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Krankenhaus Ein gutes Buch als Seelentröster

Auf dem Weg zu einer schnellen Gesundung hilft im Ameos-Klinikum in Staßfurt eine Patientenbibliothek, die fast 1000 Bücher umfasst.

09.12.2018, 07:00

Staßfurt l Die ältere Frau mit ihrem Rollator wagte sich Schritt für Schritt näher an die offene Tür heran und trat gemächlich ein in den kleinen Raum im Erdgeschoss des Ameos-Klinikums in Staßfurt. Ihr Blick ging hoch und dann zur Seite. Das Erstaunen war ihr anzusehen. Unweit vom Foyer stehen jede Woche Dienstag und Donnerstag von 9 bis 12 Uhr die Türen offen. Neugierige werden hier ins Reich der Bücher entführt. Die sogenannten „Grünen Damen“, die auch in der Bodestadt als ehrenamtliche gute Seelen für die Patienten ein offenes Ohr haben, haben am Standort Staßfurt seit drei Jahren eine sogenannte Patientenbibliothek. Während ihres Aufenthaltes können Patienten sich so die Zeit vertreiben und die Grübeleien wegschieben.

Alles fing im Jahr 2015 mit 50 bis 100 Büchern an. Heute sind 947 Bücher aufgelistet. Ja, die Bibliothek wächst und wächst. „Die Idee wurde gemeinschaftlich entwickelt“, erklärt Anneliese Lau von den „Grünen Damen“. Heute kümmert sich die 65-Jährige aus Hecklingen zum größten Teil um die Pflege und den Ausbau der Bibilothek. „Damit wollen wir von Sorgen ablenken. Es ist ein Werkzeug, ein kleines Hilfsangebot. Die Grundidee war es, Patienten vorzulesen, die nicht mehr so gut sehen können. Daraus ist dann die Idee mit der Bibliothek entstanden.“

Dabei gibt es ein breites Angebot. Fein sortiert stehen die Bücher unter Themen wie „Krimi“, „humorvoll, leicht“ oder „Biographien“ alphabetisch geordnet im Schrank. Auch für „Romane“ gibt es eine eigene kleine Abteilung. „Wir schreiben niemanden auf, der sich ein Buch ausleiht. Das ist Vertrauenssache“, so Lau. Immer wieder stehen Kartons vor der Tür. Bürger bringen privat aussortierte Schätze vorbei. Alles ist kostenlos. Niemand bekommt Geld. Aber die Bibliothek ist im ständigen Wandel. „Auch bei der Anmeldung werden Bücher abgegeben“, sagt Lau. Dabei wird auch nicht alles genommen. „Es sollte ästhetisch sein.“ Die Haptik spielt also eine große Rolle. Völlig abgegriffene Bücher schaffen es nicht in die Bibliothek.

Das Angebot ist trotzdem sehr vielfältig. Haben Sie Lust auf moderne aber eher leichte Kost? Nicholas Sparks, Tommy Jaud oder Jojo Moyes stehen mit ihren Büchern parat. Oder stehen Sie auf Krimis oder historische Romane? Charlotte Link, Ken Follett, Sebastian Fitzek oder Dan Brown können an die Hand gereicht werden. Immer aktuell, immer auf der Höhe, ist ein Standard, den die Patientenbibliothek ganz nebenbei gerecht wird. „Wir haben einen guten Durchschnitt“, meint Lau. Aber auch Bildungsromane sind im Repertoire zu finden. Es gibt (fast) nichts, was es nicht gibt.

Der Raum im Erdgeschoss links von der Anmeldung ist dabei bereits der dritte Ort. Mehr Bücher brauchen auch mehr Platz. So gab es also zweimal einen Umzug. „Der Raum jetzt ist sehr günstig.“

Dabei war das Klinikum ein guter Partner. „Ohne das Krankenhaus wäre das nicht möglich gewesen“, so Lau. „Wir freuen uns sehr über das Engagement“, sagt Anja Vincentini, Pressesprecherin des Klinikums. „Wir unterstützen das komplett. Die Zusammenarbeit funktioniert super. Wir stehen im engen Kontakt, es gibt einen schnellen Austausch.“

Weil viele Patienten natürlich im Krankenhaus nicht mobil sind, gibt es neben der zweimal in der Woche geöffneten Patientenbibliothek auch einen Bücherwagen, der bei den Visiten der „Grünen Damen“ immer mit dabei ist. Damit bieten Anneliese Lau und ihre Mitkämpferinnen die Bücher direkt in den Zimmern an. „Manchmal leiht sich keiner ein Buch aus. Danach werden wir Bücher reihenweise los.“ Das Interesse ist konstant hoch. Fertig gelesene Bücher können dann in den Warteräumen auf den Stationen abgegeben werden. Die „Grünen Damen“ holen sie dann ab.

Aber Patienten kommen natürlich auch direkt vorbei. So wie die ältere Dame, die fachkundig beraten wird. Sie interessiere sich für Krimis, sagt sie und bekommt mehrere Exemplare in die Hand. Es geht hin und her. Auch Lebensgeschichten mag sie. Und so geht die Patientin mit ihrem Rollator am Ende mit einem Exemplar von Hape Kerkelings „Ich bin dann mal weg“ aus dem Raum. Sie lächelt. Und ist weg.

Was noch fehlt im Konzept? Vielleicht der digitale Zugriff auf die Bücherliste. Das würde die Patientenbibliothek für die Zukunft auf noch sichere Beine stellen. Offen ist Anneliese Lau. „Wir sind an nichts gebunden“, sagt sie. Die kreative Freiheit macht der Bibliothek Beine. Und beflügelt für die weitere Arbeit.