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Abwasserbeitrag „Urteil respektieren“

Das Landesverfassungsgericht hat entschieden: Alte Abwasserbeiträge können erhoben werden.

06.02.2017, 17:32

Das Landesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Fristenregelung des Kommunalabgabengesetzes zur Erhebung von Abwasserbeiträgen weder das Rechtsstaatsprinzip verletzt, noch gegen den Gleichheitssatz verstößt. Darüber sprach René Kiel mit WAZV-Geschäftsführer Andreas Beyer.

Volksstimme: Wie beurteilen Sie das Urteil? Hatten Sie mit einer solchen Entscheidung gerechnet?

Andreas Beyer: Zunächst ist das Urteil des Landesverfassungsgerichts zu begrüßen. Aus meiner Sicht sollte es respektiert werden und endlich Rechtsfrieden eintreten. Der Verband hat natürlich im Vorfeld der Entscheidung - und auch vor Nichteinhalten des Moratoriums – die Rechtslage umfassend geprüft. Im Ergebnis überrascht die Entscheidung wenig, wobei bei Gerichten ein gewisses Restrisiko immer besteht.

Was bedeutet das jetzt für unseren Verband im Abrechnungsgebiet II, dem damaligen Abwasserzweckverband (AZV) „Bodeniederung“, dessen Aufgaben der Wasser- und Abwasserzweckverband „Bode-Wipper“ 2011 übernommen hatte?

Direkte Auswirkungen sehe ich auf den ersten Blick nicht. Aber auf den zweiten. Fast 95 Prozent der Bescheide sind bezahlt. Bei einer anderen Entscheidung des Landesverfassungsgerichtes hätte man vor der Entscheidung gestanden, wie mit diesen Verfahren umzugehen ist. „Plan B“ brauchen wir nun nicht. Aber viel wichtiger für den Verband ist, selbst wenn man der Meinung der drei Richter folgen würde, die eine abweichende Rechtsauffassung vertreten haben, hätte dies keinerlei Auswirkungen auf den Wasser- und Abwasserzweckverband „Bode-Wipper“ Staßfurt, denn mit den Baumaßnahmen im Gebiet II wurde erst 1995 begonnen.

Waren alle Widersprüche bereits entschieden und wenn nein, wann erfolgt deren Bearbeitung?

Bis auf drei Widersprüche wurden alle Vorverfahren bearbeitet. Diese drei Verfahren wurden einvernehmlich ruhen gelassen und werden jetzt abgeschlossen.

Wie war bei uns die Ausgangslage? Wie viele Beitragsbescheide wurden nach der Neufassung der Beitragssatzung, der ersten rechtskräftigen des AZV, verschickt mit welchem Beitragsvolumen? Wie ist der Abarbeitungsstand?

Aufgrund der nicht sonderlich geglückten Beitragsveranlagung des Abwasserzweckverbandes „Bodeniederung“ von 1995 bis 2010 war die Ausgangslage äußerst schwierig.

Insbesondere die Aufarbeitung der Vergangenheit war alles andere als einfach, zumal einige Unterlagen nur schwer zu prüfen waren. Eigentümer haben gewechselt, Grundstücke wurden geteilt, verschmolzen oder erhielten eine andere Bezeichnung. Dies war neben der Suche nach einer Lösung, die auch den bestandskräftig veranlagten und bezahlten Grundstücken gerecht wird, die größte Herausforderung.

Ersteres haben meine Mitarbeiter hervorragend gelöst und mit der Änderung des Kommunalabgabengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt durch Aufnahme der „Staßfurter Lösung“ haben wir auch für letzteres einen guten Kompromiss gefunden. Immerhin drohte die Nachveranlagung von über 6500 Grundstücken mit einem Volumen von elf bis zwölf Millionen Euro. Durch Anwendung der Billigkeitsregelung des Paragrafen 13 Absatz 6 waren noch 829 Grundstücke mit einem Umfang von rund 3,75 Millionen Euro zu veranlagen.

Was den Abarbeitungsstand angeht, so ist die Beitragsveranlagung im Gebiet II vollständig abgeschlossen.

Wie viel Klagen sind noch anhängig?

Aktuell sind noch etwas über 60 Klagen anhängig. Die Kläger, die ihre Hoffnung in die Entscheidung des Verfassungsgerichts gesetzt haben, werden wir nun anschreiben und ihnen bei Bedarf Hilfe anbieten, wie die Verfahren möglichst kostengünstig für den Kläger beendet werden können. Bei allem Ärger gehört es sich, dass wir diese Kunden nicht ins offene Messer laufen lassen.

Der Landesrechnungshof hatte kritisiert, dass die damalige Geschäftsführung die Verjährung von Beitragsforderungen in Millionenhöhe zugelassen hatte. Konnten Sie diese Grundstückseigentümer mit der neuen Satzung doch noch heranziehen?

Grundsätzlich ist es unser Anspruch, dass jedes beitragspflichtige Grundstück im Gebiet II auch veranlagt worden ist, denn Beitragsausfälle wären durch die Gemeinden zu tragen. Bei einigen Grundstücken gestaltete sich eine Veranlagung aufgrund der Historie und nicht greifbarer Eigentümer äußerst schwierig. Ich gehe aber davon aus, dass wir alle Grundstücke veranlagt haben.

Was passiert mit diesem Geld?

Zum 31. Dezember 2013 betrug die Forderung, für die der WAZV laut Vertrag mit dem privaten Betreiber im Gebiet II haftet, noch 33,2 Millionen Euro. Zum Stichtag 31. Dezember 2023 werden diese Verbindlichkeiten auf 14,9 Millionen Euro gesunken sein. Mit den Beitragseinnahmen können die Verbindlichkeiten weiter gesenkt beziehungsweise die Aufnahme von Fremdkapital für noch anstehende investive Aufgaben vermieden werden. Dazu werden die eingenommenen Beiträge zur Gebührenentlastung in Höhe von rund 80 000 Euro pro Jahr aufgelöst. Erste Auswirkungen spüren die Kunden im Gebiet II seit dem 1. Januar dieses Jahres, in dem die Schmutzwassermengengebühr unter leichter Anpassung der Grundgebühr erneut spürbar gesenkt werden konnte.

Nach 22 Jahren ist die Beitragsveranlagung in der ehemaligen Bodeniederung endlich abgeschlossen. Ihr Fazit?

Der WAZV hat mit der Übernahme der Aufgaben von den Gemeinden der Bodeniederung 2011 ein schweres Erbe angetreten. Der Abschluss der Beitragsveranlagung war nur eine der Leichen, die im „AZV-Keller“ schlummerten.

Beim Blick zurück bin ich aber der Meinung, dass wir diese Aufgabe durch die hervorragende Zusammenarbeit mit den Gremien der Mitgliedsgemeinden und den Verbandsvertretern bestmöglich gelöst haben. Alle Vertreter waren zu jedem Zeitpunkt über die weiteren Schritte und deren Konsequenzen unterrichtet. Durch die Einbeziehung der Öffentlichkeit zum frühestmöglichen Zeitpunkt wurde der Grundstein gelegt, dass die Klagequote bei unter acht Prozent liegt. Diese Transparenz wäre auch an anderer Stelle zu wünschen gewesen, denn was mit den Verbänden seit 2014 gemacht wurde, war nicht nur unwürdig, sondern teilweise auch weit unter der Gürtellinie. Der Abschluss der Veranlagung ist ein weiterer Schritt für möglichst dauerhaft stabile und vor allem kostendeckende Gebühren im Gebiet II.