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Bauen Gerüchteküche um „Eichengrund“

In Cochstedt ruht ein Millionen-Projekt. Warum geht der Umbau des ehemaligen Möbelwerkes zum neuen kulturellen Zentrum nicht weiter?

24.03.2020, 23:01

Cochstedt l Behörden halten sich bedeckt. Bürger haben zudem beim Landkreis nachgefragt, ob alle Baugenehmigungen vorliegen und sich über rücksichtslose Bauherren beschwert. Der private Investor weist alle Vorwürfe zurück. Über allem schwebt eine Wolke aus Gerüchten, Vorwürfen, Streit, Angst und Unverständnis. Im Hintergrund brodelt es gewaltig im kleinen Cochstedt. Corona bewegt die Menschen. Eigentlich haben viele derzeit andere Sorgen, aber das ist nicht alles, was in dem Hakelort für Gesprächsstoff sorgt. Auf der Straße wird geredet und dabei geht es um den „Eichengrund“ in der Böcklinger Straße.

Dabei handelt es sich um eine alte Möbelfabrik, die von dem privaten Investor Harro Möwes seit einigen Jahren zum kulturellen Zentrum des Ortes umgebaut wird.

Seine Pläne: Ein Saal soll entstehen. Eine Küche für Feiern und ein Mittagstisch-Lieferservice ist bereits gebaut. Das Gebäude ist erhöht worden. Im Erdgeschoss wurde schon vor längerer Zeit ein neues Café eröffnet. Auf der anderen Seite steht der neue kleine Einkaufsmarkt.

Das Lebensmittelgeschäft von früher ist von hinten nach vorne umgezogen. Hotelzimmer sind geplant. Ein großer Fahrstuhlturm entsteht. Das Dach hat neue Ziegel.

Einigen umliegenden Anwohnern und Nachbarn zum Eichengrund bereiten die Pläne Sorgen – zumindest so viele, dass sie sich auch an die Volksstimme wandten. Man fühle sich durch die großen geplanten Hotelfenster, die direkt auf ihr Grundstück zeigen sollen und schon angezeichnet wurden, in der Privatsphäre eingegrenzt. Auf der anderen Seite zur Böcklinger Straße hin sei der Bau so hoch, berichten Betroffene, dass weniger Licht in den Wohnungen sei. Außerdem seien schon jetzt Küchengerüche am Morgen störend.

Allgemein ist für die Nachbarn vieles nicht logisch, denn selbst hätte man immer wieder extreme Auflagen des Denkmalschutzes an privaten Häusern berücksichtigen müssen, um den historischen Charme des Ortskernes zu bewahren.

Die Nachbarn sagen, dass sie das Gespräch mit den Eigentümern gesucht hätten. Sie hätten ihre Anliegen vorgetragen, doch ohne Erfolg oder Resonanz. „Das Gespräch mit dem Besitzer war einfach nicht mehr möglich“, berichtet eine Frau, die aus Angst beschimpft zu werden, namentlich nicht genannt werden möchte, der Redaktion aber bekannt ist. Über allem steht ihre Sorge „nicht mehr hinnehmbarer Einschränkungen in der Lebensqualität.“

Sie und weitere betroffene Bürger sagen, dass sie sich nicht mehr anders zu helfen wussten, als einen Brief aufzusetzen. Dabei handelt es sich um eine Bürgeranfrage, die dem zuständigen Bauordnungsamt des Landkreises zugeschickt wurde.

In diesem Schreiben (liegt der Volksstimme vor) bitten mehr als 20 „Anwohner des Eichengrundes um Amtshilfe bei der Überprüfung der baurechtlichen Veränderungen des ehemaligen Möbelwerkes.“ Es wird gefragt, ob für die vielen Bauvorhaben auch eine Genehmigung vorliegt. Ihrem Anschreiben fügten sie eine Unterschriftenliste mit Namen und Adressen bei.

