Großeinsatz am Sonnabend / Mehr als 100 Feuerwehrleute löschen Brand in Mehrfamilienhaus 100 Kameraden löschen Hausbrand in Westeregeln: 60 Bewohner bangen um ihr Hab und Gut
Über 100 Feuerwehrleute sind am Sonnabend in die Straße Am Sportplatz in Westeregeln ausgerückt, um einen Brand im Dachgeschoss eines Mehrfamilienhauses zu bekämpfen. 60 Bewohner mussten ihre Wohnungen verlassen. Vier Dachgeschosswohnungen sind völlig ausgebrannt. Verletzt wurde niemand.
Westeregeln l Anja Laschke ist erst vor zweieinhalb Wochen in die Straße Am Sportplatz eingezogen. Sie hat sich für die Wohnung in dem weißen Mehrfamilienhaus gerade eine neue Einbauküche geleistet. Jetzt hat sie Angst, dass Wasser von oben in ihre Wohnung läuft und die neue Küche zerstört. Denn am Sonnabend haben die Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehren zwei Etagen über ihr fünf Stunden lang einen Brand gelöscht. Doch Anja Laschke möchte sich nicht zu viele Gedanken wegen des Wasserschadens machen, sie ist einfach nur froh, dass ihr Bruder sie rechtzeitig aus der Wohnung geholt hat.
Es ist Sonnabend gegen 12 Uhr Mittag. Anja Laschke hört die Sirene im Ort, aber denkt sich nichts dabei. Sie geht duschen. "Ich bin gerade aus der Dusche raus, da klingelt es an meiner Tür Sturm", erzählt die Westeregelerin. Ihr Bruder wohnt im selben Ort. Er hat längst die Rauchwolken gesehen und deren Herkunft aus der Straße Am Sportplatz ausgemacht. Der ganze Dachstuhl habe in Flammen gestanden.
Zur gleichen Zeit sitzen Angelina Hinze und ihre Mutter Melanie Hinze am Mittagstisch. Plötzlich geht ihr Pieper. Beide sind Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr Egeln - bereits in der vierten Generation. Erst vor zwei Wochen haben Mutter und Tochter ihren Atemschutzgerätelehrgang bestanden. Mit beim Lehrgang war Johannes Jehrke. Der 18-Jährige ist am Sonnabend ebenso mit dabei, als das Feuer im Dachstuhl gelöscht wird. Melanie Hinzes Aufgabe ist es, die einzelnen Wohnungen nach Brandherden abzusuchen und alle Fenster zu öffnen. Das alles mit einer Atemschutzmaske auf dem Kopf. "Die Atemluft in den Flaschen reicht höchstens für 26 Minuten aus", sagt Melanie Hinze.
Die beiden gelben Pressluftflaschen auf dem Rücken ihrer Tochter mussten bereits einmal ausgewechselt werden. Melanie Hinze hilft als Erste, die einzige Person zu retten, die nicht allein das Haus verlassen konnte.
"Wir waren gerade erst fertig mit Einrichten und haben uns neue Möbel gekauft."
Sarah Höppner, Hausbewohnerin
Es ist eine 77-jährige Frau, die die 21-jährige Kameradin mit einem Kollegen aus der Wohnung tragen. Diese Bewohnerin muss als einzige in ein Krankenhaus gebracht werden.
"Sie war nicht verletzt, aber stand vermutlich völlig unter Schock", sagt die Hauptamtsleiterin der Verbandsgemeinde Egelner Mulde Dagmar Witzke. Unter Schock stehen an diesem Sonnabend fast 60 Bewohner aus 22 Wohnungen. Eine davon ist Sarah Höppner. Sie lebt im mittleren der drei Eingänge in dem Häuserblock, auf dessen Dachboden der Brand ausgebrochen ist. Erst im August ist sie mit ihrem Freund in das Haus hinter dem Sportplatz eingezogen.
