Fischsterben 200 Kilogramm Kadaver

Angler in Staßfurt werden mit dem Bergen toter Fische allein gelassen. Zum Fischsterben übernimmt bis jetzt niemand die Verantwortung.

11.08.2019, 23:01

Staßfurt l Die Angler vom Sportfischerverein Staßfurt sind wütend. Sie trafen sich am Sonnabendmorgen an der Brücke Salzrinne. Von Dienstag bis Sonnabend haben sie jeden Tag tote Fische aus der Bode geholt. „Das ist zwar unsere Pflicht als Pächter, aber in so einem Katastrophenfall sollte das eigentlich der Verursacher übernehmen“, sagt Angler Uwe Sander. Da auch Urlaubszeit im Verein ist, fischten jeden Tag nur vier bis fünf Freiwillige die Kadaver aus dem Fluss. Viele der Angler sind älter und haben Probleme, die Eimer voller Fisch zu schleppen. Eigentlich ist das Angeln und der Besatz des Flusses nur ein Hobby.

„Selbst wenn ich einen Container bestelle, wer bezahlt das? Ich habe ja nicht einmal einen Anhänger“, sagt Uwe Sander wütend. Keine Behörde habe bisher Hilfe angeboten. „Als ich bei der Stadtverwaltung anrief, wurde mir gesagt, dass es nach 16 Uhr sei und wurde weggedrückt“, erzählt sein Sohn Matthias Sander. Nur die Feuerwehr hat ihr Schlauchboot angeboten.

Am Sonnabend holen vier Männer zum letzten Mal stinkende Fischreste aus der Bode. „Uns Anglern sagt keiner, was bei den Proben herausgenommen ist. Ist das Wasser für uns giftig? Sind die Kadaver giftig und wir erkranken später?“, fragt Uwe Sander.

Bisher gibt es tatsächlich keine Aussagen von Behörden, wie man sich an der Bode jetzt zu verhalten haben. Man habe gehört, man könne die Fische in der Staßfurter Bode zwar essen, aber ratsam sei das nicht. „Und dort lasse ich auch keinen meiner Leute mehr ans Wasser“, sagt Uwe Sander und zeigt auf die Einleitstelle an der Salzrinne, wo die Soda zusätzlich noch Chloride einleitet. Tote Fische, die bei Real für Aufmerksamkeit gesorgt hatten, müssen die Angler liegen lassen.

Die Angler haben letzte Woche 200 Kilogramm tote Fische von 15 Arten aus der Bode geholt, unter anderem Zander, Döbel, Barsch, Aal, Barbe, Gründling, Hecht, Karpfen, Plötze oder Schleie. Da die Fische von wenigen Zentimetern bis zu 70 Zentimeter lang waren, können die Angler keine genaue Anzahl toter Fische nennen.

Nimmt man für eine Beispielrechnung 0,04 Kilogramm für einen 15 Zentimeter langen Fisch, wären letzte Woche in der Bode rund 5000 Fische verendet. Auch laut Uwe Sander wiederholt sich das Fischsterben in Staßfurt ständig. „Wir setzen immer jedes Jahr neue Fische in die Bode – wofür eigentlich?“

 Am Freitag hat das Sodawerk Staßfurt die Verantwortung für die weiße, milchige Verfärbung der Bode am Mittwoch letzter Woche übernommen.Das Werk entnimmt vor dem Staßfurter Wehr Wasser aus der Bode, um Kühlwasser für seine Produktionsprozesse zu bekommen, und lässt Produktionsabwasser hinter dem Wehr in den Fluss laufen. Wenn die Bode im Sommer bis zu 25 Grad warm ist, muss der Betrieb aber auf Grundwasser aus Brunnen zurückgreifen. Dieses Grundwasser habe einen höheren Gehalt an Wasserhärten und niedrigere Temperaturen gegenüber dem Bodewasser, erklärt die Geschäftsleitung. Dabei könne Calciumkarbonat austreten, „das ist optisch als weißer Niederschlag wahrzunehmen“. Zum Fischsterben bekennt sich das Werk nicht, nennt dafür keine Ursachen.

Die genaue Erklärung des Sodawerks zum Verfahren mit dem Grundwasser lautet: „Es ist möglich, dass unter bestimmten Bedingungen, wie Temperatur- und pH-Wert-Schwankungen, Calciumkarbonat ausgefällt wird. Das ist optisch als weißer Niederschlag wahrzunehmen, welcher in Bezug auf die Gewässergüte als unbedenklich anzusehen ist. Auf Grund des derzeitig niedrigen Wasserstandes kann dieser Effekt verstärkt auftreten.“

Zur vergangenen Woche teilt das Werk auch mit, dass „keine Störungen beziehungsweise Abweichungen im Produktionsbetrieb des Sodaprozesses in Staßfurt zu verzeichnen sind oder waren.“

Das Land Sachsen-Anhalt genehmigt der Soda das Einleiten von Produktionsabwasser in die Bode. Landesverwaltungsamt begründet diese Genehmigung damit, dass es technisch nicht anders möglich sei, das Industrieabwasser zu entsorgen Die Erlaubnis zum Einleiten hat das Amt der Ciech Soda 2014 nochmal bis 2021 verlängert.

Dass diese Praxis lange überholt ist, zeigen schon die Überlegungen des Unternehmens selbst, das Abwasser in Zukunft anders zu entsorgen. Das Land macht Druck auf das Unternehmen, da EU-Vorschriften schärfer geworden sind. Unter anderem eine Pipeline zur Elbe ist im Gespräch, diese wäre ein Milliarden-Projekt.

Dabei ist das Fischsterben bei den Landesbehörden seit Jahren bekannt. Denn im Gewässerentwicklungskonzept des Landes (für die Untere Bode 2014 bis 2021) heißt es zum Sodawerk Staßfurt: „Auch bei einem nach dem Maßstab der genehmigten Einleitbedingungen störungsfreien Betrieb werden – zumindest bei abflussarmen hochsommerlichen Verhältnissen im Abstrom der Einleitung – toxische Ammoniakkonzentrationen immer wieder erreicht und entsprechende Fischsterben auftreten.“ Außerdem steht dort, dass der „Haupteinleiter Sodawerk Staßfurt“ einen ökologisch guten Zustand der Bode unmöglich macht.