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Zuhause auf Zeit Sind drei Jugendhilfehäuser zu viel?

Die Glinder sind nach dem schweren Einbruch durch Kinder eines Jugendhilfehauses verunsichert. Nun soll ein weiteres entstehen.

Von Thomas Linßner 18.02.2020, 00:01

Glinde l Das Wichtigste zuerst: Im Rahmen der stationären Erziehungshilfe soll in der Dorfstraße 94 ein „Zuhause auf Zeit“ für acht Kinder zwischen 6 und 12 Jahren entstehen, die auf Grund von Belastungssituationen nicht länger in ihrer Herkunftsfamilie leben können.

In Glinde sollen die Kinder „Sicherheit und positive Bindungs- und Gemeinschaftserfahrungen“ machen, heißt es in einem Papier, das dem Glinder Vize-Ortsbürgermeister Frank Fabian (CDU) und der Stadt Barby seit wenigen Tagen vorliegt.

Ein Team aus Psychologen und Pädagogen werde die jungen Menschen 356 Tage im Jahr und „rund um die Uhr bei ihrer Entwicklung begleiten“.

In der jüngsten Ortschaftsratssitzung hatte Anfang Februar der „Buschfunk“ dieses Vorhaben gemeldet. Konkretes konnten weder Karin Knopf, die Vertreterin der Stadt Barby, noch Ortsbürgermeister Norbert Langoff sagen.

Die Glinder zeigten sich gelinde gesagt wenig begeistert über eine weitere Jugendhilfeinrichtung mit „Problemkindern“, die man vielleicht nicht unter Kontrolle habe. Denn kurz zuvor hatten Halbwüchsige der benachbarten Einrichtung des Trägers „Nestwärme“ das Innere eines Einfamilienhauses über Stunden verwüstet. Der Schaden: 138.000 Euro. Die jungen Täter sind im „Sportpark“ untergebracht.

Das Haus in der Dorfstraße 94, das jetzt zum „Zuhause auf Zeit“ werden soll, ist ebenfalls Bestandteil des ehemaligen Sportparks der Eintracht Glinde.

Quintessenz der Bürger zu diesem Thema: Ist eine 284-Einwohner-Gemeinde mit drei solcher Einrichtungen nicht überfordert? Denn außer der Nestwärme gibt es noch ein Kinderdorfhaus in Glinde, das in der Vergangenheit aber nie negativ auffiel.

Während der jüngsten Ortschaftsratssitzung wurden Unmut und Unverständnis bei den Bürgern und auch bei den anwesenden Vertretern der Stadt Barby deutlich, die über das neue Vorhaben von der zuständigen Fachbehörde des Salzlandkreises noch nicht ins Bild gesetzt wurden.

Auf Volksstimme-Anfrage teilt die Pressestelle des Salzlandkreises mit, das Unverständnis vor dem Hintergrund der jüngsten Randale bei einer Glinder Familie zu verstehen. „Allerdings ist es gesetzlich nicht vorgesehen, dass wir von uns aus Informationen über Dritte an Dritte, hier die Bürger oder Kommune, herausgeben. Wir dürfen Daten generell nur so verwenden, wie es der Zweck vorsieht“, unterstreicht Pressesprecher Marco Jeschor. Gleichwohl könne aber ein Träger von sich aus für sein Vorhaben in der Stadt oder bei den Bürgern werben. „Das bleibt allerdings seine freie Entscheidung“, so der Pressesprecher.

Dies soll nun bei der nächsten Ortschaftsratssitzung Anfang März nachgeholt werden, bestätigt Vize-Ortsbürgermeister Frank Fabian. Dann will die VHS-Bildungswerk GmbH Magdeburg über das Vorhaben „Intensivpädagogische Wohngruppe für Kinder und Jugendliche“ die Bürger informieren.

In einer Leistungsbeschreibung, die der Volksstimme vorliegt, werden die zukünftigen Bewohner genannt: „Kinder von 6 bis 12 Jahren; sowohl Mädchen als auch Jungen, sowohl deutsche als auch ausländische junge Menschen“.

Weiter heißt es: „Bei geeigneter Gruppenkonstellation und entsprechendem Fallverlauf können junge Menschen auch nach dem 12. Lebensjahr bis zum 18. bzw. 21. Lebensjahr in der WG verbleiben, um weitere Bindungsabbrüche innerhalb ihrer Biografie zu verringern.“

Das Papier hebt als Ausschlusskriterien vor: schwere, unbehandelte Sucht, unbehandelte schwere psychische Krankheit oder soziale und individuelle Verhaltensweisen, die andere Bewohner gefährden könnten.

Um nochmal auf die Rolle des Landratsamtes zurückzukommen, dem ja mangelnde Information vorgeworfen wurde. „Der Fachbereich Soziales, Jugend, Familie sei nicht in der Pflicht, die Öffentlichkeit einzubeziehen. Hier sei im konkreten Fall das Landesjugendamt in Halle zuständig“, hieß es in Bernburg.

Im Rahmen der Verhandlungen zu den Qualitätsvereinbarungen werden vom jeweiligen Träger die Konzepte, die mit dem Betrieb der Einrichtungen verfolgt werden, eingereicht. „Daher ist es nicht ungewöhnlich, dass dem Salzlandkreis entsprechende Konzeptionen vorliegen“, erklärt Fachbereichsleiter Mathias Kiegeland.

Wo sich ein Träger einer freien Jugendhilfe-Einrichtung ansiedelt, sei, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Betriebserlaubnis erfüllt sind, eine freie unternehmerische Entscheidung des Trägers.