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Abfallentsorgung Müllberge in Staßfurt-Nord

Fremde werfen Müll in ihre Tonnen. So berichten es Mieter in Staßfurt. Ein eingezäunter Stellplatz ist langfristig eine Option.

02.07.2020, 23:01

Staßfurt l Der Mann hatte es recht eilig. Und es war ihm offensichtlich egal, dass er von mehreren Bürgern beobachtet wurde. Die Tür am Eingang in der Straße der Jugend in Staßfurt gegenüber der Straße der Solidarität ging auf, unter den Arm hatte er sich mehrere grüne Teppichreste geklemmt. Zügig überquerte er die Straße, rief ein schnelles „Hallo“ in die Runde, öffnete die Kübel und warf seinen Müll in die Restmülltonnen der Wohnblöcke der Straße der Solidarität. Ja, es ist erlaubt, Teppiche in kleinen Stücken (aber nicht in großen Mengen) im Hausmüll zu entsorgen. Und doch war die Dreistigkeit des Staßfurters symbolisch und bezeichnend.

Denn gerade in diesem Moment hatten sich mehrere Anwohner der Nummern 21 bis 25 in der Straße der Solidarität versammelt, um ihrem Unmut Luft zu machen. Was sie seit Jahren stört: Die Tonnen quellen über. Und zwar alle. Die grauen, die braune, besonders die gelbe. Der Müll wird daneben geworfen, im Sommer stinkt es. Es werden Ratten und Igel angezogen. Der Müll fliegt herum, was kaum jemanden zu stören scheint. Und ja, viele Fremde würden ihren Müll in die öffentlich zugänglichen Tonnen werfen. Der Beweis war ja gerade geführt worden. Warum er die Teppiche in die Tonnen geworfen hat? „Ist doch brennbar“, sagt der Mann achselzuckend. Dann zieht er wieder von dannen.

Die Anwohnerin der Straße der Solidarität 21, die sich an die Volksstimme gewendet hat, schüttelt den Kopf. „Die Leute sind zu faul zum Laufen“, sagt sie und möchte lieber anonym bleiben. „Man sieht Autos mit Ascherslebener oder Bernburger Kennzeichen, die vor den Tonnen halten, ihren Müll reinwerfen, und dann wieder wegfahren.“ Gerade die gelbe Tonne wäre ein Problem. In dieser wären auch schon Babywindeln gelandet. „Wenn die freitags geleert wird, ist die montags schon wieder voll.“ Und weil das so ist, stellen die Anwohner ihre Tüten daneben. Meistens nehmen die Müllentsorger den Müll mit, manchmal bleibt er aber auch liegen. Und wenn er liegen bleibt, dann holt sich der Wind die Plastikteile und verteilt sie auf dem Rasen und den Wegen daneben. „Oft ist der Rasen voller Müll“, sagt die Anwohnerin. Manchmal geht sie selbst mit einem Greifer herum und sammelt auf, weil sie den Anblick nicht erträgt. „Wenn ich Besuch bekomme, fragen die: Wie wohnst du denn hier? Dabei wohne ich gerne hier, es ist ruhig. Supermärkte und Kita sind gleich um die Ecke.“ Wenn eben nur das Müllproblem nicht wäre.

Seit vielen Jahren schon, so berichtet es auch der Mann, der sich dazugesellt hat, stehen die Anwohner im Kontakt mit dem Vermieter Wohnungsbaugenossenschaft zu Staßfurt (WBG). „Passiert ist nichts. Es war ja nicht einmal jemand hier, um sich das anzuschauen.“ Er schrieb mehrmals der WBG. Im Juli 2019, im Februar 2020 und erst jetzt wieder im Juni 2020. Er betreibt in dem Wohnblock eine Gästewohnung. „Für wen soll das denn einladend sein? Jeder Gast schlägt die Hände über dem Kopf zusammen, wenn er aus dem Fenster sieht. Ich zumindest schäme mich dafür“, schreibt er. Auch die Anwohnerin würde seit fünf Jahren bei der WBG nachfragen. Allein: Es tue sich nichts.

