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Sommerserie So kommt die Zeitung zum Leser

Volksstimme-Mitarbeiter schnuppern für die Serie "Einen Tag als ..." in Berufe hinein. Heute: Zustellerin in Schönebeck.

Von Emily Engels 05.07.2018, 01:01

Pretzien/Ranies l Dass Sie diesen Beitrag gerade bequem lesen können, haben Sie Zustellerin Antje Mönner oder einem ihrer Kollegen zu verdanken. Zumindest, wenn Sie Volksstimme-Abonnent sind.

Denn mitten in der Nacht und bis zum Morgengrauen sorgen fleißige Zusteller dafür, dass Volksstimme und Briefe rechtzeitig in den Briefkästen stecken.

„Vorsicht, der hier quietscht ein bisschen“, oder: „Hier wird gleich ein Hund unter der Hoftür hervorschauen.“ Meine Kollegin für einen Tag, Antje Mönner, kennt in Ranies und Pretzien wirklich jede Straße und jedes Haus. Während ich ihr helfe, Volksstimme und Briefe zu den Haushalten der Schönebecker Ortsteile zu bringen, gibt sie mir viele hilfreiche Tipps. Zum Beispiel, wo ich wegen eines unebenen Bodens aufpassen soll (Umknickgefahr) oder wie ich die Volksstimme am besten falte, damit sie unbeschädigt in die Briefkästen kommt (ein bisschen stopfen ist notfalls erlaubt, aber einreißen sollte die Zeitung auf keinen Fall).

Hier sagen sich Fuchs und Hase gute Nacht – im wahrsten Sinne des Wortes.

Bei meinen ersten Häusern habe ich noch ein komisches Gefühl. Schließlich ist es mitten in der Nacht. Und die Abonnenten haben zwar dafür bezahlt, dass die Volksstimme jeden Tag am frühen Morgen in ihren Briefkästen liegt, einen ungewünschten Weck-Service möchte ich aber auf keinen Fall gratis dazu liefern. Ich fühle mich also ein bisschen wie eine der vielen Dorfkatzen, die auf ihren Samtpfoten zu nächtlicher Stunde zahlreich durch die Orte schleichen: Ich gehe meine Runden, möchte dabei aber den Volksstimme-Lesern zuliebe ungesehen – und vor allem ungehört – bleiben. Dass ich noch dazu extrem müde bin, versuche ich mir vor Antje Mönner auf keinen Fall anmerken zu lassen. Dabei begann der Arbeitstag bereits früh – um 2.30 Uhr morgens.

Vom Depot in der Barbyer Straße geht es – mit mehreren Bündeln der aktuellen Volksstimme und zwei Boxen voller Briefe – zunächst nach Grünewalde. Denn während wir heute mit einem der Firmenfahrzeuge unterwegs sind, gibt es auch zahlreiche Kollegen, die mit dem Fahrrad austragen. Antje Mönner beliefert eine Kollegin, bevor sie ihre eigenen Runden macht.

Nach zirka einer Stunde bin ich bereits schneller – vorausgesetzt, dass ich die Briefkästen finde. Denn obwohl sich die meistens präsent am Gartentor oder an der Haustür befinden, sind einige versteckter angebracht. Da gibt es mal einen Schlitz in der Mauer oder man muss ein wenig um die Ecke des Hauses gehen, um die Volksstimme oder die Post einwerfen zu können. Immer wieder bewundere ich Antje Mönner für ihre Routine. Sie weiß genau, wo sie welche Volksstimme einwerfen muss - und dabei gibt es vor allem in Pretzien einige Haushalte, die auch die Magdeburger Ausgabe beziehen.

Neben Hunden und Katzen begegnen wir zahlreichen anderen Tieren – vor allem wilden. Sagen wir es mal so: Der Spruch „wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen“ wird hier Wirklichkeit.

Zustellerin ist ihr Traumjob: Nachts arbeiten, tagsüber Zeit fürs Kind.

Was ich noch romantisch und spannend finde, zögert Antje Mönners Job oft heraus. Nicht nur heute, weil ich mehrmals stehen bleibe und verzückt zuschaue, als plötzlich in unmittelbarer Nähe von mir ein Reh steht, sondern auch generell, weil die Wildtiere natürlich auch die Straßen nicht meiden. So manch einmal sehen wir Augen auf der Straße reflektieren. Doch Antje Mönner ist nicht nur Expertin darin, mit ihrem Fahrzeug in die engsten Gassen herein- und vor allem bei mangelnden Wendemöglichkeiten rückwärts wieder herauszufahren. Sie weiß auch genau, an welchen Ecken sie auf der Strecke zwischen Schönebeck, Ranies und Plötzky genau aufpassen muss, weil der Wildwechsel besonders stark ist. So beispielsweise auf der Kreisstraße 1296 zwischen Ranies und Plötzky. „Hier sehe ich öfters mal die Ohren von Rehen herauslugen“, sagt sie und fährt dementsprechend langsam.

Während wir in Ranies Volksstimme und Post gleichzeitig austeilen, fahren wir in Pretzien zwei Runden. Immer wieder schaue ich auf den großen Stapel Zeitungen, der nicht kleiner zu werden scheint. Und merke, dass ich müde werde - so eine Nachtschicht ist anstrengend. Bewundernd schaue ich zu meiner Kollegin rüber. Keine Spur von Müdigkeit.

„Ich mag meinen Job sehr“ sagt Antje Mönner, als ich sie danach frage. Und dann erzählt die auch schon um 4 Uhr morgens sehr aufgeweckte 31-Jährige, wie sie zu dem Job gekommen ist.

