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Wirtschaft Kunststofffenster aus Zuchau

Tischlermeister Joachim Peterle stellt in der kleinen 300-Einwohner-Gemeinde Zuchau (Salzlandkreis) Kunststofffenster her.

Von Thomas Linßner 08.06.2016, 18:13

Zuchau l „Unser Betrieb befindet sich ganz am Ende von Zuchau“, beschreibt Joachim Peterle die Lage seiner Firma. Und wirklich: Wer die idyllische schmale Straße entlang fährt, vermutet an deren Ende nicht eine Firma, die seit Jahrzehnten eine gute Adresse für Fenster- und Rollladenbau ist.

Heute ist der Vier-Mann-Betrieb breit aufgestellt. Kunststofffenster und -türen, Holzfenster, Rollläden und -tore, Innenausbau und Holzarbeiten, Parkett und Laminat stehen auf der Visitenkarte. Doch dazu später.

Bei Gründung des kleinen Unternehmens hatte nach dem Krieg das Schicksal wie so oft seine Hände im Spiel. Joachims Vater Wilfried (heute 87) wurde mit seiner Familie im Sommer 1945 aus dem Sudetenland ausgewiesen. Hier hatte der 15-Jährige gerade eine Lehre als Tischler und Stellmacher begonnen, um im väterlichen Betrieb einzusteigen. Doch der Vater war in einem italienischen Kriegsgefangenenlager interniert, die Familie kam bei Verwandten in Zuchau unter. Wilfried musste wieder bei Null anfangen.

Bei Stellmacher Renneberg, dessen Werkstatt unweit der Pferdeschwemme war, konnte der junge Heimatvertriebene seine Lehre fortsetzen. Dort wurden Ackerwagen gebaut. Die Eisenreifen zog man bei Schmied Martin Kühne gegenüber auf hölzerne Wagenräder auf. Wobei Präzision gefragt war: Der Innendurchmesser der Reifen musste etwas kleiner als der äußere Umfang der Felge sein, damit der Reifen am Ende ohne Spalt und unverrückbar fest saß.

Weil abzusehen war, dass die Zeit der Stellmacherei zu Ende ging, suchte sich Wilfried Peterle eine neue Nische: Er spezialisierte sich auf den Rollladenbau aus Kiefernholz. „In den 50er Jahren gab es im Kreis Schönebeck 114 holzverarbeitende Betriebe“, erinnert sich der 87-Jährige. Ein Teil davon brauchte Rollläden für Fenster und Türen. „Man hat es mir anfangs nicht zugetraut, dass ein so kleiner Betrieb das schaffen würde“, lächelt der Senior. Denn der Zusammenbau der gefrästen Profile funktionierte wie in erzgebirglicher Heimarbeit: Mutter und Ehefrau halfen. Diese Skepsis rief den Ehrgeiz in Peterle wach, der sich in den Jahren einen Namen erarbeitete. Mit Erfindungsgeist und Kreativität wurden Maschinen nach individuellen Anforderung selbst gebaut.

1970 stellte Peterle die Rollladenproduktion von Holz auf Kunststoff um. Er war einer der ersten, der das in der DDR machte und testete die Stäbe im Auftrag des Herstellers VEB Orbitaplast in Osternienburg. „Wir mussten ja erstmal Erfahrungen sammeln, ob sich das Material eignet“, erinnert er sich.

1988 übernahm Sohn Joachim (60) die Firma. Er hatte Modelltischler gelernt und Gießereitechnik studiert. Zwei Jahre später musste sich das kleine Unternehmen den Anforderungen der Marktwirtschaft stellen. „Firmen aus dem Westen standen Schlange, um die Gunst der Stunde nutzend im Osten einen Fuß in die Tür zu kriegen“, sagt er. „In unserem Fall wurden wir fair behandelt“, unterstreicht Joachim Peterle die Kooperation mit einem führenden Hersteller von Kunststoffprofilen. So kam es, dass der Meister zwei Männer aus Zuchau anstellte und umschulte. Zusammen mit Ehefrau Ilonka - sie erledigt die Büroarbeiten – besteht der Betrieb heute aus vier Personen. Die Produkte werden nach der neuesten Wärmeschutzverordnung hergestellt - die Profile haben mehr Kammern als früher, sind auch etwas stärker.

„90 Prozent unserer Kunden sind Privatpersonen“, verrät der Meister. Sie schätzen besonders individuelle Anfertigung von Fenstern, Rollläden und Türen aus Zuchau.