Die WBG hat die Ecke auf dem Schirm. „Wir kennen das Problem“, sagt Hagen Ring-ström, Vorstandsvorsitzender der WBG. „Es stimmt nicht, dass wir uns das nicht angesehen haben. Wir waren mehrfach vor Ort.“ Allerdings sei das Müllproblem eben nicht so einfach zu lösen. Viele Interessen müssten abgewogen werden. Das dauere eben seine Zeit.

Die Sachlage ist dabei so: Vertragspartner für die Müllentsorgung ist der Kreiswirtschaftsbetrieb (KWB). Die Mieter zahlen an den KWB, damit dieser den Abfall entsorgt. So teilt es die WBG auch in einem Brief aus dem Februar einem Anwohner mit. Demnach wären Fehlbefüllungen oftmals ursächlich für Überbefüllungen. „Ob das daran liegt, dass fremde Bürger ihren Müll in den Tonnen entsorgen, lässt sich nicht nachweisen“, sagt Ringström. „Es können auch Mieter aus dem eigenen Haus sein.“

Möglich ist natürlich auch, dass einfach die Größe der Tonnen nicht ausreicht. „Gerade die gelbe Tonne ist immer sehr voll. In den grauen Tonnen hingegen ist oft noch Platz“, sagt die Anwohnerin. Ein Indiz dafür, dass die Bürger Müll in die falsche Tonne werfen? Möglicherweise. Aber eben auch ein Indiz dafür, dass der Müll in der gelben Tonne nicht nur von Anwohnern aus der Straße der Solidarität stammt. Aktuell stünde die WBG mit dem Kreiswirtschaftsbetrieb in Kontakt, um das erforderliche Müllvolumen abzuklären.

Derzeit gibt es drei Flächen für die Müllentsorgung im langgezogenen Wohnblock. Eine am Anfang, eine in der Mitte und eine am Ende. „Aber nur die für die Mieter der Nummern 21 bis 25 in der Mitte sieht so furchtbar aus“, sagt die Anwohnerin.

Was kann getan werden? „Perspektivisch wollen wir die Tonnen hinter den Zaun stellen“, erklärt Hagen Ringström. Schon jetzt trennt ein Zaun die Rasenfläche hinter den Wohnblocks vom öffentlichen Gehweg. Die Mülltonnen stehen aber noch vor dem Zaun. „Man müsste eine Aussparung im Zaun einlassen“, so Ringström. Erfahrung hat die WBG damit bereits. „So etwas haben wir auch schon im Wohngebiet ‚Am Tierpark‘ umgesetzt.“

Für den Block in Staßfurt Nord wäre das auch eine Option. „In diesem Jahr ist das aber nicht mehr geplant“, sagt Ring-ström. „Eher in den nächsten ein bis zwei Jahren.“ Dann würde es in der Straße der Solidarität einen eingezäunten zentralen Stellplatz geben, der dann in der Mitte wäre und verschließbar wäre. Die Müllentsorgung wäre mit Mehraufwand beim KWB verbunden. Die beiden Stellplätze am Rand des Blocks würden wegfallen.

„Wir wollen keinen Schnellschuss machen“, so Ringström. Alles habe Vor- und Nachteile. Eine gesonderte Müll- entsorgung wäre mit Kosten verbunden und würde auf die Mieter umgelegt. Das müsse vermieden werden. Auch das Aufstellen eines eingezäunten Stellplatzes wäre mit Kosten verbunden. „Als Genossenschaft sind wir angehalten, die Kosten stabil zu halten. Wir müssen Investitionen vernünftig planen“, sagt Ringström. Die Interessen der Mieter müssten berücksichtigt werden. Die Wege sollen nicht zu weit sein, die Flächen ordentlich gehalten werden. „Das ist eine Gratwanderung.“