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Waldbrände Der Kampf zurück ins alte Leben

Die gebürtige Eggersdorferin Sabrina Davis berichtet, wie es ihr und ihrer Familie nach den Waldbränden in Australien ergangen ist.

Von Bianca Oldekamp 13.02.2020, 09:53

Eggersdorf/Kangaroo Island l Es ist Freitag, der 3. Januar 2020. Der Tag, an dem sich das Leben von Familie Davis – das sind die gebürtige Eggersdorferin Sabrina Davis, ihr Mann Ben Davis und die beiden Kinder Jordan (7) und Kerily (5) für immer verändert. „An der Panik in den Augen meines Mannes habe ich erkannt, wie ernst es doch nun wurde“, erzählt Sabrina Davis wenige Tage nachdem die Buschfeuer in Australien, die zu dieser Zeit im Südosten des Kontinents wüten, auch das Grundstück der vierköpfigen Familie überrollten – während Ben Davis, sein Bruder Brenton Davis und deren Vater im Haus der Familie verharrten.

Das Video, das ihr Schwager Brenton Davis aufgenommen hatte, während das Feuer über die Davis-Farm zog, wurde im Internet tausendfach geklickt und geteilt, im deutschen Privatfernsehen, das in den ersten zwei Wochen nach dem Feuer mehrfach über das Schicksal der Familie berichtete, gezeigt.

Seit diesen Berichten ist mittlerweile rund ein Monat vergangen, eineinhalb seit dem Feuer, das der Familie, die im Südwesten von Kangaroo Island, einer Insel im Süden Australiens, ihre Existenz nahm – die eigene Schaffarm. Und diese will die Familie auch wieder errichten. Immerhin hatte die Familie diese Farm über zehn Jahre lang aufgebaut, und die Familie von Ben Davis hatte dort schon seit den 1950er Jahren gefarmt.

Hier hatte Sabrina Davis ihren heutigen Ehemann im März 2009 auch kennengelernt, als sie einige Zeit einer Südostasien- und Australien-Reise bei einer der australischen Imker-Familie, zu der eben auch Ben Davis gehört, verbrachte. Seither wohnt die 37-Jährige auf Kangaroo Island. 2012 hat das Paar schließlich geheiratet, zwei Kinder bekommen.

Zurück auf das Grundstück, das der Familie gehört, zurück in ihr altes Leben: Das will die Familie jetzt. Das stand für Sabrina Davis schon kurz nach dem Brand fest. „Aber all das braucht Zeit“, sagt die 37-Jährige. „Wir erwarten nicht dass wir vor 2021/22 wieder nach Hause ziehen können.“

Zurück auf das Grundstück der Familie ging es für die gebürtige Eggersdorferin nur wenige Tage, nachdem das Feuer der Familie ihr gesamtes Hab und Gut genommen hat. „Der erste Besuch war extrem hart“, berichtet Sabrina Davis. Sie sei Gott sei Dank nicht alleine, sondern mit den Schwiegereltern hingefahren. Vor Ort traf sie dann auf ihren Mann, der dort ohnehin meistens übernachtet. „Allein die Fahrt war schon emotional. Das Tierleid an den Straßenseiten zu sehen, die verbrannten Bäume, zu sehen wie viele unserer Freunde ihr Zuhause verloren haben, wie viele Hotels und Firmen es nun nicht mehr gibt: Das hat mich tief getroffen.“

Nichts allerdings konnte Sabrina Davis auf die Gefühle vorbereiten, die sie überkommen würden, wenn sie ihr eigenes zu Hause beziehungsweise das, was davon übrig geblieben ist, erstmals sehen würde: „Es ist einfach so wahnsinnig unwirklich, und die Schmerzen, es live zu sehen, waren eine Erfahrung, die ich niemandem wünsche. All seine Erinnerungen in Trümmern zu sehen, ist extrem hart – speziell die Dinge der Kinder.“ Noch heute – Sabrina Davis war inzwischen noch drei weitere Male vor Ort – habe sie bei jedem Besuch ein mulmiges Gefühl im Magen.

Die Liste dessen, was die Familie derzeit zu tun hat, erscheint schier endlos. Sabrina Davis zählt auf, was schon erledigt wurde: „Schwer verletzte Tiere mussten tierschutzgerecht entfernt werden, Zäune aufgerollt, Pfosten rausgezogen, Ställe auseinander gebaut, Wasserrohre gelegt, Zaunwege und Brücken neu angelegt, und zahlreiche unsichere Bäume mussten gefällt werden.“ Zwei Tage habe die Familie dabei Unterstützung von der Armee bekommen. Außerdem waren drei junge Deutsche zu Besuch, die vom Schicksal der Familie gehört hatten und gekommen waren, um zu helfen. „Viele Freunde bieten ihre Hilfe an, aber es ist einfach ein extrem langsamer Prozess und wird noch lange dauern“, fürchtet die 37-Jährige.