"Wir waren gerade fertig mit Einrichten und haben uns neue Möbel gekauft", erzählt Sarah Höppner und zittert am ganzen Leib. Sie hat den Brand früh entdeckt und die Feuerwehr alarmiert. "Wir haben unten den Rauch gerochen und erstmal gedacht, dass jemand Gartenabfälle verbrennt", so die Bewohnerin aus der ersten Etage. Doch dann habe der Qualm zugenommen und plötzlich fiel der Strom aus. "Wir sind auf den Balkon gegangen und sahen oben am Dachstuhl die Flammen", erinnert sich Höppner. Die 19-Jährige ruft geistesgegenwärtig die Feuerwehr und rennt mit ihrem Freund in die Wohnung in der zweiten Etage, sie klingeln und beginnen vom Balkon der Bewohnerin aus mit Wassereimern den Brand über ihren Köpfen zu löschen. Wenige Minuten später trifft die Feuerwehr ein.
Jedoch stehen die Kameraden erst einmal vor einem Problem. Die Einsatzkräfte können kein Löschwasser aus dem Hydranten entnehmen. Warum, ist noch unklar. Die über 100 Feuerwehrmänner- und frauen müssen folglich einen Löschschlauch nach dem anderen durch den Ort verlegen. Es wird sogar Wasser aus dem Kohlenpott geholt.
Sarah Höppner informiert derweil die Umland Wohnungsbaugesellschaft GmbH Egeln, der das Mehrfamilienhaus gehört.
"Wir haben uns sofort um Hotelzimmer oder möblierte Wohnung gekümmert."
Dagmar Witzke, Hauptamtsleiterin
Der Geschäftsführer und Vermieter Jürgen Wedekind ist nur wenige Minuten später am Ort. Er läuft in schnellen Schritten um das Haus herum und erkundigt sich bei den Bewohnern, ob sie bereits wissen, wo sie vorerst unterkommen könnten. "Ansonsten ist für genau solche Notfälle gesorgt bereits für Hotelzimmer oder möblierte Wohnungen", sagt Hauptamtsleiterin Dagmar Witzke.
"Der Schaden beträgt rund eine Million Euro."
Thomas Engel, Polizeioberkommissar
Sarah Höppner und ihr Freund lehnen das Angebot dankend ab, sie können zunächst bei ihren Eltern unterkommen. Auch Anja Laschke kann vorerst bei ihren Eltern schlafen, die ganz in der Nähe wohnen. Die beiden jungen Frauen hoffen, dass sie möglichst schnell in ihre Wohnungen zurück können.
Wann das sein wird, muss nun die Wohnungsgesellschaft klären. Die Polizei hat das Gebäude gestern wieder freigegeben. "Die Brandursache ist noch nicht geklärt", teilt Polizeioberkommissar Thomas Engel mit. Den Schaden schätzt er bereits auf etwa eine Million Euro. "Das Dachgeschoss ist vollkommen abgebrannt und die übrigen Wohnungen vom Löschwasser beschädigt", begründet der leitende Einsatzbeamte.
Die Betroffenen und Verantwortlichen haben sich noch direkt am Sonnabend für ein Treffen am Montagmorgen verabredet. Sie wollen gemeinsam nach Lösungen suchen. "Auch ein Spendenkonto wollen wir einrichten", kündigt Dagmar Witzke an. Ganz ohne ihre Besitztümer sind die Bewohner in ihren Notunterkünften zum Glück nicht. Am Sonnabend gegen 16 Uhr dürfen die Frauen und Männer mit einem Helm auf dem Kopf und in Begleitung von Feuerwehrmännern ein paar wichtige Dinge aus der Wohnung holen. "Ich habe nur schnell ein paar Klamotten zusammengesucht", sagt Anja Laschke, noch ganz außer Atem. Ältere Hausbewohner hätten vor allem wichtige Medikamente geholt.
Indes sitzt um 17 Uhr eine der Familien, die ihr Hab und Gut in einer der Dachgeschosswohnungen verloren hat, immer noch am Tisch des Seelsorgers.
Weitere Fotos finden Sie unter www.volksstimme.de/stassfurt