Graffiti Sprühen erlaubt!

Jugendliche können eine 36 Quadratmeter große Wand an der Bahnhofstraße Schönebeck mit Sprühdosen verzieren.

Von Jan Iven 05.10.2018, 06:32

Schönebeck l Gar nicht so einfach, mit einer Sprühdose einen ordentlichen Farbstrich auf die Holzwand zu sprühen. Christoph Ackermann zeigt den rund 20 Kindern und Jugendlichen beim Jügendbüro Piranha am Bahnhof, wie die Sprühdose richtig geschüttelt und gehalten wird. „Ihr dürft nicht zu langsam sprühen, sonst zerläuft die Farbe“, sagt der 39-jährige Künstler aus Magdeburg. Mit Begeisterung probieren die Kleinen zum ersten Mal die Sprühdosen in bunten Farben an mehreren Holztafeln aus. Denn als nächste sollen sie die rund 36 Quadratmeter große Holzwand am Schuppen hinter dem Jugendbüro verzieren. Dort hat der Verein die erste legale Wand für Graffiti in Schönebeck errichtet.

„Die können sich dort ein bisschen mit Sprühdosen in einem geschützten Raum auf unserem Hof ausprobieren. Es soll eine Galerie für Straßenkunst sein, die immer wieder übermalt wird“, sagt Stefan Meier vom Jugendbüro. „Allerdings sollen die Jugendlichen nicht einfach ohne Sinn und Verstand rumsprühen. Deswegen zeigt ihnen ein Künstler, wie es richtig geht.“ Auch Stefan Meier probiert sich zum ersten Mal mit Sprühdose aus: „Das ist gar nicht so einfach, wie es aussieht“, hat er festgestellt.

Die Kinder und Jugendlichen probieren mit Begeisterung die Sprühdosen aus. Auf Papier werden vorlangen gezeichnet, die Schließlich an der frischen Holzwand angebracht werden. Ein Piranha darf natürlich nicht fehlen, das Maskottchen des Jugendbüros. Und auch der Schriftzug des befreundeten Jugendclub Young Generation wird gesprüht. Ein Mädchen vergisst dabei den Buchstaben „U“. Kein Problem, dann wird er eben lässig oben drüber gesprüht.

Doch bei allem Spaß am Sprühen hat das Projekt auch einen ernsten Hintergrund. Denn Graffiti gefallen schließlich nicht jedem. Vor allem, wenn sie illegal an Wänden angebracht werden, an die sie nicht gehören. Doch beim Jugendclub soll das Thema nicht mit erhobenem Zeigefinger behandelt werden. „Die Jugendlichen können bei uns sprühen, wenn sie möchten. Wir gehen daher aus, dass sie das auch woanders versuchen werden“, sagt Stefan Meier. „Wer wirklich Wände beschmieren möchte, der macht keinen Anfängerkurs bei uns.“

Und tatsächlich sieht das auch Polizeihauptmeisterin Petra Peters ähnlich. „Ich kenne die Kinder und Jugendlichen hier gut. Ich würde fast meine Hand dafür ins Feuer legen, dass sie nicht illegal sprühen werden“, sagt die Regionalbereichsbeamtin, die häufig bei den Projekten des Jugendbüros dabei ist. Auch bei den ersten Übungen der Kinder mit der Sprühdose schaut sie zu. Sie ist dabei. Das reicht. Die Kinder und Jugendlichen kennen sie und haben sich längst an sie gewöhnt.

Christoph Ackermann geht relativ offen mit seiner Vergangenheit als Sprayer um. „Damals in den 90er Jahren wurde noch nicht zwischen legal und illegal unterschieden“, sagt der Künstler, der seinerzeit unter dem Pseudonym Sone mit der Spraydose in Magdeburg unterwegs war. Es ist davon auszugehen, dass das Sprühen damals noch nicht in so geordneten Bahnen ablief wie heute beim Jugendbüro Piranha an der Bahnhofstraße.

Inzwischen hat er allerdings als freischaffender Künstler sein Hobby zum Beruf gemacht, betreibt ein Atelier in Magdeburg und übernimmt ganz offiziell Aufträge in ganz Deutschland. Immer wieder gibt er auch Kurse für Jugendliche. Dass sie einmal straffällig werden könnten, glaubt er nicht. Legales Sprühen ist inzwischen längst akzeptiert, ist Künstler Christoph Ackermann überzeugt.