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TrauerTrixi Ziener ist gestorben

Die Stadt Schönebeck trauert um Trixi Ziener. Die 47-Jährige ist am Donnerstagabend gestorben.

Von Olaf Koch 16.03.2018, 10:54

Schönebeck l Trixi Ziener ist am Donnerstagabend nach einer schweren Krankheit gestorben. Die Schönebeckerin leitete seit mehr als 20 Jahren den Jugendclub "Young Generation", der sich in Trägerschäft des Vereines Rückenwindes befindet. Ein Nachruf:

Es war der letzte Weg, und es war der wohl schwerste. Während Trixi Ziener zeitlebens in ihrer Arbeit mit Kindern und Jugendlichen Durchhaltevermögen und Kraft hatte, mit ihrer offenen, einnehmenden und gleichzeitig sympathischen Art nie hinter dem Berg hielt und ganz selten vor Problemen kapitulierte, hat sie ihren eigenen Kampf nun verloren.  Es war ein ungleicher Kampf gegen eine Krankheit, der sie schon vor geraumer Zeit schwächte, aber wieder erfüllt ins Leben zurückbrachte. Jetzt ist das wahr geworden, was alle nie hofften: Trixi Ziener ist am Donnerstagabend gestorben.

Fassungslosigkeit herrschte am Freitag im Jugendclub „Young Generation“, der vom Verein Rückenwind betrieben wird. Wo ansonsten unzählige Kinder spielen, toben, lachen und Hausaufgaben machen, herrschte am Freitag unendliche Stille. Schon für die betreuenden Erwachsenen im Jugendclub war es nicht leicht, den Schmerz über Trixis Tod zu verarbeiten. Um wie viel schwerer muss das nun für die Kinder und Jugendlichen gewesen sein? „Wir sind einfach nur da“, war die Devise am Freitag, um mit den Mädchen und Jungen zusammenzurücken.

Für viele war der Jugendclub nicht nur ein zweites Zuhause, für einige auch das erste. Trixi Ziener war für sie nicht nur eine immer strahlende und gut aufgelegte Mitarbeiterin. Sie war für so manches Kind der Fels in der Brandung einer Welt, die neu war, ungerecht und sorgenvoll. Sie öffnete den Kleinsten die Arme, als wäre sie selbst die Mutter.

Beatrix Ziener, die wohl alle nur unter Trixi kennen, lebte für den Jugendclub und für „ihre“ Kinder. Sie gab ihnen einen Teil der Familie, die Kinder gaben ihr genauso dieses Gefühl wieder zurück. Für die Schönebeckerin war es die Erfüllung ihres Lebens.  Sie vermittelte den Kindern Werte, die sie von zu Hause nicht unbedingt kannten.  Noch heute wird beispielsweise davon erzählt, als anfangs und immer wieder neue Gäste in den Jugendclub kamen, ohne freundlich „Guten Tag!“ sagen. Diese Vermittlung von Umgangsformen waren die Basis für die Arbeit im „Young Generation“.

„Für das Leben lernen“ war für Trixi Ziener keine Floskel, sie und ihre Kollegen lebten das den jungen Schönebeckern, die teilweise in der zweiten Generation kamen, vor. Mal schnell den Knopf an die Hose wieder annähen, gemeinsam in der Küche Essen kochen und dabei erzählen und Spaß haben und die Kinder einfach nur „drücken“. Das Glück der Kinder und deren Zufriedenheit war der größte Lohn, den Trixi Ziener bekommen wollte. Sie und ihre Mitstreiter wussten, dass man mit der Jugendarbeit nicht reich werden würde. Doch das war ihr egal. Umso erfreuter war sie, als sie Ende des Jahres 2017 vom Schönebecker Stadtrat ausgewählt wurde, den „Rathauspreis 2017“ zu bekommen. Sie selbst konnte an der Ehrung schon nicht mehr teilnehmen. Zu sehr hatte die Krankheit die Oberhand gewonnen.

„Mit jedem Blutstropfen ist Trixi in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen verankert und das nicht nur als Job oder als Arbeitsinhalt, sondern quasi ein Leben lang“, sagte damals Frank Schiwek, der die Laudatio hielt. Schon früh hatte Trixi den Berufswunsch mit Kindern zu arbeiten: Grundschullehrerin, damals noch Unterstufenlehrerin. So begann sie ihr Studium und schloss es 1993 erfolgreich am damaligen Institut für Lehrerbildung in Bernburg ab, berichtete Frank Schiwek. Ein Berufsanerkennungsjahr absolvierte sie in einer Wohngruppe für verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche in der Bad Salzelmener Dammstraße.

Im Gegensatz zur heutigen Zeit waren freie Stellen für Lehrerinnen und Lehrer mehr als dünn gesät. Eine der ersten Bewerbungen, die Trixi Ziener schrieb, ging daher an das damalige „Verwaltungsamt Sozialer Dienst“, dem heutigen Sachgebiet Bildung und Soziales der Schönebecker Stadtverwaltung. „Die Jugendarbeit in unserer Stadt wurde in diesen Jahren erst aufgebaut beziehungsweise neu strukturiert und brauchte engagierte und ideenreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. So hatte auch Trixis Bewerbung Erfolg. Zum Glück, wie wir heute wis-
sen“, erinnert sich Frank Schiwek.