Immerhin: Die Versicherungen der Familie sind schon tätig geworden. „Die Versicherungen waren hier vor Ort und haben sich alles angeschaut. Die Farm und das Haus inklusive jeglicher Infrastruktur wurden als voller Verlust abgeschrieben.“ Trotzdem brauche die Familie viel Geduld, findet Sabrina Davis. Zudem sei ihre Familie nur eine von 89 Familien, die auf Kangaroo Island alles verloren hätten „daher dauern all diese Prozesse etwas länger“.

Um sich bei den Versicherungen überhaupt ausweisen zu können, musste das Ehepaar aber zunächst einmal nach Adelaide, in die Hauptstadt des australischen Bundesstaates South Australia, zu dem auch Kangaroo Island gehört, um den Führerschein und die Krankenkarte von Ben Davis neu zu beantragen. Die Dokumente waren den Flammen zum Opfer gefallen – genau wie die 500 Schafe, die die Existenzgrundlage der Familie bildeten. Die Tiere waren allerdings nicht versichert.

Dennoch plant das Ehepaar Davis neue Tiere anzuschaffen, den Farmbetrieb so wieder anlaufen zu lassen. Für den Kauf der Tiere, will das Paar die bislang rund 35.000 Euro, die bei einer Spendenaktion zusammengekommen sind, nutzen.

„Wir planen, uns in zehn bis zwölf Monaten davon neue Schafe zu kaufen“, erzählt Sabrina Davis, die von der Hilfsbereitschaft vor Ort und aus der alten Heimat immer noch überwältigt ist. Aktuell habe die Familie aber weder Zäune, Ställe noch Futter für die Tiere. „Die Schafspreise sind aufgrund der aktuellen Situation extrem hoch, aber wir hoffen, dass es vielleicht bis dahin etwas besser mit unserer Infrastruktur aussieht und die Preise gefallen sind“, sagt sie vorsichtig zuversichtlich. „Eventuell können wir uns dann hoffentlich 250 Schafe davon kaufen und neu anfangen.“

Ins Leben gerufen hatte die Spendenaktion Cornelia Klotz aus München. Sie ist eine Freundin von Sabrina Davis. Die beiden Frauen kennen sich seit der Schulzeit. Denn in der 11. Klasse ist Sabrina Davis von Eggersdorf aus in die bayerische Landeshauptstadt gezogen. Nur wenige Stunden nach dem schweren Schicksalsschlag hatte die Münchnerin die Spendenseite im Internet freigeschaltet. Nach nicht einmal einer Woche waren schon über 19.000 Euro zusammengekommen. Neben Familie und Freunden beteiligten sich an der Spendenaktion aber auch Leute, denen das Schicksal der Davis nahe ging. Mehrere vierstellige Beträge kommen auch aus dem Salzlandkreis. Schließlich hat Sabrina Davis hier in Eggersdorf ihre Kindheit und Jugend verbracht. Ihre Großeltern leben noch heute in Eggersdorf, ihre Schwester mit Familie in Calbe, Freunde hat sie noch heute in Schönebeck und dem Bördeland.

Nach dem Feuer Anfang Januar war die Familie in einen Stall der Schwiegereltern, die in der Inselhauptstadt Kingscote wohnen, gezogen. „Das hört sich schlimmer an, als es ist“, sagt Sabrina Davis und erklärt: „Es ist sehr nah an deren Haus. Wir haben hier ein kleines bisschen Grundstück und können solange bleiben, wie wir wollen.“ Zwar wurden der Familie auch mehr als zehn Ferienwohnungen beziehungsweise -häuser angeboten. In diesen waren Hunde allerdings nicht erlaubt. „Hunde und Kinder trennen, war für mich keine Option“, erklärt die 37-Jährige.

Die Familie ist aber auch so ganz glücklich: „Wir haben zwei Zimmer. Einen alten Lagerraum habe ich mit gespendeten Betten und Schränken in unser Schlafzimmer umgewandelt, wo wir alle Vier zusammen schlafen. Das andere Zimmer ist eine Küche mit Ess- und Wohnbereich, der schon vorher komplett von meiner Schwiegermutter eingerichtet war und von ihr als Gästewohnung für Besucher genutzt wurde.“ Die Familie will bleiben – „eventuelle auch bis wir wieder ein Haus gebaut haben.“

Aktuell ist es laut Sabrina Davis wieder sehr heiß auf der Insel. „Wir hatten jetzt die letzte Woche wieder über 30 Grad und Sonnenschein. Dank einer großen Menge Regen scheint das Feuer nun aber unter Kontrolle zu sein.“ Trotz allem sei noch immer Feuersaison, Brände könnten jederzeit in anderen Gebieten der Insel ausbrechen. „Man muss daher weiter vorsichtig sein“, findet die gebürtige Eggersdorferin.