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Naturschutz Wie ein Rentner aus Barby den Eichenwald rettet

Hans Duberatz trotzt Hitze und Gefahren, um den historischen „Eichelwald“ in Barby zu bewahren. Was den Ehrenamtler trotz aller Hindernisse antreibt.

Von Thomas Linßner 17.07.2024, 06:00
Knallige Sonne von oben, Zecken von unten: Hans Duberatz senst seine angepflanzten Eichen auf dem Hohen Werder frei.
Knallige Sonne von oben, Zecken von unten: Hans Duberatz senst seine angepflanzten Eichen auf dem Hohen Werder frei. Foto: Thomas Linßner

Barby. - „Ach, mich brauchst’e nicht zu fotografieren. Schreib lieber mal was über den miserablen Weg!“, winkt Hans Duberatz ab, als ich die Kamera auf ihn richte. Damit meint er den Spaziergängerweg, der im Zuge der Hochwassersanierung erneuert wurde und jetzt schlechter als vorher ist.

„Die Leute vom Awo-Pflegeheim sind hier früher mit ihrer Rikscha lang gefahren. Jetzt kommen sie nicht mehr“, weiß der 70-Jährige. „Kinderwagenschieber und Rolllatorleute“ auch nicht. Denn der Weg mit „gebundener Decke“ wurde nicht gewalzt. In einer der letzten Amtshandlungen vor seinem Ruhestand kündigte Amtsleiter Holger Goldschmidt noch an, dass dieser Mangel behoben werde.

Wann, steht allerdings nicht fest.

Bissige Distelwildnis

Doch darum soll es an dieser Stelle nicht in erster Linie gehen. Es geht um den Wahl-Barbyer mit der Sense, der bei knalliger Sonne von oben und lauernden Zecken von unten Schneisen in die fast zwei Meter hohe Distelwildnis senst. Damit „seine“ Bäume überleben, groß und stark werden. Warum er überhaupt mit der Sense umgehen kann, wo hippe Zeitgenossen den E-Trimmer benutzen? „Das habe ich gelernt, weil wir früher Futter für die Gänse und Karnickel holen mussten“, lächelt er.

Duberatz würde nie auf die Idee kommen, sein Tun an die große Glocke zu hängen. Er ist im klassischen Sinne ein „stiller Ehrenamtler“, der keine große Aufmerksamkeit will. Obwohl er sie verdienen würde.

Der Hitze trotzen

In diesen Tagen sieht man ihn, wie er bei 30 Grad die Sense schwingt oder Wasser schleppt. „Die kleinen Eichen ersticken sonst“, sagt der Wahl-Barbyer, dessen Wiege in Calbe-Schwarz stand. Hans Duberatz hat in den vergangenen Jahren etwas geleistet, wofür man einen Fördermittelantrag hätte stellen müssen. Er pflanzte im alten „Eichelwald“ nach eigenem Bekunden zehn Eichen, zwei Ahorne und eine Linde. „Alle selbst gezogen oder ausgegraben“, so der Rentner. „Hinten in der Lindenallee“, wo er wohnt, sprießen die jungen Bäume von selbst. Das Areal liegt im Schatten des stillen Bahndamms, wo sich die Bäume wohlfühlen.

Hätte man die 13 Bäume von einer Fachfirma pflanzen lassen, Anwuchs und Pflege bezahlt, wäre ein nettes Sümmchen zusammen gekommen.

Letzte Rettung

Hat man aber nicht. Es gab mehrere Nachpflanzungen in den vergangenen drei Jahrzehnten, die aber überwiegend fehl schlugen. Die Bäume vertrockneten, wurden infolge ungenügendem Schutz von Bibern oder Rindern beschädigt. Die Stadt hat hier offenbar nur die Kraft, die Gefahrenabwehr sicherzustellen. Uralte Eichen vertrocknen. Was uns zeigt, dass der historische „Eichelwald“, der vermutlich auf Herzog Heinrich (1657 bis 1728) zurück geht, immer zerbrechlicher wird. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Der ehemalige Tiefbauer Duberatz senst Pfade in das mannshohe Kraut, um an „seine“ Bäume zu kommen. Die Summe der Schneisenmeter beläuft sich auf fast hundert.

Mit dem Fahrrad und zwei Gießkannen macht er sich auf die Socken, um vom Wasserwagen der Agrar GmbH das lebensspendende Nass zu holen. Was jedes Mal 600 Meter hin und 600 Meter zurück ist. (Wer einmal mit 20 Kilo Wasser am Lenker geradelt ist, weiß um diese Artistik.)

Wassermangel und Raupenbefall

„Nur gut, dass der Wasserwagen jetzt wieder an der Streuobstwiese steht“, sagt Hans Duberatz, „sonst müsste ich das Wasser eimerweise aus der Elbe holen.“ Womit er die Kleine Elbe meint, die zwar näher, aber auf noch abenteuerlicheren Wegen zu erreichen ist. Außerdem trocknet der Altarm in heißen Sommern aus. Wonach es jetzt glücklicherweise nicht aussieht.

2020 machten sich gefräßige Raupen über die jungen Eichen her. Deren Nester wurden damals per Hand entfernt. „Die Bäume haben gerade noch so eine Größe, dass man das machen konnte“, so der Rentner. Beim Ausgraben der Eichen musste er aufpassen, dass die Pfahlwurzel möglichst lang ausgebuddelt wird.

Besondere Hingabe für die Natur

„Junge Eichen haben so eine lange Pfahlwurzel, die bald länger ist, als der Baum oben“, so der ehemalige Tiefbauer, der vor Jahren seine Brötchen bei der Sanierung der Stadtmauer verdiente. Der Rentner ist nicht der Einzige, der hier verjüngt. In den vergangenen 15 Jahren gab es verschiedene Barbyer, die Gedenkbäume pflanzten. Auf eine so große Summe wie Hans kommt aber keiner. Diese Bäume sind erst aus dem Gröbsten raus, wenn sie etwa 30, 40 Jahre alt sind.

Eine Aufwertung erfuhr das Gelände, als nach dem Reha-Klinikbau 1998 auch Fördermittel für die parkähnliche Gestaltung des Elbvorlandes zwischen dem historischen Wachturm „Prinzeßchen“ und dem Brücktor flossen.

Die Stadt einigte sich damals mit dem Klinik-Betreiber, das Areal zu pflegen.