Ursprünglich hat sie etwas anderes gemacht. Sie war in der Faserverbundstechnik tätig – unter anderem auch als Lehrerin für Berufsschüler. Doch dann verliebte sie sich, bekam ein Kind, einen Sohn. Und wollte diesem tagsüber viel Zeit schenken.

Und genau das macht die Wahl-Schönebeckerin jetzt. „Für mich ist es ideal“, sagt sie. „Ich gehe um 20 Uhr schlafen und stehe um 1.30 Uhr auf.“ Ihr Mann bringt den Kleinen in die Schule, und wenn sie nach Hause kommt, macht sie die Hausarbeit, kocht Mittagessen. Zweimal wöchentlich trägt sie nachmittags noch den Generalanzeiger aus, ansonsten hat sie einfach sehr viel Zeit für ihre Familie.

Doch reichen Antje Mönner 5,5 Stunden Schlaf? „Ja“, sagt sie und erzählt, dass sie morgens noch nicht einmal Kaffee braucht, um wach zu werden. Das viele Laufen zwischen Fahrzeug und Haustüren halte sie auch sonst fit. So erzählt sie, dass sie, seit sie als Zustellerin arbeitet, es geschafft habe, acht Kilogramm abzunehmen.

Wir sitzen im Fahrzeug und Antje Mönner zählt die Zeitungen durch. „Mist, irgendwo muss ich einen Stapel vergessen haben“, sagt sie. Denn eine Straße müssen wir in Pretzien noch austragen, es sind aber nur noch ein paar wenige Volksstimme-Ausgaben da.

Meine Kollegin vermutet, dass sie den Stapel aus Versehen in Grünewalde gelassen hat. Schnell fahren wir zurück – und tatsächlich liegt der Stapel noch vor der Haustür von Antje Mönners Kollegin. Es geht wieder schnell zurück nach Pretzien. Schließlich sollten wir es bis um 6 Uhr schaffen, die Zeitung ausgetragen zu haben. Doch Antje Mönner sagt: „Kriegen wir locker hin. Wir liegen gut in der Zeit.“ Und sie hat recht. Um zirka 5.15 Uhr werfe ich die letzte Volksstimme in einen Briefkasten. Ein tolles Gefühl, das, was ich gestern noch in der Redaktion geschrieben habe, im wahrsten Sinne des Wortes selbst an den Leser gebracht zu haben.

Jetzt „nur noch“ die Post. Hier scheint gute Vorbereitung alles zu sein. Antje Mönner sortiert schnell und routiniert nach Straßen, das Austragen geht dann überraschend rasch. Inzwischen ist es hell und statt Hase, Fuchs und Katzen sehen wir Menschen auf der Straße, die ich mit einem fröhlichen „Guten Morgen“ grüße.

Während wir zur nächsten Straße fahren, merke ich dennoch, dass ich einnicke und versuche, dies durch übermäßiges Reden zu überspielen. Doch Antje Mönner hat mich durchschaut. „Sie sind müde“, sagt sie und ich nicke verlegen.

Aber ehe ich mich versehe, halte ich nur noch einen Briefumschlag in der Hand. Da dieser an eine Adresse in einer Gartensparte geht, müssen wir einen Feldweg entlang fahren, bis wir zu einem verlassenen Briefkasten gelangen. Ich werfe die Post ein - und fühle mich befreit. Arbeit erledigt.

Wir fahren zurück zur Barbyer Straße, und ich treffe dort Gebietsleiter Ingo Baier. Von der Barbyer Straße aus werden nicht nur Schönebeck und die umliegenden Gemeinden, sondern auch Barby und Welsleben von insgesamt 60 Mitarbeitern beliefert. Dafür stehen den Mitarbeitern aktuell 22 Fahrzeuge zur Verfügung – der Rest wird mit dem Fahrrad zugestellt.

Wenn ein Mitarbeiter mal ausfällt und sich auf die Schnelle kein Ersatz findet, springt Ingo Baier übrigens gerne auch persönlich ein, erzählt er. Also auch für ihn alles andere als ein gewöhnlicher Büro-Job.

Es ist 7.30 Uhr. Für mich höchste Zeit, nach Hause zu fahren. Mit einem Kaffee von der Tankstelle – ohne den wäre ich eine Gefahr für den Straßenverkehr – geht es heim nach Magdeburg. Ich wasche mir die Druckertinte von den Händen und falle ins Bett. Wenige Stunden später fahre ich ausgeruht in die Redaktion. Während ich die Schönebecker Lokalausgabe schreibe und layoute, denke ich an Antje Mönner und ihre Kollegen. Denn die werden morgen wieder ab 2.30 Uhr das, was wir tagsüber produzieren, in der Region verteilen. Auch diese Geschichte.

Die nächtliche Arbeit als Zustellerin hat etwas sehr friedliches, die Stimmung in den Ortschaften um Schönebeck ist stimmungsvoll und besonders.

Außerdem beende ich die Arbeit mit einem zufriedenen Gefühl. Ich habe etwas Konkretes abgearbeitet und dabei ein Ziel erreicht. Danach ist Feierabend, ohne gedanklich noch bei der Arbeit zu sein. Jedoch bewundere ich Antje Mönner dafür, dass sie zu diesen frühen Stunden kein bisschen müde ist. Ich gehe einfach zu gern spät ins Bett – und arbeite dafür lieber mal bis in die Abendstunden, anstatt früh aufzustehen. Trotzdem werde ich wohl nie wieder morgens eine Volksstimme aus dem eigenen Briefkasten nehmen, ohne an die Zusteller denken zu müssen, die nachts unterwegs waren.

Bereits erschienen: Mitarbeiterin in der Kreiseinsatzleitstelle und Tierpflegerin.