Zunächst waren ihre Einsatzorte das Kinder- und Jugendbüro „Piranha“, damals noch im ehemaligen Pionierhaus, und der Jugendclub „Future“ in der Moskauer Straße. Ihre offizielle Amtsbezeichnung war „Streetworkerin“. Ein Titel, den sie ernst nahm, und so – heute fast unvorstellbar – wurde die junge, attraktive und zerbrechlich wirkende junge Frau, Ansprechpartnerin und Kontaktperson der Schönebecker Punk-Szene und anderer Gruppen. Keiner kannte die Karrieren, Sorgen und Probleme der Skater und Graffittisprayer Schönebecks so gut wie Trixi.
Im Jahr 1995 öffnete sich eine neue Tür und Trixi Ziener übernahm den Jugendclub „Young Generation“ – damals in der Straße der Jugend, heute in der Welsleber Straße als Projektleiterin. Sie leitete nun offiziell einen Jugendclub.

Eine besondere Rolle kam und kommt dem „Young Generation“ bei der Integration von Kindern und Jugendlichen zu, die gemeinsam mit ihren Eltern Schutz suchen. Die viel zitierte „Flüchtlingswelle“ überrollte auch den Club in der ehemaligen Sparkasse in der Welsleber Straße. Neben vielen Freizeitaktivitäten standen nun plötzlich Sprachkurse, Hausaufgabenhilfen und andere Dinge, die vorwiegend mit der fehlenden Sprachkompetenz und dem Eingewöhnen in die neue Kultur in Zusammenhang stehen, im Vordergrund. „Alle standen Kopf, aber alle Mitarbeitenden und ehrenamtlichen Helfer standen auch ihren Mann – oder in Trixis Fall eben ihre Frau“, formulierte es Schiwek.

Nie ist das Althergebrachte gut genug. Bei Trixi Ziener gab es immer den berühmten „Kick“ obendrauf. Nach Ende der Arbeitszeit im Jugendclub ging die Arbeit abends und nachts am heimischen Computer weiter: Sponsorenbriefe, E-Mails, VIP-Karten für Konzerte oder einen Auftritt bei „Cindy aus Marzahn“, um auf die Situation der Kinder und Jugendlichen aufmerksam zu machen und Spenden für die nächsten Projekte zu sammeln. „Nie zum Selbstzweck oder zur Selbstdarstellung – nein, die Kinder und ihre Sorgen stehen im Vordergrund allen Handelns“, hieß es in der Laudatio.

Und so manches vertrauliche und berühmt-berüchtigte, manchmal auch unorthodoxe „Küchengespräch“ im Club hat Dinge bei den Kindern und Jugendlichen gerade gerückt, Welten geordnet und manche und manchen von der schiefen Bahn abgehalten oder zurückgeholt. Dinge und Erfolge, die nicht messbar, aber unermesslich wichtig sind. „Für die Kinder und Jugendlichen, letztlich aber für uns alle“, so Schiwek.

Blickt man auf dieses Engagement, auf die Art und Weise seine Aufgabe zu erledigen, fragt man sich unwillkürlich: Was trieb diese Frau an? Die Antwort ist simpel: Der Glaube an das Gute in den Kindern und die Sorge um deren Entwicklung. Woher kam diese scheinbar nie enden wollende Energie, mit der sie an Aufgaben und Probleme heranging und die Beständigkeit, mit der um Lösungen gerungen und gekämpft wurde?  „Aus der Musik“ wird der sagen, der die Klavierspielerin Trixi kennt, „das gute Essen“ wird der anführen, der die begnadete Köchin kennengelernt hat oder aus der „Mischung aus Benzingeruch und Freiheit“ meint der, der von der ambitionierten Motorradfahrerin spricht.

„Es gibt Menschen, die machen ihren Job, und es gibt Menschen, die haben eine Aufgabe. Trixi gehört eindeutig zur letzteren Gruppe“, formulierte es Schiwek anlässlich des Rathauspreises. Arbeitszeitbeschränkungen und Wochenenden gab es nicht, wenn es ihr notwendig erschien. Und es schien ihr sehr, sehr oft notwendig zu sein.

Bleibt abschließend zu überlegen: Was wollte uns Trixis Wirken sagen, was lernen wir aus ihrem Handeln ...

... dass Kinder die Zukunft sind und sie alle Anstrengungen, alle Mühen und Sorgen verdient haben, um ihren Weg so gut wie möglich zu gestalten, besonders dann, wenn die Umstände es nicht gut mit ihnen meinen.

... dass auch Rückschläge uns in unserem Tun nicht aufhalten sollen und wir auch bei Gegenwind nicht nachlassen dürfen, für unsere Ziele und unsere Ideale einzustehen.

... dass jeder einzelne Tag wichtig ist, unsere Frau und unseren Mann zu stehen, weil wir alle nicht wissen, wie viel Zeit uns bleibt.

Für das, was Trixi Ziener für die Kinder und die Jugendlichen in dieser Stadt getan hat und für die Lehren, Tipps und Hinweise, die sie vielen  mitgegeben hat, für ihr Kämpfen, ihr liebevolles Fördern der Kinder und das Fordern, haben ihr die Kinder und Jugendlichen der Stadt mit dem Wichtigsten und Wertvollsten gedankt, was sie haben: mit ihrem Vertrauen, ihrer Zuneigung, mit ihrer Liebe.

Sie gab den Kindern in schweren Stunden Halt und muss nun selbst loslassen.

Für immer.