicht anders ausgefallen, meint sie. "Die Rentner nehmen jede Preiserhöhung wichtig und ernst", weiß sie. Es sei ja nicht nur die Volkssolidarität gewesen, die an der Preisschraube gedreht habe. Die ständig steigenden Energiekosten belasten ebenso die Rentner. Nur steige die Rente nicht im gleichen Maße wie die Kosten.
"Freuen uns über neue Gesichter"
Die Beitragserhöhung habe in Calbe schon einige Mitglieder gekostet, bestätigt die Leiterin der Betreuungseinrichtung. Ob die Organisation die Senioren wieder überzeugen kann, muss die Zeit zeigen. Verheerend bei den älteren Mitgliedern waren in der Vergangenheit ebenso die Skandale über dubiose Finanzgeschäfte. Mitgliedern der Volkssolidarität in anderen Bundesländern waren Finanzprodukte verkauft worden, die sich als kaum rentabel erwiesen. Das machte bundesweit Schlagzeilen. Dieses Thema hat sich in den vergangenen Monaten allerdings wieder beruhigt, weiß sie. Trotzdem gelinge es der Seniorenorganisation, die sogar Kindertagesstätten professionell betreibe, nicht, noch mehr Senioren für eine Mitgliedschaft zu begeistern. "Dabei freuen sich die Mitglieder riesig über neue Gesichter", schildert die Leiterin. In der nahen Zukunft muss sich das Vertrauen in die Organisation einfach wieder einstellen, hofft Bettina Körner auf mehr Interesse an der Arbeit in der Volkssolidarität in Zukunft.
Dabei nimmt die Organisation auch schon Leute weit unterhalb des Rentenalters auf. Mitglied werden könne eigentlich jeder, weiß sie. Nur verbinden die Bürger den Namen sofort mit einer Seniorenorganisation.
Der Spaß, die gemeinsame Lebensfreude und Erlebnisse stehen im Vordergrund der streng geregelten und organisierten Arbeit. Vielleicht liege es aber auch daran, dass die jungen Rentner an einem durchorganisierten Freizeitleben nicht mehr so großes Interesse haben? Vielleicht ist es die Sehnsucht nach mehr Individualität, die der Volkssolidarität wirklich zu schaffen macht?
Auch Bettina Körner macht sich Gedanken, wie sie mehr Calbenser für die Volkssolidarität gewinnen kann. Bislang, gesteht sie ein, sei das Ergebnis allerdings überschaubar.
Trotzdem wolle sie die Hoffnung nicht aufgeben, dass sich die Mitgliederzahlen in der nahen Zukunft wieder deutlich nach oben entwickeln. Neben der Individualität hätten gemeinsame Veranstaltungen ebenso ihren Reiz bei den Bürgern. Die Tendenz gehe wieder mehr zu gemeinsamen Feiern und Veranstaltungen, zeigt sie sich überzeugt. Ob sich das in den Mitgliederzahlen niederschlägt, bleibt abzuwarten.