Kurios Zehn Schüsse gegen streundende Hunde in Barby: Fahrradklingel, mit der man Strolche verjagte
Waren per Katalog zu bestellen, war bereits vor hundert Jahren Mode. So wurden für Radfahrer kuriose Dinge angeboten, die man sich schicken lassen konnte.

Barby - Axel Kunicke blättert gern in alten Katalogen, in denen Fahrradzubehör angepriesen wird. Ein Lieblingsstück des Barbyer Zweiradmechanikers stammt aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg und ist vom Design her im feinsten Jugendstil gestaltet. Es ist unglaublich, wie breit das Sortiment an Ersatzteilen und Zubehör für Fahrräder bereits vor über hundert Jahren war.
Eines der kuriosesten Stücke ist eine sogenannte Schießglocke. Wer jetzt an den Klangkörper wehrhafter Kirchen denkt, liegt falsch. Mit einer Schießglocke … doch halt, erstmal soll die Katalogbeschreibung zitiert werden, um die Spannung zu steigern. „Diese überaus praktische Fahrradglocke, aus der schnell 10 Schuss in drei Sekunden abgefeuert werden können, bietet einen wirksamen Schutz …“
Wirksamer Schutz? Um alles in der Welt: Wogegen muss sich ein Radfahrer zu Zeiten Kaiser Wilhelms schützen? Und dann noch mit Schnellfeuergeschwindigkeit. In einer Zeit, wo die Fahrradbeleuchtung aus Karbidlampen bestand und der Rücktritt mal eben gerade so Einzug gehalten hatte.

Zitat Katalog: „Schießglocken sind gegen die oft so gefährliche Belästigung durch Hunde.“ Doch damit nicht genug: „Der Laute Knall verscheucht selbst Gassenbuben und Strolche.“
Die explosive Fahrradklingel wurde mit zehn Platzpatronen „aufmunitioniert“. Ein Blick in das Innere verrät einen aufwendigen mechanischen Aufbau. Mit einem Preis von 2,40 Mark war das Teil erstaunlich preiswert, wenn man bedenkt, dass 100 Platzpatronen 1,20 Mark kosteten. Vielleicht verwendeten unsere Urgroßväter bereits jenes Prinzip, mit dem sich die Hersteller von Laser- und Tintenstrahldruckern heute goldene Nasen verdienen: Preiswerte Hardware, unverhältnismäßig überteuerte Druckerpatronen.
Dennoch muss man es sich auf der Zunge zergehen lassen, wie es war, wenn ein Radfahrer vor 110 Jahren um die Ecke kam, und Hunde, Strolche und Gassenbuben mit aufgeregter Ballerei verscheuchte. Bleiben die Fragen: Wie beeindruckt waren Hunde und Strolche darüber, wie entspannt blieben der Schutzmann und die zu Fuß gehenden Bürger?
In den 1920er Jahren findet man diese Art der Ballerklingeln für Fahrräder kaum noch.
Aber noch etwas anderes lässt aufmerken: Im Kleingedruckten der Katalog-Ausgabe von 1910 stehen nicht etwa spitzfindige Dinge, die der Käufer nicht auf den ersten Blick begreifen soll, wie es heute oft ist. „Jeder Auftrag wird sofort, das heißt binnen 24 Stunden, zur Erledigung gebracht!“
Heute legt man für kuriose Fahrradklingeln jener Tage dreistellige Eurobeträge auf den Ladentisch.