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Vergiftungen Weniger Fisch und Wild essen

Die mit krebserregenden Stoffen wie PCB und PCN aus dem einstigen Chemiewerk in Westeregeln belastete Ehle sorgt für Diskussionen.

24.07.2019, 03:00

Egeln/Westeregeln l Die Kontamination des Schlamms in der Ehle im Raum Westeregeln und Egeln mit PCB und PCN ist nach Einschätzung des Toxikologen Dr. Gerd Rippen aus Goslar „sehr, sehr hoch.“ Diese sogenannten Sedimente dürften auf keinen Fall in die Breite verteilt werden, sagte der Experte, der die Belastung der Ehle 2017 im Auftrag des Landes untersucht und ein Gutachten erstellt hatte.

Die Landkreisverwaltung will am 12. August in Bernburg mit den Jägern aus der Region Egeln über die Auswirkungen beraten und entsprechende Festlegungen treffen, wie es weiter gehen soll. Hintergrund ist, dass bei Untersuchungen eine Kontamination von Wildschweinen festgestellt wurde.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin bestätigte indes den Hinweis des ehemaligen Chefs des Landesamtes für Bergbau und Geologie Sachsen-Anhalt, Peter Klamser aus Egeln, dass die BfR-Stellungnahme 048/2011 nicht für den Ehlebereich anwendbar ist. Diese Expertise vom 16. Mai 2011 ist unter der Überschrift veröffentlicht worden: „Dioxin- und PCB-Gehalte in Wild stellen keine Gesundheitsgefahr dar.“ Darin heißt es: „Das BfR geht davon aus, dass Verbraucher im Durchschnitt zwei Wildmahlzeiten im Jahr essen. Vielverzehrer kommen jährlich auf rund zehn Wildmahlzeiten. Für diese Bevölkerungsgruppen besteht kein Gesundheitsrisiko.“ Anders sehe das bei bis zu 90 Wildmahlzeiten pro Jahr aus, wie sie in Jägerfamilien und deren Umfeld typisch seien, wenn dabei häufig Innereien von Wildtieren, vor allem Leber, mit hohen Dioxin- und PCB-Gehalten verzehrt werden. Wenn es sich nur um Muskelfleisch handele, bestehe auch für diese Bevölkerungsgruppe bei bis zu 90 Wildmahlzeiten pro Jahr kein Gesundheitsrisiko, so das BfR.

„Diese Stellungnahme bezieht sich nur auf Werte, die wir in Deutschland erhoben haben. Sie gilt nicht für Regionen, in denen es eine hohe Belastung gibt“, sagte Institutssprecher Jürgen Thier-Kundke gestern der Volksstimme. Er sprach von Hotspot-Regionen. Dort müssten die örtlichen Behörden eine Empfehlung geben, damit das gesundheitliche Risiko der Bürger so gering wie möglich ist“, sagte Thier-Kundke.

Das habe die Landkreisverwaltung mit ihrem Erlass vom 30. April 2018 getan, sagte die Ehle-Sonderbeauftragte des Salzlandkreises, Karin Pfeiffer. Danach wird den Verbrauchern in Westeregeln, Egeln, Tarthun, Unseburg und Staßfurt geraten, den Verzehr von Fischen aus der Ehle und der Bode im Mündungsbereich der Ehle einzuschränken und Innereien von Wild nur im zwei- bis dreiwöchigen Abstand zu essen.

Torsten Gohlicke, der Obmann der Jagdpächtergemeinschaft Westeregeln, der an der Beratung mit seinen Kollegen in Bernburg teilnehmen will, sagte: „Wenn wir Sauen im Bereich der Ehle strecken, informieren wir sofort das Veterinäramt und dann werden von dem Tier Proben genommen. Bei einer entsprechenden Belastung werden sie über ein Unternehmen entsorgt. Wir haben seit Februar dieses Jahres keine Sauen mehr dort gestreckt. Somit haben wir keine neuen Erkenntnisse über eine mögliche Belastung.“

Auf die Frage, ob er jetzt noch mit Appetit Wild verspeisen werde, sagte der Jäger: „Ich esse weiter Wild, aber nur, wenn das Tier als unbelastet eingestuft wurde.“

Klamser, der sich zum brisanten Thema Ehle kürzlich auch in der Einwohnerfragestunde einer Kreistagssitzung zu Wort gemeldet hatte, wirft der Verwaltung vor, nichts Nennenswertes zu tun. Das wies Landrat Markus Bauer (SPD) als völlig unbegründet zurück.

„Seitens der zuständigen Behörden des Landkreises sind zahlreiche Verfügungen und Anordnungen ergangen, die dem Schutz der betroffenen Anlieger dienen. Diesbezügliche Messungen und Untersuchungen haben stattgefunden“, so der Kreischef in seinem Antwortschreiben.

Auf Klamsers Forderung zum Bau einer PCB-Reinigungsanlage eingehend, informierte Bauer: „Alle beteiligten Behörden und Institutionen sind der Auffassung, dass die Sanierung der Schadstoffquelle - hier ist der noch immer rezente Eintrag aus dem Altindustriegelände in Westeregeln über den Schwanenteich und den Schäfergraben in die Ehle zu verzeichnen - Vorrang hat.“

Nachdem man für die unmittelbare Sicherheit der Anwohner, Nutzer und Bewirtschafter der angrenzenden landwirtschaftlichen Flächen durch ordnungsrechtliche Maßnahmen gesorgt habe und das Umweltministerium im März dieses Jahres die Entscheidung zur Entwicklung eines ökologischen Korridors an der Ehle getroffen habe, stünden nun die Planung und anschließende Umsetzung von entsprechend geeigneten Maßnahmen an.

Die geplante Schaffung eines ökologischen Korridors bezeichnete der Landrat als optimale Lösung. „Allerdings sind hierbei auch noch etliche Probleme zu lösen, u.a. die Wildfrage. Das Ehlegebiet müsste infolge der Größenordnung abgegrenzt werden. Die entsprechenden Fragen hat der Landkreis an die Landesministerien gerichtet. Der ausdrückliche Hinweis auf die gesetzlichen Verpflichtungen der Jägerschaft beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln sei erfolgt. Eine Handhabung des kontaminierten Wildes wie in der Muldeaue in Bitterfeld ist jedoch nicht zu erwarten“, heißt es im Schreiben des Landrates. Das auch für die Gesundheit und den Verbraucherschutz zuständige Sozialministerium in Magdeburg habe kürzlich signalisiert, sich der Wildproblematik anzunehmen.

Weiterhin monierte Klamser: „Auch der Bürgermeister der Egelner Mulde tut nichts, um die ihm anvertraute Gesundheit der Bürger sofort zu schützen.“ Diese Kritik wies Michael Stöhr (UWGE) gestern zurück: „Wir müssen die Arbeit den Experten überlassen. Es nützt nichts aus Laiensicht irgendwelche Sofortmaßnahmen zu fordern, die nicht zielführend sind.“