Heike Möwes, Ehefrau des Eigentümers Harro Möwes, weist alle geschilderten Vorwürfe auf Volksstimme-Anfrage hin zurück und bezeichnet die Nachfrage beim Kreis als „Angriff gegen den Eichengrund.“ Keiner sei bei ihr gewesen und habe persönlich nachgefragt. Im Gegenteil – sie habe Baustelle und Räume auf Nachfrage und bei Veranstaltungen mehrfach gezeigt.

Alles sei wohlwollend aufgenommen worden. Es gebe keine Beanstandung der Küche. Alles sei einwandfrei und genehmigt.

Auf Facebook auf dem Profil des Eichengrundes macht Familie Möwes dieses auch öffentlich. Dort ist zu lesen, dass sie „mit voller Wucht ein feiger ‚Angriff‘ durch die liebe Nachbarschaft“ getroffen hätte.

Dass man so sarkastisch als „liebe Nachbarschaft“ bezeichnet wird, kommt weder bei den Cochstedtern im Netz gut an, noch bei den Nachbarn, die den Bürgerantrag gestellt haben. „Jetzt werden wir so dargestellt, als würde wir die Leute permanent anschwärzen“, sagt die Nachbarin, die mit der Volksstimme sprach. Dabei hätte man auch Interesse an der Aufwertung des Ortskernes. Es solle eben alles nur seine Richtigkeit haben.

Es steht also Aussage gegen Aussage. Fakt ist in jedem Fall: Derzeit ruht die Baustelle. Warum? Hier halten sich alle betroffenen Institutionen zurück.

Der Landkreis schweigt zu der ganzen Angelegenheit: „Wir befinden uns in einem laufenden Verwaltungsverfahren zwischen Bauherr und Landkreisverwaltung. Bauaufsicht, so dass sich jegliche öffentliche Aussagen darüber verbietet“, teilt Pressesprecher Marko Jeschor auf Anfrage der Volksstimme mit.

Die Stadt Hecklingen kann ebenfalls keine Auskunft geben. Bürgermeister Uwe Epperlein (Wählergemeinschaft Hecklingen) sagte, dass er vom Kreis zwar informiert wurde, die Stadt aber im Hinblick auf Baugenehmigungen und Co. nicht involviert sei.

Der Chef einer Schneidlinger Firma, die auf der Baustelle tätig ist, findet ein paar Worte auf Volksstimme-Nachfrage: „Wir haben Baustopp, weil wohl irgendwelche Unterlagen fehlen“, berichtet er. Diese müssten wohl nachgereicht werden, erklärte er.

Heike Möwes bestätigt der Volksstimme zumindest, dass der Markt im Moment geschlossen ist. „Wir sind jetzt in einem schwebenden Verfahren. Wir sind mit dem Landkreis am klären, ob noch Unterlagen fehlen. Das wird derzeit geprüft.“

Das Café wäre jetzt aber wegen Corona sowieso geschlossen. Kunden würden aber nach wie vor weiter mit Mittagstisch beliefert, sagte sie am Freitag. Wenn jemand etwas brauche, würden auch die Waren des täglichen Bedarfs zugestellt, erklärte sie.

Bleibt festzuhalten: Die Situation in Cochstedt ist und bleibt wohl vorerst verworren. Mittlerweile soll die Diskussion darüber ein bisschen zur Ruhe gekommen sein. Sicher ist aber: Die Fronten bleiben verhärtet und spalten den Ort.

Die Nachbarn, die beim Landkreis nachgefragt haben, sagen, dass ihre Unterschriftenliste mit ihren Namen mittlerweile im Ort die Runde macht. Das sei zum einem mit dem Datenschutz nicht vereinbar. Außerdem werde das dazu gehörige Anschreiben nicht mit ausgegeben, sondern nur gesagt, dass alle, die unterschrieben hätten, allgemein gegen den „Eichengrund“ seien. Das sei ja nicht der Fall. Man habe einfach nur Klarheit haben wollen.

Cochstedts Ortsbürgermeister Wolfgang Weißbart (parteilos) findet es nicht angemessen, dass der kleine Einkaufsmark geschlossen wurde. Es sei nicht in Ordnung, dass der Lebensmittelladen darunter leiden müsse, wenn es Leute gebe, die darauf angewiesen sind.